Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

BetreuungTagesmutter fürchtet um Existenz

Lesezeit 4 Minuten

Julia Runge betreut in ihrerer Wohnung mit angeschlossenen Garten mehrere Kinder.

Frechen – Julia Runge sorgt sich um ihre Existenz. Die qualifizierte Tagesmutter fürchtet, im kommenden Kindergartenjahr erheblich weniger Geld für Ihre Arbeit zu bekommen als bisher. Geld, das ihr fehlen wird, zum Beispiel für die Finanzierung einer großen, hellen Einliegerwohnung mit Zugang zum Garten in Frechen-Königsdorf, wo sie tagsüber fünf Kinder unter drei Jahren betreut. Sieben Euro brutto bekommt sie pro Kind und Stunde. Die muss sie komplett versteuern, und davon muss sie als selbstständige Unternehmerin unter anderem auch Betriebskosten bezahlen.

Förderbeitrag

Vier Euro bekommt Julia Runge pro Kind und Stunde von der Stadt. Dieser städtische Förderbeitrag wird finanziert aus dem Topf der nach Einkommen und wöchentlicher Betreuungszeit gestaffelten Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen (Kitas) und Kindertagespflege, sowie mit Geld vom Land. Die restlichen drei Euro pro Kind und Stunde stellt Julia Runge den Eltern direkt in Rechnung. Doch das soll sie zukünftig nicht mehr dürfen.

Die Stadt Frechen, die im Rahmen des städtischen Betreuungsangebotes vor allem bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren (U3) seit Jahren mit Tagespflegekräften wie Julia Runge zusammenarbeitet, plant, deren Einkünfte vertraglich zu begrenzen und zu vereinheitlichen. Bei einer Versammlung Ende April, an der rund 30 von aktuell 40 Frechener Tagespflegekräften teilnahmen, hatte die Stadt zwar eine Erhöhung des städtischen Förderbeitrags von vier auf fünf Euro pro Kind und Stunde angeboten. Wie Jürgen Uttecht, Beigeordneter der Stadt Frechen, bestätigt, sollten die Tagespflegekräfte gleichzeitig darauf verzichten, zusätzliche Beiträge direkt von den Eltern vermittelter Kinder zu verlangen. Als Teil des Betreuungsangebotes der Stadt dürfe sich die Tagespflege nicht dahin entwickeln, dass sich nur gut verdienende Eltern eine Tagesmutter leisten könnten, sagt Uttecht.

Tatsächlich ändern sich zum 1. August jedoch auch die rechtlichen Rahmenbedingungen: Dann nämlich haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz schon für ein einjähriges Kind. Und da das Gesetz den Betreuungsplatz in einer Kita mit dem bei einer Tagespflegekraft gleichstellt, müssen Eltern für einen Tagespflegeplatz auch nicht mehr bezahlen als für einen Kita-Platz: Laut zweier Rechtsgutachten, auf die sich der Städtetag-und Gemeindebund und auch die Frechener Stadtverwaltung berufen, könnten Eltern die kommunalen Jugendämtern, die für die Bereitstellung von ausreichend U-3-Plätzen verantwortlich sind, auf Übernahme der Mehrkosten verklagen, wenn die Kommune ihnen statt eines Kita-Platzes nur einen teureren Tagespflegeplatz anbieten kann. Für die Stadt Frechen, die den Bedarf an U-3-Plätzen laut Planung zu einem Drittel über die Tagespflege decken will und den Bedarf auch nicht ohne die Tagespflege decken könnte, ein finanzielles Risiko. Denn zurzeit zahlen Frechener Eltern deutlich mehr für einen Tagespflegeplatz als nur den von der Stadt erhobenen Betreuungsbeitrag, der für Kinder unter drei Jahren höher liegt als der für Kinder über drei Jahren.

Offiziell macht die Stadtverwaltung derzeit keine Angaben zum Stand der Entscheidungsfindung. Frühestens Ende Juni, wenn sich der Jugendhilfeausschuss mit dem Thema befassen wird, könnten Ergebnisse vorliegen. Uttecht stellt aber in Aussicht, dass man den Tagespflegekräften auch mit bezahltem Urlaub oder einer Art Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entgegen kommen könnte. Die ersten Lösungsvorschläge der Stadt jedenfalls kommen für viele Tagespflegekräfte nicht in Frage.

Einziges Einkommen

„Mit fünf Euro geht hier gar nichts mehr, da muss ich zum 1. August aufhören“, erklärt Tagesmutter Bianca Romhi, die wie Julia Runge sieben Euro pro Kind und Stunde einnimmt. Für die alleinerziehende Mutter ist die Tagespflege ihr einziges Einkommen. Und auch Norbert Kranen, der als Tagesvater in Frechen sieben Euro pro Kind und Stunde kalkuliert, betont seine Position als selbstständiger Unternehmer: „Ich trage schließlich auch das unternehmerische Risiko“ stellt er fest. Wenn nicht alle seine Plätze belegt seien oder ein Kind kurzfristig aus seiner Tagespflege abgemeldet werde, was durchaus vorkomme, sei das sein Problem. „Eigentlich ist Kindertagespflege für die Stadt doch das Preisgünstigste“, findet Kranen, „sind keine Kinder da, entstehen ihr auch keine Kosten.“