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Architektur in BrühlIm Inneren des Glas-Schädels

Lesezeit 4 Minuten

Licht ist in dem Haus an der Georg-Sandmann-Straße das vorherrschende Element. Es erzielt die größtmögliche Wirkung.

Brühl – „Von der Straße sieht es aus, als blicke man ins Innere eines Schädels“, beschreibt der Bauherr sein Domizil. Klinker, Beton und Glas – viel Glas – sind die vorherrschenden Materialien, betrachtet man das Haus des Architekten Manfred Esser von der Georg-Sandmann-Straße aus.

Drei volle Geschosse und ein Penthouse ziehen sich an der schmalen Brühler Straße in die Höhe. Manfred Esser und sein Bruder Norbert sind in der Sackgasse groß geworden, die nicht weit vom Amtsgericht zu finden ist. Beide Architekten haben dort ihre Kindheit und Jugend verbracht, allerdings wohnten sie mit ihren Eltern damals am Ende der Straße. Ihr Vater Fritz, ebenfalls Architekt, wurde bereits vor Jahrzehnten mit der Erschließung der Straße beauftragt.

Mit den Eigentümern auf einer Wellenlänge

Inzwischen haben sich die beiden Söhne Manfred (55) und Norbert Esser (49) längst selbst einen Namen als Planer in Brühl und Umgebung gemacht. Häuser An der Pehle, an der Urfelder Straße, an der Kleiststraße oder Anbauten an der Melanchthon -Grundschule oder der Erich-Kästner-Realschule sind nur einige wenige Beispiele und beweisen ihre ganz eigene Handschrift.

Als 2002 schließlich das letzte Baugrundstück an der Georg-Sandmann-Straße zum Verkauf stand, bemühten sich die Brüder intensiv um dessen Erwerb. „Wie groß es genau ist, weiß ich jetzt gar nicht. So etwas weiß mein Bruder“, sagt Manfred Esser, der schließlich zu überzeugen war, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ seine Türen zu öffnen. Der früheren Grundstückseigentümerin sei es weniger ums Geld gegangen, als vielmehr um den Wunsch einer „außergewöhnlichen Architektur“ auf ihrem Grundstück. „Wir waren auf einer Wellenlänge, und so haben wir das Areal bekommen.“

Umrahmt von üppigem Grün

Anderthalb Jahre lang bauten die Brüder ihr Wunschhaus, jeder brachte seine Träume ein, manches musste aufeinander abgestimmt, manches aus kalkulatorischen Gründen korrigiert werden. 2004 zog Manfred Esser in den vorderen Teil des Hauses ein, sein Bruder Norbert und Familie in den hinteren – und dazwischen leben vier Mietparteien. Umrahmt ist das Gebäude von üppigem Grün. „Das Nachbargrundstück habe ich schon vor vielen Jahren vorsorglich gepachtet, damit Bäume und Sträucher nicht dem alljährlichen Schnitt des Stadtservicebetriebs zum Opfer fallen“, erfreut sich Esser an den hohen Bäumen und dem Biotop. In einer Straße könne gar nicht genug Bepflanzung sei, sie sei „optisches Heilmittel“, das innerhalb einer Straßenbepflanzung eine harmonisierende Verbindung schaffe. Im Erdgeschoss des Hauses haben die Brüder ihr gemeinsames Architekturbüro eingerichtet. Über eine anthrazit farbene steinerne Treppe gelangt man in die privaten Räume Manfred Essers. Die Menge der Möbel ist übersichtlich. Licht ist hier das vorherrschende Element mit der größtmöglichen Wirkung. Üppige Fensterfronten im Treppenhaus und an den beiden Seiten erlauben diese Flut an Sonnenstrahlen. Das Penthouse ist so konzipiert, dass der Lichteinfall auch von oben den gesamten Kern des Gebäudes durchdringt.

Bücher und Schallplatten in gemauerten Vorbauten

Bücher, Bildbände und Schallplatten stehen nicht in gewohnten Regalsystemen, sondern vielmehr in gemauerten Vorbauten, die in einer Linie sind. Zwei Sofas auf der einen Seite und zwei Sessel im Chippendale-Stil auf der anderen Seite laden zum Verweilen ein. Der Parkettboden bildet einen harmonischen Gegenpol zur weißen Wand und dem glatt gezogenen nackten Beton der Decke.

Ein moderne Küche, auf die man hier womöglich zu stoßen glaubt, fehlt. Vielmehr hat Esser auch hier eine Wand gezogen und den schmalen Raum der einstigen Küchenzeile seiner längst verstorbenen Großmutter angepasst. „Diese Küche war die Vorgabe, nach der ich die Aufteilung dieses ganzen Raums festgelegt habe“, so Esser. Ein Blick in sein Gesicht verrät, dass er das ernst meint. Die Trennwand wird von der Wohnzimmerseite aus wiederum als Schrank genutzt.

Eindrucksvolles Plateau

Über eine Betontreppe betritt man den eindrucksvollsten Teil des Hauses, ein Plateau – das Penthouse. „Mein Sonnendach“, nennt es Esser und bezieht dabei die metaphysische Bedeutung durchaus mit ein. Umrahmt ist es von einer Außenterrasse. Der Boden des Inneren besteht zu Teilen aus Epoxidharz, zu Teilen aus panzerdickem Glas, auf das eines Tages Kunstwerke ihren Platz finden sollen. „Man schaut auf den Körper, auf den Kopf – es tun sich Wunderräume auf“, ist Esser nach wie vor fasziniert. Um all diese Vorstellungen umsetzen zu können, bedurfte es genauer Ausschreibungen. „Man darf den roten Faden nicht verlieren“, sagt der Bauherr. Nahezu täglich sei man Angriffen auf seine Ideen ausgesetzt. Gemeint sind die Umstimmungsversuche der Handwerker. An mancher Stelle habe er sogar Vereinfachungen vorgenommen, aus Kostengründen. „Pragmatische und ideelle Ansprüche stehen in einem permanenten Kampf.“ Für ihn sei es der Versuch gewesen, die Banalität des Wohnens zu überwinden und die poetischen Dimensionen zu berühren. Dabei die Kosten nicht aus den Augen zu verlieren, habe einen wahren Spagat erfordert.

Für ihn sei ein Bauwerk gelungen, wenn man es aus Banalitäten und Zwängen lösen und mit einfachen Mitteln etwas Geniales schaffe könne.

Sein Haus scheint gelungen.