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InterviewTorsten Rekewitz: „Ich will, dass Bergheim wächst“

5 min
Rekewitz trägt einen dunkelblauen Anzug und eine rote Krawatte. Er steht vor dem Rathaus der Stadt Bergheim, neben sich ein Insektenhoel in Form des Aachener Tors.

Torsten Rekewitz ist der Bürgermeisterkandidat der SPD in Bergheim

Torsten Rekewitz ist der SPD-Kandidat für die Bürgermeisterwahl. Zu seinen Kernthemen gehören Strukturwandel, Wohnraum und Zusammenhalt.

Die SPD hat Torsten Rekewitz, geboren 1980 in Köln, zu ihrem Bürgermeisterkandidaten für Bergheim ausgewählt. Rekewitz studierte Germanistik, Geschichte und Politische Wissenschaften. Er unterbrach sein Studium zunächst, um in einer Unternehmungsberatung zu arbeiten, dann um seinen erkrankten Vater zu pflegen. Später machte er sich als Texter selbstständig. Seit 2014 war Rekewitz im Pulheimer Stadtrat tätig, legte sein Amt aber kürzlich nieder, weil er seinen Erstwohnsitz nach Bergheim verlagerte. Außerdem ist er seit 2019 und noch bis zum Ende dieser Wahlperiode Abgeordneter im Kreistag.

Torsten Rekewitz, warum wollen Sie Bürgermeister in Bergheim werden?

Torsten Rekewitz: Das kam relativ spontan. Ich hätte gerne weiter im Stadtrat in Pulheim und im Kreistag weitergemacht. Das ist daran gescheitert, dass die Partei mich auf einen aussichtslosen Listenplatz gesetzt hat. Ich wollte mich aber weiter politisch engagieren. Dann habe ich mitbekommen, dass die SPD in Bergheim keinen Bürgermeisterkandidaten stellen wollte. Wir haben eine so zugespitzte politische Lage, eine stärker werdende AFD und eine CDU, die immer mehr Stimmen an sie verliert. Da muss eine Volkspartei wie die SPD, die in Bergheim Tradition hat, auch einen Bürgermeisterkandidaten stellen. Ich hatte für mich eigentlich immer ausgeschlossen, Bürgermeister zu werden. Als ich gefragt wurde, wagte ich es dennoch. Und seitdem ich Kandidat bin, entwickle ich von Tag zu Tag mehr Freude daran.

Das klingt ja ein bisschen so, als wäre die Kandidatur in Bergheim nur Plan B.

Ich würde nicht sagen, dass es eine zweite Wahl ist. Ich finde die Aufgabe einfach spannend. Als Abgeordneter in Pulheim und im Kreistag habe ich mich schon sehr intensiv mit Themen beschäftigt, die in Bergheim entscheidend sind. Zum Beispiel liegt hier beim Thema bezahlbarer Wohnraum viel im Argen. Ich habe früher für Guido van den Berg gearbeitet, den ehemaligen Landtagsabgeordneten, der den Strukturwandel maßgeblich nach vorne getrieben hat. Und Pulheim ist nun nicht irgendwo, sondern die direkte Nachbarstadt.

Bergheim: Torsten Rekewitz will den Planungsbereich aufstocken

Was ist aus Ihrer Sicht in Volker Mießelers Amtszeit gut gelaufen?

Das Thema Unterbringung von Geflüchteten. Da gucken andere Kommunen neidisch drauf. Bergheim hat 2015/2016 richtige Häuser gebaut, in denen Geflüchtete unterkommen und die später auch anders verwendet werden können. In Pulheim waren jetzt wieder über ein Jahr lang drei Turnhallen belegt, weil es keine Unterkünfte gibt. Gut gelaufen ist auch die Integrationsarbeit in den Stadtteilzentren. Das kann und will ich noch ausbauen, aber da sind sehr viele Sachen auf den Weg gebracht worden, die sich jetzt entwickeln können.

Wir wissen, Microsoft kommt und ein Digitalpark soll entstehen. Wo sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung, die das am Ende planen sollen?
Torsten Rekewitz, Bürgermeisterkandidat der SPD, zum Strukturwandel in Bergheim

Was ist in den letzten acht Jahren schlecht gelaufen?

Ganz klar das Thema bezahlbarer Wohnraum, überhaupt Wohnungen in ausreichendem Maße. Ich will, dass Bergheim wächst und dass mehr Menschen hier ein Zuhause finden. Ich kenne das aus Pulheim zur Genüge, dass in Neubaugebieten riesige Wohnungen mit ultramodernstem Standard entstehen, bei denen Sie am Ende bei 2000 Euro Miete landen. Primär brauchen wir aber Wohnungen, die sich eine Grundschullehrerin leisten kann, ein Busfahrer, eine Altenpflegerin. Die gesamte Region hat das versäumt, Bergheim aber ganz besonders, weil hier viele Wohnungen in diesem niedrigen Preissegment benötigt würden. Auch beim Thema Strukturwandel habe ich die Befürchtung, dass wir das nicht richtig gestemmt bekommen.

