Prozessauftakt in KölnMutter soll in Kerpen ihr vier Monate altes Baby getötet haben

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Das Foto zeigt die Angeklagte im Gespräch mit ihrem Verteidiger.

Die angeklagte Frau soll ihr vier Monate altes Baby getötet haben.

Eine 31-Jährige soll im August 2022 ihr Baby mit einem Kissen erstickt haben. Danach hatte sie versucht, sich selbst das Leben zu nehmen.

Die Verzweiflung muss unermesslich gewesen sein: Aus Angst vor dem gewalttätigen Partner und Vater der gemeinsamen Tochter sah die 31-jährige Erzieherin Vera M. (Name geändert) im August 2022 nur noch einen einzigen Ausweg: Gemeinsam mit dem vier Monate alten Säugling wollte sie aus dem Leben scheiden.

Das Baby erstickte sie mit einem Kissen, danach versuchte sie sich im Wald am Boisdorfer See in Kerpen die Pulsadern aufzuschneiden. Weil das misslang, stach sie sich mehrfach erfolglos in die Halsschlagader. Danach versuchte sie, sich an einem Baum zu erhängen. Doch auch das misslang. Spaziergänger fanden die verletzte Mutter und riefen den Rettungswagen.

Die Frau soll strafrechtlich nicht voll verantwortlich für das Geschehen sein

Seit Freitag (25. Februar) wird der Erzieherin wegen Totschlags vor dem Kölner Landgericht der Prozess gemacht. Die Tat geschah „im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit“, heißt es in der Anklage.

Gutachter hatten die Angeklagte als außergewöhnlich introvertierte, zurückhaltende, ängstliche, sensible und empfindliche Person beschrieben und gelangten zu der Überzeugung, dass Vera M. wegen der festgestellten Charaktermerkmale an einer Persönlichkeitsstörung leide, sie deshalb strafrechtlich nicht voll verantwortlich für das Geschehen sei.

Sie verfolgte regungslos die Aussagen des Staatsanwalts

Ungeschminkt, blass, die langen Haare streng aus dem Gesicht gekämmt, betrat Vera M. zögerlich den Gerichtssaal und vertiefte sich sogleich mit ihrem Verteidiger in ein Gespräch. Als die Anklage verlesen wurde, ließ sie den Staatsanwalt nicht aus den Augen und verfolgte regungslos seine Aussagen.

Das Foto zeigt den Boisdorfer See in Kerpen. Dort wollte sich die Angeklagte das Leben nehmen.

Am Boisdorfer See in Kerpen wollte sich die Angeklagte das Leben nehmen.

Danach wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Verteidiger hatte erfolgreich seinen Antrag durchgesetzt, dass seine Mandantin ohne Zuschauer sowohl zu ihrem Lebenslauf als auch zur Tat aussagen kann. „Zu viele intime Details kommen zur Sprache, ihre schutzwürdigen Interessen würden sonst verletzt“, hieß es dazu in dem Antrag.

Laut Anklage hat die gelernte Erzieherin in den frühen Morgenstunden ihrer Tochter in ihrem Zimmer in einem Kerpener Frauenhaus ein Kissen auf das Gesicht gedrückt, sodass das Baby erstickte. Danach wickelte sie den toten Säugling in ein Tuch, legte ihn in einen Kinderwagen und fuhr damit in ein Waldstück unweit des Boisdorfer Sees. Das Baby legte sie auf den Waldboden und versuchte dann mehrfach, sich selbst das Leben zu nehmen.

Gutachter bescheinigten ihr eine „überdurchschnittliche Intelligenz“

Mit ihrer älteren Stiefschwester wuchs Vera M. In Dinslaken auf. Als Kind litt sie unter Sprachproblemen, musste auf eine Sprach- und Gehörlosenschule, wechselte später auf eine reguläre Gesamtschule, machte 2011 ihr Abitur. Gutachter bescheinigten ihr eine „überdurchschnittliche Intelligenz“.

Einem Wunsch der Mutter entsprechend studierte M. Geschichte und christliche Studien an der Universität Essen. Zu ihrer Mutter hatte M. schon immer ein ambivalentes Verhältnis. Sie litt unter der Dominanz der Mutter, bezeichnete sie als „cholerisch“, pflegte die an Lungenkrebs erkrankte Mutter bis zum Tod. Das Studium hatte sie inzwischen abgebrochen und eine Ausbildung zur Erzieherin angestrebt.

Ihren Ex-Freund, der nach bisherigen Ermittlungen der Reichsbürgerszene nahesteht und Vater der gemeinsamen Tochter ist, hatte sie im Sommer 2018 kennengelernt. Mit ihm habe sie „über alles reden können“, gab sie in der Vernehmung zu Protokoll, er sei „sehr charismatisch“ gewesen. Der sechs Jahre ältere Mann habe sich sehr für seine Band „Treibstoff“ engagiert. Zuletzt habe sie ihn als „fanatisch“ empfunden.

Der Prozess wird am Dienstag, 28. Februar, fortgesetzt.

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