Jugendstrafvollzug im RaphaelshausDormagen kämpft um seinen Ruf

Blick auf das Raphaelshaus in Dormagen: Das Justizministerium hat dem Modellprojekt für Jugendliche sein Vertrauen entzogen.
Copyright: dpa Lizenz
Dormagen – In der Affäre um Saufgelage und Bordellbesuch mit jugendlichen Straftätern hat Dormagens Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann jetzt den nordrhein-westfälischen Justizminister Thomas Kutschaty eine gezielte Medienkampagne vorgeworfen. In einem Brief, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, zeigt sich der Bürgermeister empört über die Art und Weise, wie der Minister das Modellprojekt für einen Jugendstrafvollzug in freien Formen, wie er im Dormagener Raphaelshaus durchgeführt wurde, beendet habe. Mit gezielten Indiskretionen sei eine Kampagne losgetreten worden, um die fristlose Kündigung eines Sozialpädagogen des Raphaelshauses zu untermauern. Fakten aber seien nicht ermittelt worden, schreibt Hoffmann. Aus Sicht der Aufsichtsbehörden könne dem Raphaelshaus kein Vorwurf gemacht werden.
Ministerium schließt weitere Zusammenarbeit aus
Im Februar war bekanntgeworden, dass ein Betreuer mit einigen jugendlichen Straftätern nicht nur eine Sauftour gemacht, sondern auch ein Bordell besucht hatte. Danach hatte das Ministerium dem Rapahaelshaus als Ganzes das Vertrauen entzogen und eine weitere Projektzusammenarbeit ausgeschlossen.
Im Gespräch ist Hoffmann aufgewühlt, auch zwei Monate nachdem das Projekt gestoppt wurde: „Man muss sich doch mal in die Situation dieser Jugendlichen hineinversetzen. Denen ist erst die Hand gereicht worden, und dann sind sie einfach fallengelassen worden.“ Damit sei genau das Falsche geschehen. Für Hoffmann ist das besonders bitter, weil Dormagen sich um verschiedene Programme der Jugendarbeit bemüht hat. Außerdem ist die Stadt Teil des Landesprojekts „Kein Kind zurücklassen“. Das genaue Gegenteil sei hier passiert. „Man hat den Jugendlichen vermittelt, dass sie nichts wert sind.“ Für ihn stelle sich jetzt die Frage, wie man das Projekt mit den straffälligen Jugendlichen noch vertreten könne.
Wo Hoffmann klare Worte findet, ist der Leiter des Raphaelshauses, Hans Scholten, vorsichtiger: „Wir wollen keine Brücken verbrennen, aber für unser Personal war es wohltuend, dass der Bürgermeister sich so einsetzt.“ In den letzten Tagen sei der Gesprächsfaden wieder aufgenommen worden, damit wenigstens die Erfahrungen des Raphaelshauses in die Bewertung des bisherigen Versuchs einfließen könnten. Doch auch Scholten lässt durchblicken, dass das Vertrauensverhältnis zum Ministerium nachhaltig gestört ist. Der Leiter des Raphaelshauses schlägt vor, das Landesjugendamt in die Gespräche mit einzubeziehen. Der Modellversuch solle nach intensivpädagogischen Richtlinien durchgeführt werden und müsse auch vor diesem Hintergrund bewertet werden. Offenbar ist dazu weiterer Sachverstand notwendig. Eines jedoch steht für Scholten jetzt schon fest: Auch wenn er sich wünscht, dass das Projekt fortgeführt wird, so soll dies nicht in Dormagen geschehen. „Wir machen's nimmer.“ In die Räume, in denen die Straftäter untergebracht waren, wird eine neue Jugendgruppe einziehen.
Entwicklung der Jugendlichen verlief positiv
Das große Problem sei die enge politische und mediale Beobachtung des Projekts gewesen, sagt Scholten. Die Entwicklung der Jugendlichen dagegen sei positiv verlaufen. „Die Pädagogik hatten wir gut im Griff.“ Gleichwohl geriet das Projekt im Laufe der eineinhalb Jahre, in denen es lief, immer wieder in die Schlagzeilen. Bereits in den ersten vier Wochen, am 19. August und am 1. September 2012, waren drei von sechs Teilnehmern geflüchtet. Schon damals war der Modellversuch vorübergehend vom Justizministerium gestoppt worden. Außerdem soll es unter den Jugendlichen zu Erpressungen gekommen sein.
Detlef Feige, der Sprecher des Justizministeriums, betonte, eine Fortsetzung des Projekts werde an anderem Ort geprüft. Der Dormagener Bürgermeister hat daran Zweifel. „Wenn Raphaelshaus und Ministerium jetzt eine Lösung suchen, bezweckt das Ministerium meiner Meinung nach eher, das Gesicht zu wahren“, findet Hoffmann. Minister Kutschaty müsse sich zumindest öffentlich entschuldigen. Er solle sich klar dazu bekennen, das Projekt anderswo fortzuführen.
