„Lasse mir nicht mein Leben nehmen“Wie Claudia H. aus Frechen nach einem Überfall mit ihrer Angst umgeht

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Eine Person greift eine andere Person an einem dunklen Weg an.

Claudia H. aus Frechen wurde auf ihrem Nachhauseweg von einem Unbekannten angegriffen.

Claudia H. ist im April Opfer eines Überfalls geworden. Auf dem Nachhauseweg griff sie ein Unbekannter an. Jetzt erzählt die Frechenerin, wie sie heute mit ihrer Angst umgeht.

Fröhliche Stunden bei einer Freundin lagen hinter der Frechenerin Claudia H., als sie sich am späten Abend des 28. April von der oberen Hauptstraße aus in Richtung ihres Zuhauses an der Klarengrundstraße aufmachte. In guter Stimmung und in Gedanken beim nächsten Tag überlegte sie noch kurz, welchen Weg sie wählen sollte und entschied sich für den kürzesten. Im Dunkeln sei sie immer etwas ängstlich, so Claudia H., und sie wollte schnell nach Hause.

Zwischen Josefstraße und Kolpingplatz passierte dann etwas, das die 55-Jährige und ihre Familie noch heute beschäftigt und das sie nur mit viel Mut und Tatkraft langsam bewältigt: „Wie aus dem Nichts heraus wurde mir plötzlich von hinten der Mund zugehalten, ich wurde in den Schwitzkasten genommen und an die Brust gepackt“, erzählt sie mit leiser Stimme. „Ich habe gedacht, was ist jetzt los?“

Claudia H. kann sich an Minuten nach dem Angriff nicht richtig erinnern

Die nächsten Minuten fehlen in ihrer Erinnerung, sie weiß aber, dass sie sich umgedreht und gewehrt hat, den Täter in den Unterleib getreten hat. Dieser sei dann Richtung City gelaufen und habe noch etwas in einer Sprache gesagt, die sie nicht verstehen konnte.

Das Bild zeigt dieFrechenerin Claudia H., die auf dem Nachhauseweg überfallen wurde.

Die Frechenerin Claudia H. wurde auf dem Nachhauseweg überfallen und verarbeitet das Geschehen mit viel Mut und Tatkraft.

Da der Unbekannte komplett dunkel – mit einem schwarzen Pullover mit Kapuze – bekleidet gewesen sei, habe sie sein Gesicht nicht erkennen können. Woher sie die Kraft und den Mut zur Gegenwehr genommen hat, kann sich Claudia H. vage erklären. Sie habe sich gesagt: „Versuch, Dich zu wehren. Das passiert Dir nicht noch einmal!“

Frechen: Polizei stellt Kleidungsstücke von Claudia H. sicher

Hintergrund ist ein schreckliches Erlebnis des Missbrauchs in ihrer Kindheit, über den sie bislang fast gar nicht gesprochen habe, auch nicht mit ihrem Lebenspartner.

Ich habe aber direkt gemerkt, dass etwas los ist.
Jürgen J., Partner des Opfers

„Ich bin dann nach Hause gelaufen, ins Schlafzimmer, und ich wollte meinem Mann Jürgen erstmal nichts sagen“, so die Frechenerin. „Ich habe aber direkt gemerkt, dass etwas los ist“, berichtet dieser. Nach einiger Zeit hat sie ihm dann von dem Vorfall erzählt: „Es hat etwas gedauert, bis ich reden konnte.“ Sofort habe Jürgen J. einen Freund angerufen und sich mit ihm gemeinsam auf die Suche nach dem vermeintlich Jugendlichen gemacht – erfolglos.

Zeitgleich kam die alarmierte Polizei nach Hause: „Die Polizistin war sehr nett, ganz toll, sie hat erstmal die Schlafzimmertür zugemacht und mir die Hand gehalten“, lobt Claudia H., „sie hat sich ganz viel Mühe mit mir gegeben.“

Im Laufe des Abends wurden ihre Kleidungsstücke sichergestellt, auf der Wache in Hürth wurden Abdrücke von ihrem Mund und ihrer Nase genommen, um Spuren zu sichern. Zweimal hat sie eine Aussage gemacht, über den Stand der Ermittlungen ist sie noch nicht informiert. Ihr Kapuzenpulli und ihre Weste liegen immer noch bei der Kripo.

