Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede sprechen Robert Gordon Winkels (SPD) und Arne von Boetticher (CDU) im Doppelinterview.
StichwahlStatt auf Schlagabtausch setzen Rhein-Bergs Landratskandidaten auf Sachpolitik

Bei vielen Dingen sind sich die Landratskandidaten einig.
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Vor der Stichwahl am Sonntag ging es bei den beiden Landratskandidaten Robert Gordon Winkels (SPD) und Arne von Boetticher (CDU) um ihre Gemeinsamkeiten, Unterschiede und das, was sie im Rheinisch-Bergischen Kreis umsetzen wollen, sofern sie das Rennen um den Chefsessel machen.
Am Sonntag haben die Menschen in Rhein-Berg die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Juristen, die gerne Landrat werden möchten. Worin unterscheiden Sie beide sich am meisten?
Winkels: Ja, ich glaube, so riesengroß sind die inhaltlichen Unterschiede auf der kommunalen Ebene in der Regel nicht.
Von Boetticher: Hier auf kommunaler Ebene geht es ja auch darum, Sachthemen vernünftig und pragmatisch voranzubringen.
Aber da gibt es doch sicher unterschiedliche Herangehensweisen. Gab es nicht mal im Wahlkampf ein Thema, bei dem Sie beide sich in die Haare bekommen haben?
Von Boetticher: Nein. Aber wir hatten ja auch nur eine einzige Podiumsdiskussion, wo wir uns überhaupt getroffen haben ... Ja, da war es auch nicht gerade sehr kontrovers.
Winkels: Vielleicht kann man das an einem Beispiel aufzeigen: Das Konsolidierungspaket, das wir gemeinsam im Kreistag beschlossen haben . . .
Also, das Sparpaket, um die Ausgaben des Kreises zu senken . . .
Winkels: Genau! Auch dabei haben wir festgestellt: Versprechen können wir beide gar nichts, weil einfach kein Spielraum dafür ist. Und da sind wir noch froh, wenn wir es schaffen, beispielsweise den Öffentlichen Personennahverkehr inhaltlich mit weniger Geld genauso gut aufstellen zu können wie er jetzt ist.
Dann bleiben wir doch mal beim Öffentlichen Personennahverkehr. Ihre SPD, Herr Winkels, war für das Auf-Abruf-Verkehrsmittel „Efi“ in Odenthal, Teilen von Kürten, Wermelskirchen und Leverkusen, dessen Einstellung CDU und Grüne dann aber beschlossen haben. Also ein Unterschied auch zwischen Ihnen beiden als Landratskandidaten?
Winkels: „Efi“ einzustellen, weil die Finanzierung durch den Bund auslief, war vorschnell, weil nicht mehr ausprobiert worden ist, ob es mit einem Zuschlag zum regulären VRS-Tarif funktioniert hätte.
Von Boetticher: „Efi“ ist ein wichtiger und hilfreicher Baustein, um die Anbindung des ländlichen Raums zu ermöglichen, muss aber bezahlbar sein. Bei der Neuaufstellung des Nahverkehrsplans sollten On-Demand-Verkehre wie „Efi“ aus meiner Sicht eine Rolle spielen.
Winkels (lächelt): Auch da also kein Gegensatz bei uns.

„Efi “einzustellen war laut Landratskandidat Winkels eine vorschnelle Entscheidung.
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Und wie steht es um die Energiewende im Kreis?
Von Boetticher: Ich glaube, das ist eher ein Bundesthema. Da, wo wir als Kreis Möglichkeiten haben, zum Beispiel bei der Wupsi mit E-Bussen oder Wasserstoffbussen, müssen wir auf erneuerbare Energien und auf neue Technologien setzen.
Winkels: Wir müssen aufpassen, dass wir die Leute nicht überfordern. Und vielleicht müssen wir auch noch mehr beraten, um diese Energiewende voranzutreiben.
Wenn sie drei Worte wählen müssten, die Ihren Führungsstil beschreiben, welche wären das?
Von Boetticher: Klar, wertschätzend, kooperativ.
Winkels: Kooperativ, wertschätzend, gradlinig.
