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Mädchen von Lkw überrolltErschütternde Szenen im Gericht nach tödlichem Unfall in Erftstadt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Lkw steht auf der Straße, ein Rettungswagen daneben. Ein paar Menschen stehen davor.

Ein 11-jähriges Kind ist in Erftstadt-Friesheim am August 2021 von einem Lkw am Zebrastreifen überfahren worden. Jetzt stand der Lkw-Fahrer vor Gericht.

Im August 2021 wurde ein Mädchen in Erftstadt von einem Lkw überrollt. Sie starb noch an der Unfallstelle. Der Fall sorgte für große Erschütterung. Jetzt stand der Fahrer vor Gericht.

Mit blassen Gesichtern warten zwei Paare unterschiedlichen Alters und einige jüngere Frauen vor dem Saal 11 des Brühler Amtsgerichtes. Ein schwerer Termin steht ihnen bevor: Gleich wird hier über einen Unfall verhandelt, bei dem ihre Tochter, ihre Enkelin, ein elfjähriges Mädchen, von einem Lkw überfahren wurde und starb.

Mit ruhiger Stimme richtet Strafverteidiger Oliver Maier das Wort an die Gruppe. Mit respektvollem Abstand steht hinter ihm ein junges Paar. „Mein Mandant ist kein Mann großer Worte. Er hat im Vorfeld des Prozesses oft überlegt, Sie zu kontaktieren, aber er wollte Sie nicht noch mehr traumatisieren“, so der Anwalt. Was geschehen sei, tue dem Mandanten unendlich leid.

Weinend nimmt die Frau des Unglücksfahrers die verwaiste Mutter in den Arm

Wortlos, weinend nimmt die Frau des Unglücksfahrers die verwaiste Mutter in den Arm, auch andere Angehörige. Ihr Partner tut es ihr gleich, bevor er zusammenbricht und sich zurückzieht. Schluchzend kauert er auf einer Treppenstufe und birgt den Kopf in den Händen.

Jetzt sieht auch der Verteidiger, spezialisiert auf Straf- und Verkehrsrecht, angegriffen aus und murmelt etwas davon, in zwanzig Berufsjahre nichts Vergleichbares erlebt zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 33-jährigen Angeklagten fahrlässige Tötung vor.

Mein Mandant räumt den Vorwurf vollumfänglich ein.
Verteidiger des Lkw-Fahrers

Als Fahrer einer Sattelzugmaschine habe er am 26. August 2021 vor einem Zebrastreifen an der Weilerswister Straße in Erftstadt-Friesheim zunächst gehalten, sei dann aber angefahren und habe eine Elfjährige überrollt, die angesichts des stehenden Wagens gerade angesetzt hatte, die Straße zu überqueren. Aufbauten an den Seitenspiegeln, ein Vorhang am rechten Seitenfenster und eine Bordüre sollen die Sicht des Fahrers verengt haben.

Tödlicher Unfall in Erftstadt: Eltern des gestorbenen Mädchens stellen Fragen

Der Verteidiger, der später erklärt, er habe „den Katalog an Verteidigungsmöglichkeiten“ bewusst im Büro gelassen, sagt: „Mein Mandant räumt den Vorwurf vollumfänglich ein.“ Es sei seither kein Tag vergangen, an dem sein Mandant sich nicht den Kopf darüber zermartert habe, warum er das Kind nicht gesehen habe. Der Angeklagte selbst bestätigt, dass er einige Meter zuvor noch zwei Kinder gesehen habe, im entscheidenden Moment jedoch nicht mehr.

Die Eltern des Kindes sind Nebenkläger im Verfahren und als solche berechtigt, Fragen zu stellen. „Ich möchte wissen, ob er das Schild gesehen hat, dass da ein Zebrastreifen ist. Wenn man Kinder sieht, dann muss man da ja doppelt und dreifach aufpassen“, so der Vater. Der Angeklagte nickt: Ja, der Zebrastreifen war ihm bewusst.

So äußert sich die Polizei zu dem tödlichen Unfall in Erftstadt

Ein Ermittler fasst im Zeugenstand die Auswertungen der Polizei zusammen: Der Angeklagte habe zuvor telefoniert, das Gespräch aber noch vor dem Zusammenstoß beendet. Alkohol oder andere Substanzen wurden bei ihm nicht festgestellt.

„Massiv“ sei aber die Sichtbehinderung gewesen: Zum Beispiel verlaufe das Armaturenbrett eigentlich abschüssig, doch es sei ein waagerechter Aufsatz darauf gewesen, der etwa zwei Meter des Sichtfeldes nehme. Solche Einbauten seien durchaus üblich, Lkw-Fahrer platzierten darauf Fernseher und Kaffeemaschinen – zulässig sei das allerdings nur während der Standzeiten, während der Fahrt seien sie zu entfernen.

Angeklagter in Brühl zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt

Unklar ist, ob der Wagen aus dem Stand anfuhr, was mehrere Zeugen beschrieben, während ein Gutachter errechnet hat, dass er langsam gefahren sei. Letztlich, so der einstimmige Tenor von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, komme es darauf aber auch nicht an. „Es war ein Augenblicksversagen“, rekapituliert der Staatsanwalt, der ein Jahr Haft auf Bewährung beantragte.

Die Anwältin der Nebenkläger geht auch darauf ein, dass es infolge des Hochwassers und der damit einhergehenden Sperrung der A61 einen Verkehrskollaps in den Dörfern gegeben habe. Der Unfall habe das ganze Dorf erschüttert, sein Nachruf sei noch immer nicht verhallt.

Der Vorsitzende und die Schöffen folgen schließlich dem Antrag der Staatsanwaltschaft, dem sich auch die Nebenklagevertreterin angeschlossen hatte, und verurteilten den Mann wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Er hat die Kosten des Verfahrens und die der Nebenkläger zu tragen und, sofern die Eltern des Mädchens es wünschen, sich einem Täter-Opfer-Ausgleich zu stellen.

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