„Bis Mai durchhalten“Brühler Chefarzt hält Lockdown-Verlängerung für unausweichbar

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Im Brühler Marienhospital werden derzeit rund 20 an Covid-19 erkrankte Patienten versorgt.

Im Brühler Marienhospital werden derzeit rund 20 an Covid-19 erkrankte Patienten versorgt.

Brühl – Dr. Thomas Kaufmann, Chefarzt der Inneren Medizin II im Brühler Marienhospital, hält eine Verlängerung des Lockdowns für unausweichlich, damit das Gesundheitssystem den Auswirkungen der Corona-Pandemie standhält. Mit dem 63-jährigen Mediziner sprach Wolfram Kämpf. Herr Dr. Kaufmann, die dritte Welle der Corona-Pandemie hat Deutschland im Griff. Auch in Brühl und der Nachbarstadt Wesseling gab es in den vergangenen Wochen besonders viele Neuinfektionen. Wie angespannt ist die Lage im Brühler Marienhospital?

Kaufmann: Die dritte Welle ist ganz eindeutig auch bei uns angekommen. Inzwischen hat sich die sogenannte britische Mutation durchgesetzt. 95 Prozent unserer Covid-Patienten ist mit diesem Erreger infiziert. Aber wir sind insgesamt gut vorbereitet. Derzeit kümmern wir uns in der Regel um rund 20 Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind, davon werden meist vier oder fünf intensivmedizinisch betreut. Von Letzteren muss etwa jeder Zweite beatmet werden. Wir sind damit glücklicherweise noch nicht an der Kapazitätsgrenze angelangt.

Wann wäre dieser Punkt erreicht?

Wir könnten in etwa doppelt so viele Menschen intensivmedizinisch versorgen. Wir müssen allerdings auch immer ein Bett frei halten, um schnell reagieren zu können, wenn sich der Zustand eines Patienten auf der Normalstation verschlechtert. Das kann manchmal innerhalb von einer oder zwei Stunden gehen. Wenn die Zahl der Neuinfektionen sich auf hohem Niveau einpendelt oder sogar noch ansteigt, dürften wir ohnehin bald noch mehr Patienten sehen.

Chefarzt Thomas Kaufmann hält eine Verlängerung des Lockdowns für unausweichlich, damit das Gesundheitssystem standhält.

Chefarzt Thomas Kaufmann hält eine Verlängerung des Lockdowns für unausweichlich, damit das Gesundheitssystem standhält.

Was unterscheidet die jetzige Situation von den ersten beiden Wellen der Pandemie?

Die Patienten sind jünger, viele gehören zur Gruppe der 60- bis 75-Jährigen. Und die Dauer der Behandlung hat sich dadurch verlängert. Im vergangenen Jahr waren es großenteils über 80-Jährige. Einige hatten Verfügungen und Festlegungen, die besagten, dass sie angesichts von Vorerkrankungen und des hohen Alters auf intensivmedizinische Versorgung verzichten wollen. Heute sieht die Situation anders aus, jüngere Patienten und Angehörige entscheiden sich eher für lebensverlängernde Maßnahmen.

Ist das Personal im Marienhospital inzwischen durchgeimpft?

Ja, rund 80 Prozent der Mitarbeiter sind geimpft. Das verändert zwar nicht unsere Schutzvorkehrungen und Hygienemaßnahmen, aber wir sind davor gefeit, dass Infektionen von Mitarbeitern zu schweren Erkrankungen und größeren Ausfällen führen. Das war zu Jahresbeginn noch anders. Im Januar mussten wir schon ein wenig jonglieren, um den Krankenhausbetrieb uneingeschränkt aufrechtzuerhalten. Wir haben das aber letztendlich gut hinbekommen.

Müsste Ihres Erachtens der Lockdown verschärft werden?

Es ist jedenfalls nicht die Zeit für Lockerungen gekommen. Selbstverständlich kann ich die Nöte etwa der Gastronomen, Geschäftsleute und Eltern schulpflichtiger Kinder nachvollziehen, aber bis die Impfungen greifen, benötigen wir noch strikte Maßnahmen, um die Zahl der Neuinfektionen zu drücken. Öffnungen setzen meines Erachtens ein falsches Signal. Besser wäre es, die Leute aufzuklären und mitzunehmen. Was passieren kann, wenn das Infektionsgeschehen durch die Decke geht, konnte man in anderen Ländern sehen. Diese Zustände sollten wir in Deutschland tunlichst vermeiden.

Wann könnte die Zeit für Lockerungen denn anbrechen?

Das hängt von den Zahlen und dem Fortschritt der Impfkampagne ab. Ich denke, bis Anfang Mai müssen wir sicherlich noch durchhalten.

Profitieren Sie bei der Behandlung jetzt von den bisher gemachten Erfahrungen im Umgang mit Covid-19-Patienten?

Wir sind im Umgang mit der Erkrankung besser geworden und wissen genauer einzuschätzen, wann welche Form der Beatmung sinnvoll ist. Das eine wirksame Medikament gibt es aber immer noch nicht. Mich überrascht das jedoch nicht, da gute Medikamente gegen Viruserkrankungen grundsätzlich rar sind. Ich bin auf der anderen Seite positiv überrascht, dass es bereits Impfstoffe gibt. Dass es bei der Impfkampagne Diskussionen und Veränderungen gibt, müssen wir aushalten. Wir alle befinden uns in einer besonderen Situation, Forschung und medizinischer Erkenntniszuwachs in einem fortlaufenden Prozess.

Bislang läuft der gewohnte Krankenhausbetrieb in dem Hospital an der Mühlenstraße uneingeschränkt weiter.

Bislang läuft der gewohnte Krankenhausbetrieb in dem Hospital an der Mühlenstraße uneingeschränkt weiter.

Leidet der übrigen Krankenhausbetrieb unter der Pandemie?

Nein. Das ist mir wichtig zu betonen: Der Krankenhausbetrieb läuft ganz normal weiter. Lediglich die Besuche sind stärker reguliert. Was wir merken ist, dass die Zahl der saisonalen Erkrankungen wie Influenza, Bronchitis oder Durchfallerkrankungen rapide abgenommen hat. Das hat sicherlich mit der Reduzierung von Kontakten, Maskenpflicht und den Abstandsregelungen zu tun.

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Muss man Sorge haben, sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus zu infizieren?

Wir haben weitreichende Vorkehrungen getroffen. Wer stationär oder ambulant behandelt wird, absolviert einen Schnelltest und wenn es medizinisch geboten ist, erfolgt ein PCR-Test. Auch die Mitarbeiter werden regelmäßig getestet. Wir halten uns an strenge Hygienekonzepte und sorgen mit einer geringeren Belegung der Zimmer für zusätzlichen Abstand. Uns macht es Sorge, dass mancher Untersuchungen und einen möglichen Krankenhausaufenthalt hinauszögert, weil er Angst vor einer Corona-Infektion hat. Wir beobachten beispielsweise, dass Menschen mögliche Symptome von Magen- oder Darmtumoren unterdrücken. Das kann sich als hochgradig riskant erweisen, das sollte sich jeder klar machen.

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