Versuchen wir es mal mit Ihren Schwerpunktthemen. Welche drei Dinge wären Ihnen als Landrat besonders wichtig?
Von Boetticher: Ich habe ja die Schwerpunktthemen Sicherheit, Bildung und die Bürgerfreundlichkeit und Effizienz der Kreisverwaltung. Das soll natürlich nicht heißen, wenn der ÖPNV nicht bei den Schwerpunkten dabei ist, dass der dann hinten runterfällt. Gerade beim ÖPNV, der auch ein soziales Thema ist, finde ich es wichtig, dass wir ihn so gut wie möglich, aber auch so kostengünstig wie möglich anbieten. Und dafür ist eben eine gute Analyse wichtig: Welche Taktungen brauchen wir? Aber gleichwohl dürfen einfach keine leeren Busse durch die Gegend fahren, das ist zu teuer.
Winkels: Die Fachleute werden das Nahverkehrskonzept erarbeiten, wir werden uns das Ergebnis kritisch anschauen und müssen dann sehen, was wir machen können. Das ist dann unser Job am Ende.
Von Boetticher: Man kann ja auch gar nicht Experte für alle Themen sein. Ich finde, man muss einen Blick für die wesentlichen Punkte und die Folgen von Entscheidungen haben. Einschnitte müssen verträglich sein und natürlich gerechtfertigt. Wir müssen mit Augenmaß vorgehen.
Was sind denn Ihre Schwerpunktthemen, Herr Winkels?
Winkels: Ich möchte den Transformationsprozess in der Kreisverwaltung voranbringen, dabei Prozesse effektiver und bürgerfreundlicher gestalten; ich möchte mich für den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Bekämpfung des Fachkräftemangels einsetzen; und als drittes: die Schaffung und den Erhalt bezahlbaren Wohnens.
Wie sieht's mit der Sicherheit im Kreis aus?
Winkels: Da habe ich einen etwas anderen Ansatz. Denn wir sind schon ein sehr sicherer Kreis. Deswegen, geht es mir vor allem um die Wertschätzung gegenüber Polizei, aber auch gegenüber Rettungsdienst, Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen. Wenn hier in Bergisch Gladbach nach einem Fußballspiel ganz normale Familienväter, also keine Hooligans in Kluft, gegenüber den Ordnungskräften skandieren „Ja, mit dem Schlagstock seid ihr stark!“ und so einen Quatsch dann ärgert mich das. Und das wird mir auch von meinen Kollegen im Deutschen Roten Kreuz, wo ich ehrenamtlich tätig bin, ebenfalls gespiegelt.
Von Boetticher: Das Thema Wertschätzung fürs Ehrenamt für die ganze Blaulicht-Familie ist mir auch wichtig. Ich bin selbst ausgebildeter Rettungsassistent und habe einen fachlichen Bezug zu Feuerwehr und Rettungsdienst. Das Thema „Wir sind ein sicherer Kreis“ würde ich schon differenzierter sehen: Was die Kreispolizeibehörde angeht, sind wir hervorragend aufgestellt und stehen auch in der polizeilichen Kriminalstatistik landesweit sehr gut da. Aber zum Beispiel beim Katastrophenschutz und beim Zivilschutz, das sind Themen, wo in den nächsten Jahren sehr viel passieren muss.
Das heißt sowohl angesichts zunehmender Naturkatastrophen durch den Klimawandel als auch angesichts der neuen Bedrohung Europas durch Russland?
Von Boetticher: Ja, im Katastrophenschutz gibt es durchaus noch den Bedarf, Dinge hochzufahren und in den Strukturen zu verbessern. Und das sind im Wesentlichen die Kreise, die das umsetzen müssen für das Land. Man sollte den Menschen keine Angst machen, aber seit dem Ukrainekrieg ist das wieder ein Thema, mit dem wir uns vorher viele Jahre nicht beschäftigt haben.

Beim Katastrophenschutz sieht Landratskandidat von Boetticher noch Verbesserungsbedarf.
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Wie lässt sich das Thema, dass es so gut wie keine öffentlichen Schutzräume mehr gibt, kurzfristig lösen?
