Er hat Karrieretipps für jeden zugänglich kostenlos ins Internet gebracht: Jochen Mai ist Gründer und Autor des Blogs und Buchs Karrierebibel.
ErfolgsgeschichteWie Jochen Mai aus Kerpen mit Karrierebibel zum Millionär wurde
Jochen Mai lebt scheinbar unscheinbar: ein schmales Reihenhaus in einem Horremer Neubaugebiet, eine orange getünchte Fassade, ein akkurat gepflegter Hauseingang. Er selbst: ein Mann Mitte 50, legere Kleidung, Kurzhaarschnitt, ein markantes Brillengestell mit einem dicken, schwarzen Rahmen.
Hinter seiner Hausfassade versteckt sich ein derart gut laufendes Geschäftsmodell, dass er heute bekennt: „Man kann sagen, dass ich Millionär bin, ja.“
Karriere-Tipps sollen Nutzer nichts kosten
Sein Werk kennt vermutlich der ein oder andere, wenn oft wohl nicht bewusst. „Im Juni 2007 ging mein Blog Karrierebibel ans Netz. Heute ist das mit rund 50 Millionen Lesern pro Jahr einer der bekanntesten Blogs Deutschlands“, sagt er. Ob Gehaltsverhandlung, Bewerbungsgespräch oder Umgangsformen mit dem Vorgesetzten - Mai sammelt auf seinem Blog Berufs- und Karrieretipps, Anleitungen und auch Dokumente für alles rund um den Job, wie etwa Bewerbungsvorlagen.
Das alles ist kostenlos, der Blog finanziert sich Mai zufolge zu großen Teilen aus Werbeeinnahmen. „Ich wollte von Anfang an, dass dieses Angebot die Nutzer nichts kostet. Gerade, wenn jemand seinen Job verloren hat und sich neu bewerben möchte, hat diese Person zurzeit vielleicht kein Geld. Beruflicher Erfolg darf in meinen Augen aber nicht vom persönlichen Vermögen abhängen“, sagt der 56-Jährige.
Obgleich Blogs heute beinahe wieder als antiquiert gelten, ist Mai nach wie vor erfolgreich damit. Doch wie kam er überhaupt in Berührung mit dem Thema? „Ich war schon 1998/1999 mit dem Blog-Virus infiziert“, erinnert er sich und lacht. Zum ersten Mal in Kontakt damit sei er im Rahmen seiner Tätigkeit als Journalist gekommen. Denn bevor er sich selbstständig gemacht habe, sei er 13 Jahre lang Leiter des Karriereressorts bei der Wirtschaftswoche gewesen.
Ein Anruf eines Bekannten, der ihm „den neuen geilen Scheiß aus Amerika“ versprach, habe ihn nach London gelockt: „Der war damals in der Dotcom-Blase, hat ein Blog-Netzwerk wie heute Tumblr gemacht.“ In London habe er also das Bloggen gelernt, einen Artikel für die Wirtschaftswoche geschrieben, und selbst direkt einen Blog angelegt.
Mit der Karrierebibel hatte all das aber noch gar nichts zu tun. Denn vor dem Blog gab es erst mal ein gleichnamiges Buch. „Ich habe zu dem Zeitpunkt viel zum Thema Karriere gelesen und dachte mir, dass kann man auch irgendwo zusammenfassen“, erzählt Mai: „Ich habe damals, das müsste 2006 gewesen sein, also nach Abschluss des Manuskripts einen Verlag gesucht. Keiner wollte das Buch haben. Bis ich dann rausgefunden habe, dass die Vermittlung nur über eine Agentur geht.“
Titel für das Buch war Mai erst zu großspurig
Er habe sich also an eine Literaturagentin gewandt. „Die meinte dann sofort: ‚Kein Problem, das wird ein Bestseller.‘ Kurz darauf haben fünf Verlage um das Buch geboten“, berichtet er. Und der Titel? „Da habe ich mich tatsächlich auf die Leute vom Marketing verlassen. Die haben in einer Runde Karrierebibel vorgeschlagen. Ich fand das ein bisschen großspurig.“ Er lacht: „Das ist ja schon etwas, ich sag mal, auf die Zwölf.“
Die Einschätzung der Agentin habe sich auf jeden Fall bestätigt. „Das Buch wurde sofort ein Bestseller“, sagt Mai. Und dann habe der Blog-Virus wieder zugeschlagen: „Ich habe dann gesagt, ich mach das Blog zum Buch. Damals war das total innovativ, heute das Normalste der Welt.“ Der Verlag sei dagegen gewesen. „Die meinten, dass keiner mehr das Buch kauft, wenn alles online umsonst verfügbar ist. Ich habe gesagt: ‚Es ist genau anders herum. Die Leute lesen einen Blog-Beitrag und sagen sich: heißer Scheiß, finde ich super, ich kaufe das Buch.‘ Und so war es auch.“
Buch verkaufte sich um die 100.000 Mal
Direkt zu Beginn habe der Blog rund 2000 Leser am Tag gehabt. „Das war für die damaligen Verhältnisse schon viel“, erinnert sich Mai. Sein Buch sei mittlerweile in mehrere Sprachen übersetzt worden und habe sich mehr als 100.000 Male verkauft und später eine Neuauflage erhalten. Und es war auch nicht Mais letztes Buch: „Ich habe mittlerweile 15 Bücher geschrieben“, verrät er.
