Tabu gebrochenKarnevalisten aus Alt-Hürth und Hermülheim machen in Zukunft gemeinsame Sache

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Vertreter der beiden Karnevalsgesellschaft halten ein gemeinsames Plakat in die Luft.

Das Brauchtum retten wollen die Ortsgemeinschaft Hermülheim und der Festausschuss Alt-Hürther Karneval.

Karnevalisten auf neuen Wegen: Weil das Brauchtum bröckelt, ziehen Jecke aus Alt-Hürth und Hermülheim künftig gemeinsam los, um Karneval zu feiern. Die Pläne im Überblick.

Der Karneval ist im Wandel – und das zwingt die Karnevalisten nicht nur im übertragenen Sinn auf neue Wege. So wollen die Jecken aus den großen Hürther Stadtteilen Alt-Hürth und Hermülheim künftig an einem Strang ziehen. Ein neuer Festausschuss soll ab 2024 einen gemeinsamen Karnevalsumzug organisieren. Bislang galt das als Tabubruch, doch die wirtschaftliche Lage und die schwindende Zugkraft des Brauchtums bringt einst rivalisierenden Karnevalisten aus den Nachbarorten dazu, sich zusammenzuraufen.

Hürther Karnevalsgesellschaften legen Umzüge zusammen

Bislang zogen die Jecken am Karnevalswochenende getrennt durch ihre Stadtteile – die Alt-Hürther am Samstag, die Hermülheimer am Sonntag. Dabei ist der Karnevalsumzug durch die Mitte deutlich kleiner als der in Alt-Hürth, und er konkurriert mit dem großen Zug, der gleichzeitig durch Efferen geht.

Überlegungen, die Umzüge zusammenzulegen, gab es schon vor mehr als einem Jahrzehnt. Der Plan sei auch an „persönlichen Befindlichkeiten und Eitelkeiten“ gescheitert, erinnert sich Hermülheims Ortsvorsteher Hans-Josef Lang. Dabei sei es etwa um die Frage gegangen, welche der Tollitäten den krönenden Abschluss des Zugs bilden, ergänzt Karl Zylajew vom Festausschuss Alt-Hürth.

Es kann nicht mehr jeder sein eigenes Süppchen kochen.
Karl Zylajew, Festausschuss Alt-Hürth

Diese Frage entzweit die Karnevalisten längst nicht mehr. In Hermülheim gibt es in der neuen Session zum ersten Mal seit 2005 überhaupt wieder eine Tollität. Und auch die Alt-Hürther tun sich schwer, für die kommenden Jahre Prinzen, Prinzessinnen oder Dreigestirne zu finden.

Doch das ist längst nicht das größte Problem. „Man sieht in vielen Stadtteilen das Sterben der Vereine“, sagt Ortsvorsteher Lang. Seinen Heimatort trifft das besonders. Vor einem Jahrzehnt habe es in Hermülheim noch acht Karnevalsvereine gegeben, inzwischen seien es gerade einmal zwei.

Gastronomie und Brauchtum in Hürth bröckeln

Dazu komme das Kneipensterben. „Die Gastronomie bröckelt mit dem Brauchtum“, stellt Lang fest. Das sei auch einer der Gründe für den Zuschauerschwund am Zugrand. „Man weiß ja nicht mehr, in welcher Kneipe man nach dem Zug weiterfeiern kann“, sagt Zylajew.

Auch die Züge werden immer kürzer. Wurfmaterial und Kostüme seien teuer, viele Gruppen hätten sich bereits zurückgezogen, weiß Lang. Und: „Es wird immer schwieriger, Kapellen für den Karnevalszug zu finden.“

Nicht nur für den Alt-Hürther Zylajew steht deshalb fest: „Es kann nicht mehr jeder sein eigenes Süppchen kochen.“ Nur gemeinsam könne man das Brauchtum retten. Anfang Oktober trafen sich Vertreter der beiden Ortsgemeinschaften und einigten sich grundsätzlich darauf, künftig zum Karneval zusammenzugehen.

Überlegungen gehen über gemeinsamen Karnevalszug hinaus

Obwohl der vereinte Karnevalszug ab 2024 am Samstag ab 13 Uhr durch zwei Stadtteile ziehen wird, soll der Zugweg nicht länger werden als jeder einzelne vorher – nämlich gut vier Kilometer. Der Start ist in Alt-Hürth geplant, das Ende am Bürgerhaus in Hermülheim. Dort wollen die Prinzengarde Rot-Weiß aus Alt-Hürth und die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft aus Hermülheim, die schon den Sternenmarkt auf dem Otto-Räcke-Platz gemeinsam organisieren, eine After-Zoch-Party steigen lassen.

Am Zugweg soll es vier Anlaufstellen mit Ausschank geben. Damit die Hermülheimer Gruppen, etwa der Kitas, nicht benachteiligt werden, ist ein Bustransfer zum Aufstellungsort geplant, berichtet Oliver Franz von der Ortsgemeinschaft.

Womöglich ist der gemeinsame Karnevalszug erst der Anfang. Es gibt schon Überlegungen, künftig ein gemeinsames Dreigestirn zu proklamieren.

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