Von Boetticher: Wir haben keine wirklichen Anlagen dafür. Das stimmt, da ist Handlungsbedarf. Aber hier im Kreis gibt es durchaus bereits Initiativen, da Lösungen zu finden. Mir fällt da beispielsweise ein Verein ein, der eine Sportstätte mit dicken Betonwänden und -decken und einer Absauganlage hat. Solche Räumlichkeiten könnten im Notfall auch als Luftschutzraum genutzt werden.
Winkels: Aber wir als Kreis müssen da auch selbst etwas tun, sicher immer in Abstimmung mit dem Land. Ich bin selbst mit meiner Frau im Suchdienst des DRK tätig, das heißt: Wenn hier irgendwas passiert, dann nehmen wir Anrufe von Menschen entgegen, die ihre Angehörigen suchen. Auch das muss im Notfall alles funktionieren. Wir machen da wahnsinnig viel auf Ehrenamtsbasis, aber mehr Support auch von Seiten des Kreises wäre da wichtig.
Sollte eine neue Pandemie ausbrechen, wie würden Sie damit umgehen?
Winkels: Darauf müssen wir möglichst gut vorbereitet sein. Dabei ist unser Job, die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, wie etwa aus dem Krisenstab bei der vergangenen Pandemie, zu nutzen. Und zu sehen, wo ist noch Optimierungsbedarf.
Von Boetticher: Wichtig sind die Strukturen im Krisenmanagement. Nicht nur für den Fall einer Pandemie, sondern auch für andere Ereignisse, wie Hochwasser. Aber bestenfalls bleibt uns die nächste Pandemie erspart.
Apropos Hochwasser, wie steht es da um das Krisenmanagement?
Winkels: Es ist wichtig, Einrichtungen zu organisieren und sich nicht nur darauf zu verlassen, dass das Ehrenamt die Situation schon richten wird. Wir brauchen Hilfestellen.
Von Boetticher: Man wird sicher keine Hochwasserlage ohne das Ehrenamt bewältigen können. Deswegen muss es immer eine gute Verzahnung von professionellem Hauptamt und einer Vielzahl von ehrenamtlichen Kräften geben.
Was würden Sie, Herr Winkels, als Landrat besser machen als Ihr Konkurrent in der Stichwahl?
Winkels: Mein Vorteil ist offensichtlich. Ich habe mehr Lebenserfahrung als er, und natürlich bin ich auch seit über 20 Jahren hier in der Kreispolitik tätig.
Und was sehen Sie, Herr von Boetticher, als Ihren Vorteil gegenüber Herrn Winkels? Warum sollten die Menschen Sie am Sonntag wählen?
Von Boetticher: Ich finde einen Satz ganz treffend: Alter ist kein Verdienst, und Jugend ist keine Tugend. Es kommt ja im Grunde darauf an, die Persönlichkeit zu finden, die das beste Gesamtpaket für das Amt mitbringt. Klar, jemand, der ein paar Lebensjahre mehr hat, der hat immer mehr Lebenserfahrung. Aber ich bin mit 42 Jahren auch kein ganz junger Mann mehr. Ich habe über zwölf Jahre Berufserfahrung in unterschiedlichen juristischen Berufen und Verwaltungsfeldern. Und außerdem bin ich als Familienvater mit drei Kindern relativ nah an den Menschen und den Sorgen und Problemen von jungen Familien dran. Die Kreispolitik ist für mich neu, das stimmt. Ich kenne aber durch meine berufliche Tätigkeit in der Staatskanzlei, der Behörde des Ministerpräsidenten, die politische Arbeit auf der Landesebene.

Unterschiede sehen die beiden Landratskandidaten beim Alter und der Erfahrung.
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Winkels: Sicher, meine Kinder sind schon erwachsen, aber über sie und meine Enkel bin ich auch sehr nah dran an der jungen Generation . . .
Mit Blick auf die junge Generation gibt es ja ein bestehendes Problem, das in der vergangenen Legislaturperiode exponentiell gewachsen ist, nämlich die Schülerzahl der Förderschulen. Man braucht eigentlich mindestens eine Förderschule mehr, die aktuellen Standorte platzen aus allen Nähten. Dann kommt noch das Berufskolleg dazu. Wie wollen Sie das stemmen?
