Wer bei einer Wahl nicht genug Stimmen erhalten hat, muss in den Gremien nicht zwangsläufig am Rand stehen. Es entstehen teils überraschende Bündnisse.
Parteien suchen PartnerZusammen ist man auch in Rhein-Erft weniger allein


Nach Wahlen werden mitunter Bündnisse zwischen politischen Gruppierungen geschmiedet, die sich vorher so nicht abgezeichnet haben.
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Zuerst haben die Parteien im Laufe der vergangenen Monate entschieden, welche Kandidatinnen und Kandidaten bei der Kommunalwahl antreten dürfen – schon da gab es für den einen oder anderen eine herbe Enttäuschung, weil es für einen der begehrten vorderen Plätze auf der Liste nicht gereicht hat. Manch anderer wurde gar ausgebootet. Danach hatten die Wählerinnen und Wähler das Wort, sie entschieden, welche Politikerinnen und Politiker in den kommenden fünf Jahren in den zehn Stadträten und im Kreistag in Bergheim Entscheidungen für sie treffen werden.
Die vergangenen Wochen wiederum dienten dem Zweck zu sondieren, wer mit wem kann, um Mehrheiten zu bilden oder aber um eine höhere Durchschlagskraft zu erzielen. Letzteres wird zumeist von Wahlverlierern oder kleineren politischen Gruppierungen (im Fall der FDP trifft beides zu) angestrengt. Da finden sich mitunter zwei, die vor der Wahl noch gar nicht gewusst haben, dass sie sich danach suchen und gemeinsame politische Ziele haben würden.
Eine Gruppe ist das Mindeste, besser noch geht's aber als Fraktion
Da einer allein kaum etwas bewirken kann im kommunalpolitischen Geschäft, sucht er sich einen Partner – dann bilden die beiden schon mal eine Gruppe. Raffen sich vier zusammen, dürfen sie sich Fraktion nennen. Der Vorteil: ein eigenes Büro im Rathaus, Personal zur Unterstützung, Sitze in allen Ausschüssen nebst Stimmrecht.
So geschehen etwa in Erftstadt, wo Aufbruch'22 und die Freie Wählergemeinschaft sich zur Gruppe „FWG/Aufbruch“ formiert haben – so sitzen Bernd Bohlen und Raymond Pieper zumindest nicht allein im Rat. Das größere Rad drehen dagegen das Bürgerbündnis Kerpen (BBK) und die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG). Sie sind bei der Kommunalwahl vergleichsweise so gut weggekommen, dass es sogar für eine Fraktion reicht. BBK-Frontmann David Held sagte in dieser Woche, er habe auch mit den Piraten und der FDP gesprochen – aber mit der UWG sei es stimmig.

David Held (2.v.r.) schmiedet verschiedene Bündnisse für das BBK und die Freien Wähler. Hier ist er mit den Kerpener Ratsmitgliedern Lonie Lambertz (CDU), Rebecca Neumann (UWG) und Sascha Hümmer (AfD) zu sehen.
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Derselbe David Held hat zeitgleich in Bergheim mit am Verhandlungstisch gesessen – als Mitglied der Freien Wähler. Die hatten bei der Kreistagswahl deutliche Stimmenverluste erlitten. Genauso wie die FDP. Da es weder für die FW noch für die Liberalen allein zu einer Fraktion reicht, haben sie viel Mühe darauf verwendet, um herauszufinden, was sie verbindet. Das Ergebnis: eine gemeinsame Fraktion im künftigen Kreistag. Auf der Ebene war es dann – anders als in Kerpen – offenbar doch stimmig.
Diese Begebenheiten – sei es in Erftstadt oder in Kerpen – erfordern ein Höchstmaß an Flexibilität und Dehnbarkeit politischer Positionen. Da mag es hilfreich sein, wenn man sich einen Namen gibt, der von vornherein alles offen lässt, nichts festlegt und es ermöglicht, einmal getroffene Entscheidungen ohne großes Aufheben rückgängig zu machen: Als „Freie Wähler“ ist man niemandem zu irgendetwas verpflichtet als dem eigenen Wohl: Ob Piraten, FDP oder UWG – all das scheint keinen großen Unterschied zu machen. Die einen halt bürgerlicher, die anderen eben eher links angehaucht. Die Freien Wähler im Kreis und das BBK in Kerpen sind irgendwas von allem ... oder auch nichts.
So ist Politik! Ist so Politik?
Bei der Kreistagswahl verloren die Freien Wähler jedenfalls 1,2 Prozentpunkte und sackten auf 2,2 Prozent ab. Durch ihren Pakt mit der FDP, der sie gemeinsam in den Fraktionsstatus hievt, soll sie sich jedenfalls einen stellvertretenden Landratsposten verschaffen. Bei einem Zuspruch von knapp 5000 Stimmen hat sich da einer offenkundig gut verkauft. So ist Politik! Ist so Politik?