Inwiefern?

Wir wissen, Microsoft kommt und ein Digitalpark soll entstehen. Wo sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung, die das am Ende planen sollen? Die schieben riesige Überstundenkontingente vor sich her, dabei ist für den Digitalpark noch keine einzige Genehmigung beantragt worden, das kommt alles erst in den nächsten Jahren. Auch die Neubaugebiete kommen nicht voran, weil zu wenig Kapazitäten im Rathaus sind. Dieser Planungsbereich muss massiv aufgestockt werden. Um uns herum liegen Städte, die sich wesentlich mehr Mühe dabei geben, solche Planungen voranzutreiben. Am Ende überlegen sich die Firmen dann auch, wohin sie gehen, wenn sie ein paar Kilometer weiter eine bessere Alternative haben.

SPD-Bürgermeisterkandidat will mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt

Mehr Personal hieße auch mehr Ausgaben. Bergheim plant für den Haushalt 2025/26 bereits mit einem Defizit von 32 Millionen.

Das ist eine der Geschichten, die aus meiner Sicht dringend besser laufen müssen. Wir brauchen mehr Fördergelder. Wenn man sich die Innenstadtentwicklung anguckt, ist das ja zu einem hohen Anteil aus Fördermitteln finanziert. Es gibt in Bergheim aber kein systematisches Fördermittelmanagement. In Bedburg sitzt eine Mitarbeiterin, die sich den ganzen Tag um nichts anderes kümmert, als diese Förderprogramme zu scannen und zu gucken, wo etwas zu holen ist. Wir werden über das berühmte Sondervermögen zig Millionen Euro für Investitionen nach Bergheim holen können. Das müssen wir aber dann auch machen, sonst kriegen andere dieses Geld.

Ein entspanntes gesellschaftliches Klima fängt mit einer lebendigen Vereinslandschaft und anständigen Schulen und Kitas an.
Torsten Rekewitz über den Weg zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Was gehört noch zu ihren Kernthemen?

Der gesellschaftliche Zusammenhalt. Politiker aus allen Parteien werden täglich in den Sozialen Medien und auf der Straße beschimpft. Ein Busfahrer wurde in Bergheim am helllichten Tag zusammengeschlagen, in Ahe haben Leute an Silvester wiederholt Rettungskräfte angegriffen. Das ist eine Verrohung in unserer Gesellschaft, der wir begegnen müssen. Für mich ist es auch Aufgabe eines Bürgermeisters, für mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu werben. Das bedeutet für mich, dass wir unsere Vereine stärken. Jeder, der sich ehrenamtlich engagiert, verdient Wertschätzung. Die Stadtteilarbeit mit Sozialarbeiterinnen muss eine verlässliche Finanzierung haben, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Ein entspanntes gesellschaftliches Klima fängt mit einer lebendigen Vereinslandschaft und anständigen Schulen und Kitas an.

Was sind die drei Dinge, die Sie als Bürgermeister als erstes anpacken würden?

Als Bürgermeister würde ich einen Bildungsbeirat berufen, in dem Experten aus der Wissenschaft, Politik, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern sitzen, die sich gemeinsam ganz grundsätzlich Gedanken darüber machen, was für eine Bildungslandschaft wir in Bergheim haben wollen. Das zweite wäre, das Personal im Rathaus aufzustocken, damit wir in den Bereichen, in denen wir momentan Defizite haben, die benötigten Stellen ausweisen können, etwa im Planungsbereich. Drittens würde ich einen Grundsatzbeschluss anstoßen, dass in jedem Neubaugebiet, das wir hochziehen, ein fester prozentualer Anteil an öffentlich geförderten Wohnungen verpflichtend ist.

Wenn wir 5 Jahre in die Zukunft schauen, wo steht Bergheim dann idealerweise?

Wir haben auf jeden Fall Microsoft und einen Digitalpark, die tatsächlich da stehen. Wir haben mehrere Neubaugebiete, in denen Menschen eingezogen sind und wohnen. Und zwar ganz, ganz viele, die eben auch nicht so viel Geld auf dem Konto haben, die nicht so viel verdienen, aber sich trotzdem in so einem schicken Neubaugebiet eine Wohnung leisten können. Und wir haben Kitas und Schulen, die deutlich besser aufgestellt sind als jetzt, in denen alle Stellen besetzt sind von Erzieherinnen. Mit einer neuen Gesamtschule, die langsam aufwächst, also die muss bis dahin gegründet sein, in fünf Jahren.