Frechener Mediziner fassungslos„Auf unserer Covid-Station liegen nur noch Ungeimpfte“

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Barbara Jansen behandelt einen Covid-Patienten. 

Barbara Jansen behandelt einen Covid-Patienten. 

Frechen – „Die ganze Nacht sitzt man am Bett und denkt: Lieber Gott, lebt er am nächsten Tag noch?“ Dr. Dorin Goia wirkt berührt und nachdenklich. Er ist Intensiv-Mediziner am St.-Katharinen-Hospital, dem unheilvollen Coronavirus und seinen Auswirkungen steht er noch immer fassungslos gegenüber.

„Es gibt so unterschiedliche schicksalhafte Verläufe bei den Infizierten auf unserer Covid-Station“, sagt er. „Das Virus drückt auf den Knopf, das Immunsystem spielt langsam verrückt und oft versagen dann die Organe. Manche stecken das besser weg, andere nicht.“

130 Infizierte mit schweren Verläufen kamen seit Beginn der Corona-Pandemie in das Frechener Krankenhaus. Intensiv-Medizinern und Pflegepersonal betreuen die Kranken und begleiten das künstliche Koma. Sie versuchen, die Patienten und ihre Angehörigen zu beruhigen und zu trösten. Sie sind konfrontiert mit tragischen Schicksalen im Kampf zwischen Leben und Tod.

Frechen: 19-Jährige lag wochenlang mit schweren Organschäden in Klinik

Deutschlandweit liegen derzeit rund 5000 Corona-Patienten auf Intensivstationen. Fast jeder vierte überlebt die Krankheit laut dem Divi-Intensivregister nicht. „So viele Menschen sterben zu sehen, das ist schon eine große emotionale Belastung, auch für mich als Intensiv-Krankenschwester“, sagt Barbara Jansen, leitende Krankenschwester auf der Covid-Station. Gemeinsam mit Oberarzt Dr. Thomas Wyderka, Dr. Dorin Goia und einem engagierten Pflegeteam stellt sie sich seit Anfang der Pandemie den Herausforderungen. Ein Teil der Intensivstation wurde für die Covid-Patienten abgetrennt.

Dr. D. Goia

Dr. Dorin Goia

Seitdem steigen die Belastungen für das Team mit jeder Welle und jeder neuen Corona-Variante. Das Virus zehrt an ihren Kräften und macht sie nachdenklich. „Ich denke an eine 19 Jahre alte Patientin, die so viele Wochen mit schweren Organschäden hier lag. Sie hat glücklicherweise das Schlimmste überstanden. Eine 32-Jährige mit den gleichen Symptomen hat nicht überlebt“, berichtet Goia bewegt.

„Seit Monaten liegen auf unserer Covid-Station ausschließlich Ungeimpfte“

„Es hilft uns, dass unser Team fest zusammenhält“, erklärt Thomas Wyderka. „Anfangs hatten sich viele Kollegen aus anderen Abteilungen freiwillig gemeldet, um sich mit den Beatmungsgeräten vertraut zu machen. Wir bekamen auch volle Unterstützung von der Geschäftsleitung. Es gab immer ausreichend Schutzbekleidung, Masken, Schutzbrillen.“ Daher habe sich auch niemand aus dem Team mit dem Virus angesteckt. Wyderka hält fest: „Seit Monaten liegen auf unserer Covid-Station ausschließlich Ungeimpfte.“ Das macht die Mediziner fassungslos. „Natürlich frage ich jeden Einzelnen, warum er sich nicht hat impfen lassen“, erklärt Goia.

Oberarzt Dr. Thomas Wyderka (l.) und Intensiv-Mediziner Dr. Dorin Goia stehen am Bett eines Corona-Patienten, der schwere Organschäden davon trug.

Oberarzt Dr. Thomas Wyderka (l.) und Intensiv-Mediziner Dr. Dorin Goia stehen am Bett eines Corona-Patienten, der schwere Organschäden davon trug.

„Da kommen so viele Falschinformationen zusammen, oft aus den sozialen Medien. Unglaublich. Von einem Chip, der mit der Impfung eingepflanzt wird, bis zur angeblichen Unfruchtbarkeit ist alles dabei.“

Sohn lässt sich erst impfen, als Mutter im Sterben liegt

Eine 60-jährige Patientin habe dies, kurz bevor sie ins künstliche Koma versetzt wurde, bitter bereut, erzählt er weiter. Der Arzt erinnert sich auch an eine Mutter und ihren erwachsenen Sohn, die beschlossen hatten, sich nicht impfen zu lassen. Beide erkrankten an Corona. Erst als die Mutter auf der Intensivstation im Sterben lag, hatte der Sohn ein Einsehen. Er ließ sich später impfen. Für seine Mutter kam diese Einsicht zu spät.

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„Es gibt aber auch immer wieder Momente, die uns Kraft geben und motivieren, weiterzumachen“, sagt Barbara Jansen. „Ich denke zum Beispiel an unsere erste Corona-Patientin, eine sehr nette ältere Dame. Sechs Wochen lag sie auf unserer Intensivstation, kam dann in eine Reha-Klinik. Sie war sehr dankbar und hält noch heute den Kontakt zu uns.“

Was sind die Hoffnungen der Mediziner für die Zukunft? „Mehr Vertrauen in Ärzte und Wissenschaftler“, sagt Wyderka. „Und damit auch mehr Impfungen.“ Sein Kollege Goia ergänzt: „Ich vergleiche die Impfung mit einem Führerschein. Man kann ohne Fahrpraxis und Führerschein auf der Autobahn fahren, aber dann ist die Gefahr, zu verunglücken, sehr hoch. Die Impfung schützt zwar nicht immer vor der Ansteckung, aber vor schweren Verläufen, sie rettet Leben.“

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