„Mama, hör auf, du musst mal raus“

Zwei Wochen lang sei sie nach dem Überfall abends nicht mehr rausgegangen, bis ihre Tochter gesagt habe: „Mama, hör auf, du musst mal raus.“ Da habe sie langsam wieder angefangen, aber auch heute noch ist Claudia H. nicht mehr alleine im Dunkeln unterwegs, fühlt sich nur bei Spaziergängen mit ihrem Hund sicher, schließt Türen ab, meidet größere Menschenansammlungen und zuckt zusammen, wenn jemand dicht hinter ihr steht.

„Aber ich habe mich der Sache gestellt, ich will damit andere ermutigen“, erzählt sie entschlossen, „die Angst ist schon noch da, aber ich lasse mich davon nicht mehr so beeinflussen – ich lasse mir nicht mein Leben nehmen!“


Tipps der Polizei bei Gewalttaten und Überfällen

Die Polizei Nordrhein-Westfalen gibt einige Tipps zum Umgang mit Aggression und Gewalt in der Öffentlichkeit: 

Vertrauen Sie Ihrem Gefühl

Gefühle sind häufig ein „Gefahrenradar“, lassen Sie sich in einem solchen Moment von Ihren Gefühlen leiten. Versuchen Sie nicht, die Angst zu verdrängen. 

Weichen Sie der Gefahr aus

Je früher Sie eine Gefahr erkennen, umso größer ist die Chance, sie abzuwenden. Gehen Sie Menschen, die gefährlich wirken, bewusst aus dem Weg.

Halten Sie Abstand

Wechseln Sie die Straßenseite. Begeben Sie sich möglichst in die Nähe anderer Menschen. Wählen Sie bei Dunkelheit bevorzugt gut beleuchtete und belebte Wege.

Tun Sie etwas Unerwartetes

Versuchen Sie, sich möglichst selbstbewusst zu geben und keine Angst zu zeigen. Verblüffen Sie Täter mit überraschenden Aktionen. Täuschen Sie zum Beispiel Telefonate mit dem Handy vor. Simulieren Sie Krankheiten oder Übelkeit oder fangen Sie laut an zu singen, um dadurch die Täter aus dem Konzept zu bringen. Wecken Sie Aufmerksamkeit Beziehen Sie andere Menschen mit ein. Schreien Sie und machen Sie auf Ihre Lage aufmerksam. Andere Menschen müssen mobilisiert werden. Sprechen Sie Personen direkt an, sagen Sie konkret, dass Sie Hilfe erwarten.

Entziehen Sie sich der Situation

Nutzen Sie so schnell wie möglich jede Chance zur Flucht. Flüchten Sie dahin, wo andere Menschen sind. Bei einem bewaffneten Raubüberfall ist die Polizei ganz eindeutig: „Das einzig Richtige ist, den Forderungen des Täters nachzugeben. Ihr Leben ist wichtiger als alle Wertsachen.“ Generell rät sie davon ab, sich selbst zu bewaffnen. Der Einsatz von Waffen wie Messer oder Pfefferspray könne den Täter zusätzlich provozieren und ihn noch aggressiver machen. Zudem sei auch denkbar, dass der Täter die Waffe entreißt und gegen das Opfer verwendet.

Ansprechpartner der Polizei

Ansprechpartner bei der Polizei im Rhein-Erft-Kreis für den „Opferschutz Kriminalität“ sind: Martita Dias Monteiro, 02233/524813, und Reinhold Hollemann, 02233/524812. Eine Übersicht über weitere Hilfsangebote für Opfer von Gewalttaten findet sich auf der Homepage der Kreispolizeibehörde. (aj) 

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