In der Anfangszeit seiner Autorenkarriere habe er dennoch weiter gearbeitet, all das sei ein gut bezahltes Hobby gewesen. In der Redaktion der Wirtschaftswoche habe er allerdings munter das Bloggen gepredigt: „Ich war da schon auch ein wenig der Spinner. Das wurde auch ein bisschen abgetan von wegen ‚Ach ja, was der da so erzählt‘. Aber die Seite wuchs und wuchs und wuchs und irgendwann war ich populärer als mein Chef.“
Die Konkurrenz zum eigenen Arbeitgeber sei irgendwann nicht mehr von der Hand zu weisen gewesen. „2011 bin ich dann auf die Unternehmensseite gewechselt und habe das Social-Media-Konzept für Yello-Strom gemacht“, erinnert sich Mai. Die schnelllebige Welt des Journalismus habe ihm dort aber doch gefehlt: „Und dann habe ich gesagt: Ich mache mich selbstständig.“
Heute beschäftigt Mai selbst mehrere Redakteure, ein festes Büro gibt es nicht. „Ich arbeite einfach von zuhause aus. Oder von Mallorca. Da habe ich eine Finca“, verrät er. Auch sonst sei er gut im Immobilienbereich abgesichert. Im Keller, der sonst als Mini-Kino und Weinlager dient, habe ihm seine Frau „erlaubt“, ein mobiles Aufnahmestudio einzurichten.
Er sammelt Kunst und andere schöne Dinge, Kleidung kaufe er am liebsten in Maastricht: „In den Niederlanden sind die Menschen irgendwie besser gekleidet als bei uns, oder?“
Neben der Karrierebibel betreibt er auch die Seite Karrierefrage.net, auf der Menschen Fragen rund um das Thema Job stellen können, sowie ein Stellenportal, bietet Karriere-Coachings an und war fester Bestandteil der VOX-Sendung Job Switch.
„Ob ich für den Rest meines Lebens die Karrierebibel hauptberuflich mache, weiß ich nicht. Ich bin innerlich sehr getrieben. Vielleicht habe ich in ein, zwei Jahren wieder Lust auf etwas Neues. Aber spruchreif ist das noch nicht“, sagt Mai. Immerhin gibt es fortwährend „neuen, heißen Scheiß“, den es zu erkunden gilt.
Zur Person
Mai ist eigenen Angaben nach „gebürtiger Nürnberger, aber sozialisierter Rheinländer“. Aufgewachsen sei er in Stommeln, sein Abitur habe er in Pulheim gemacht.
Seine Frau hat er schon auf dem Gymnasium kennengelernt, früh geheiratet, seit 35 Jahren liiert. Gemeinsam hätten sie in Köln studiert, direkt am Barbarossaplatz zehn Jahre lang gewohnt. Als der zweite Sohn unterwegs war, zog die Familie zurück aufs Land, ein kurzer Umweg über Stommeln habe dann nach Kerpen geführt.
Seine journalistische Karriere begann ihm zufolge unter anderem als Freier Mitarbeiter des Kölner Stadt-Anzeigers. „Ich hab mich damals aber durch alle lokalen Blättchen durchgearbeitet“, berichtet er. Auch fürs Fernsehen, für das damals noch existente deutsche Forbes-Magazin und als Fotograf habe er gearbeitet.