12 Uhr mittags im Pulheimer EdelsteingartenWohngebiet war Kulisse für Seminarprüfung

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Ein bunter Umzug konterkariert den ansonsten ruhigen Mittag im Edelsteingarten.

  • In unserer Sommerserie machen wir Momentaufnahmen in der Region.
  • Wir besuchen in den Ferien belebte und einsame Orte – und beobachten, was dort geschieht.

Pulheim – Gekrönt mit dem Kopfschmuck der Freiheitsstatue kiekst Frank den Text zum Playback des Karnevalsliedes „Kölsche Jung“ ins Mikrofon. Zwei junge Frauen umjubeln den Kandidaten zur Wahl des Schmuckeremitenvorstandes und preisen seine Tugenden auf Plakaten an.

Sonst zeigt sich der Topasweg zur Mittagsstunde menschenleer, nur der Lack geparkter Autos funkelt im Sonnenlicht. Nathalie Love, wie sie sich selbst nennt, eine Frau, deren Gesichtszüge ihre afrikanischen Wurzeln zeigen, zockelt am Stock, mit Tamburin, buntem Regenschirm und Kleidern im Ethnomuster hinterher. 

Neuer Inhalt

Oliver Gather, Bildhauer und Dozent an der Düsseldorfer Hochschule, und der Berliner Regisseur Stefan Nolte begleiten die Studenten der Sozialen Arbeit bei der Seminarprüfung. Die angehenden Sozialarbeiter haben bei ihnen das Modul „Kultur, Ästhetik und Medien“ ausgewählt. 

Pulheimerin fragt nach dem tieferen Sinn der Aktion

Gather filmt mit dem Smartphone die Begegnung der Gruppe mit der Frau im Haus Granatweg, Nummer 3. Auf das Klingelzeichen hin, zeigt sie sich zunächst am geöffneten Fenster im Obergeschoss. Dann lässt sie sich auf ein Gespräch mit der kostümierten Gruppe ein. 

„Was ist der Sinn der Veranstaltung?“, will sie vor allem wissen. Die Wahl eines Schmuckeremiten steht ja nicht alle Tage an, auch nicht im Edelsteingarten, wie sich das Wohngebiet mit Eigenheimen nennt, die neben Wohlstand auch eine gewisse Auffassung bürgerlichen Glücks und Lebensstils ausstrahlen. Und sie spendet dem Quartett ein paar Früchte für den Obstsalat zum Mittagessen. 

Neuer Inhalt

In der Pause gab es eine Suppe für die Studierenden.

Nicht alle öffnen dem bunten Aufzug die Tür, vielleicht sind sie auch gar nicht zu Hause. „Nein danke“, lehnt eine männliche Stimme das Angebot zur Vorstellung der Eremiten ab. Ob denn wohl der Brief der Stadtverwaltung, der auf das Projekt aufmerksam machen sollte, bei allen Anwohnern angekommen sei, fragt Frank sich mittlerweile. 

Da zieht bereits ein weiteres Quartett durch die Straßen. Das Bild von zwei jungen Männern, die an Hecken und Zäunen des Viertels mit dem Zollstock Maß nehmen, während eine Dame im Bademantel ihren Gefährten wie einen Hund an der Leine entlang führt, könnte einer surrealistischen Filmszene des verstorbenen Regisseurs Luis Buñuel entsprungen sein. 

Neuer Inhalt

Ein menschlicher Hund wird Gassi geführt.

Auf die Frage nach dem „Sinn der Veranstaltung“ bemüht sich Oliver Gather um ein paar Antworten, während er auf dem Spielplatz das Mittagessen der Studenten umrührt, eine Bohnensuppe.

Kunstaktion aufgearbeitet

Als Pilotprojekt für seine Studenten habe er die eigentliche Kunstaktion „Der Schmuckeremit im Edelsteingarten“ mit Betrachtungen zum Stadtbild und der Aufforderung zu einer eigenen Performance aufgearbeitet.

Da stellten die Studenten „ernste und tiefe Fragen“ zur vor 20 Jahren entstandenen Eigenheimsiedlung. Als theoretisches Handwerkzeug diene ihnen Literatur wie „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ von Alexander Mitscherlich, des Urbanisten Kai Vöckler oder Schriften des französischen Soziologen Pierre Bourdieu.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die eigentliche, noch ausstehende Performance der Schmuckeremiten ist für Samstag, 27. August, geplant. Es ist das 17. Projekt in der Pulheimer Kunstreihe „Stadtbild. Intervention“, die sich seit 1997 künstlerischen Eingriffen in den öffentlichen Raum widmet.

KStA abonnieren