Von Boetticher: Wir haben ja bei den Förderschulen genauso ein Kapazitätsproblem wie bei den Berufskollegs. Deswegen wird das in den nächsten Jahren ein zentrales Thema sein. Wichtig ist bei den Förderschulen, möglichst verträgliche Wege zwischen Wohnort und Schule zu erhalten. Ein zentrales Projekt bei den Berufskollegs wird der Bildungscampus in Bergisch Gladbach sein.
Winkels: Als Landrat werden wir, also wer auch immer es von uns wird, auf das Projekt ein Auge haben, dass das nicht verzögert wird. Da muss Druck am Kessel sein und da darf man sich dann auch nicht hinter irgendwelchen Bedenken verstecken. Es muss dennoch sauber geprüft werden.
Von Boetticher: Und mir ist auch das Thema Bürgerfreundlichkeit wichtig. Projekte, die grundsätzlich gewollt sind und vorangehen sollen – da muss in der Fachverwaltung eine Kultur vorherrschen, dass man im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten versucht sie zu ermöglichen. Stichwort „Ermöglichungskultur“, das heißt wir wollen etwas voranbringen und nicht blockieren.
Haben Sie denn das Gefühl, dass der Campus berufliche Bildung auf Zanders im Moment auf einem guten Weg ist?
Winkels: Ja. Jetzt geht es eben darum, dass wir das fachlich hinkriegen.
Von Boetticher: Ich bin doch teilweise erstaunt, wie langwierig solche Projekte allgemein sind, und ich glaube, dass wir da einfach Tempo reinkriegen müssen. Was ich manchmal schwer nachvollziehbar finde und was, glaube ich, auch für die Menschen schwer nachvollziehbar ist: Wenn man dann an den Baustellen vorbeifährt, sieht man so selten, dass da mal gearbeitet wird.
Winkels: Wir werden darauf drängen, dass das schneller geht. Das Gelände ist komplex, aber trotzdem.
Was wäre denn Ihre erste Baustelle im Kreis, wenn Sie jetzt Anfang November starten dürften?
Winkels: Schnellmaßnahmen an Stellen, bei denen wir jetzt schon wissen, wo Handlungsbedarf ist. Also Straßenverkehrsamt, Ausländeramt, da würde ich eine Priorität setzen.
Von Boetticher: Wenn man frisch ins Amt kommt, fängt man nicht am dritten Tag an, Projekte umzusetzen. Man muss die engsten Mitarbeiter kennenlernen, und man muss vor allem am Anfang auch sehr viel zuhören. Ein Thema, was ich dann aber zeitnah angehen würde, sind die Wartezeiten bei der Zulassungsstelle.
Wollen Sie die interkommunale Zusammenarbeit stärker fördern?
Von Boetticher: Oft versucht man ja mit Nachbarkreisen oder innerhalb der Kommunen Dinge zusammen zu machen. Aber wenn man dann ins Konkrete reingeht, ist es oft so, dass die Einzelnen ihr Ding gerne behalten wollen. Aber da ist natürlich ein Riesenpotenzial von Synergieeffekten, die wir nutzen sollten. Gut funktioniert das zum Beispiel bei der Wupsi.
Winkels: Und auch bei der Entsorgung.
Von Boetticher: Stimmt.
Herr von Boetticher, wenn Sie am 28. nicht das Rennen machen, ist dann für Sie Kommunalpolitik im Kreis vorbei?
Von Boetticher: Das würde ich mir dann ab dem 29. überlegen. Ich habe einen guten Job in Düsseldorf, in den ich zurückkehren würde. Ich habe ein Stück weit alles daraufgesetzt, unsere Heimat als Landrat mitzugestalten.
Und für Sie, Herr Winkels?
Winkels: Für mich ist die Sache klar. Ich habe bewusst für den Kreistag kandidiert. Mein Herz hängt da dran und ich werde weiterhin meine Kraft dem Kreis zur Verfügung stellen.