Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

EntspannungSchwerelos im Dunkeln schweben

Lesezeit 4 Minuten

Nach einigen Minuten treiben die Gedanken davon, man erreicht einen Zustand wie kurz vor dem Einschlafen.

Frechen – Schwerelos auf der Wasseroberfläche schweben – im Dunkeln, ohne Geräusche, solange bis man das Zeitgefühl verliert – dieser Zustand erscheint gerade in der von Trubel und Stress begleiteten Weihnachtszeit oder dem von Knallern und Kater flankierten Silvester begehrenswert. In einer 1903 erbauten Villa kurz vor dem Ortsausgang von Frechen-Königsdorf kann man diese Entspannungsmethode ausprobieren. Im Untergeschoss, ein freigelegtes Steingewölbe durchzogen von 130 Jahre alten Brunnenfundamenten, die bis zu 20 Meter tief in den Frechener Sand ragen, liegen die zwei Pools und ein Tank.

Vor dem Betreten des Pools erhält man noch eine kurze Sicherheitseinweisung: Die eine Tonne Magnesiumsalz, die in den 1600 Litern Wasser aufgelöst ist, sorgt für eine hochkonzentrierte Sole – zehnmal höher als in der Nordsee. Diese sorgt einerseits für den tragenden Komfort, dass man sich nicht mit Paddeln über Wasser halten muss, sondern von dem Auftrieb der Sole gehalten wird. Andererseits sorgt diese für unermessliches Brennen, sobald man sie sich in die Augen reibt, deswegen darf man Haarspitzen nicht aus dem Gesicht wischen, auch wenn sie noch so kitzeln.

Was passiert, wenn nichts passiert? Spätestens nach 20 Minuten in der 35 Grad warmen Sole, stellt sich das Gedanken-Karussell aus Einkaufslisten und Erinnerungsfetzen ab, und man schaltet in den Modus um, den man auch kurz vor dem Einschlafen hat. Und denkt an – nichts. Schläft aber auch nicht ein. Treibt. Und schwebt. Nach einer gefühlten halben Stunde ertönt der Gong, der das Ende der 55-minütigen-Behandlung markiert. „Diese gefühlte Zeitverkürzung zeigt, dass Tiefenentspannung eingesetzt hat und das parasympathische Nervensystem übernommen hat“, erklärt Hans Rosegger, Mitbegründer des Reset-Centers zusammen mit der Diplom-Psychologin Kathrin Schmitz, den wundersamen Zeitverlust. Nach einer Zeit des schwereloses Schwebens würden alle Stoffwechselsysteme und die Körpertemperatur runtergefahren und dadurch Gehirnpotenziale frei. „Wir fangen an, Dinge zu denken, zu denen man sonst nicht gekommen ist, Gedanken aus den dunklen Ecken wie Dämonen“, so Rosegger.

„Kann man nicht einfach den Reset-Knopf drücken und alles löschen?“, haben öfter mal Patienten der psychologischen Praxis von Kathrin Schmitz in Bergheim gefragt, die nun auch hier in Königsdorf praktiziert. Diese Löschfunktion gibt es zwar nicht, aber das im Oktober 2012 eröffnete Reset-Center sollte ihnen helfen. „Wir haben eine zehnfache Verschnellerung der Therapie-Wirkung festgestellt, seit wir Floaten und Therapiegespräche kombinieren“, so Rosegger.

Rosegger hat zuvor als Software-Ingenieur gearbeitet und betreibt seit 1985 Zen-Meditation. Die aus den 50er Jahren in den USA stammende Floating-Methode, die dort in den 60er Jahren populär wurde, hat er 2008 kennengelernt. „Ich habe relativ schnell gemerkt, dass der Zustand beim Floaten ist wie beim Meditieren nach ein paar Jahren Erfahrung“, so Rosegger. Der Grund, warum er regelmäßig einmal pro Woche floatet? „Floaten hilft die Psychohygiene aufrecht zu erhalten“.

Ein Drittel ihrer Zielgruppe käme über Wellnessgutscheine. „Der Rest sind Menschen, die an sich arbeiten wollen, meditieren oder Yoga machen.“ Es kämen unterschiedlichste Menschen – Verkäuferinnen, Busfahrer, Hebammen oder Oberärzte. Um so erstaunlicher das Einzugsgebiet: „Wir haben einen Einzugsradius von 350 Kilometern, die Menschen kommen aus Münster, Oeynhausen, Goslar und Göttingen zu uns.“ Der Grund: In Königsdorf sind die NRW weit einzigen Pools, daneben gibt es nur Solebecken und Floating Tanks. Und das Interesse am Floaten nehme zu. „Das Bewusstsein, dass wir etwas für unseren Geist tun müssen, wächst“, so Rosegger. Bereits jetzt nach einem Jahr nach der Eröffnung seien sie gut ausgebucht mit 110 Sessions pro Monat, an Wochenende sei es bereits schwer einen Termin zu bekommen. Monatlich hätten sie einen Zuwachs von zehn Prozent. Das wäre aber generell der Fall, auch laut dem Deutschen Floatingverband gebe es einen riesen Zulauf beim Floaten – gerade in dieser Jahreszeit. „Wenn es draußen anfängt, üselig zu werden, fängt es bei uns an“, so Rosegger.

Zwar kann man auch in der israelischen Wüste im Toten Meer im Wasser schweben, muss allerdings aufpassen, sich auf dem Weg über den heißen Sandboden nicht die Füße zu verbrennen. Abenteuerwütige können es in Finnland mit Riverfloating versuchen – sich mit Schutzanzug wie ein Korken durch Flussströmungen treiben lassen. Dagegen ist das Floaten in Königsdorf Entspannung pur.