„Die Situation ist scheiße“Senioren aus dem Rhein-Erft-Kreis leiden unter Einsamkeit

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Therese van Waardenburg (l.) und Barbara Beyer haben sich an die veränderten Gegebenheiten gewöhnt und halten sich an die Corona-Regeln. Trotz ihres Alters bleiben sie gelassen.

Therese van Waardenburg (l.) und Barbara Beyer haben sich an die veränderten Gegebenheiten gewöhnt und halten sich an die Corona-Regeln. Trotz ihres Alters bleiben sie gelassen.

Wesseling – Gerade, weil sie so alt sei, habe sie keine Angst vor dem Coronavirus, versichert Therese van Waardenburg. „Man kann ja nur vorsichtig sein, aber übervorsichtig oder panisch bin ich nicht“, sagt die 89-Jährige. Ihre Nachbarn in Keldenich sähen das allerdings anders. „Die meisten Leute in meinem Umfeld sind sehr ängstlich und ziehen sich immer mehr zurück“, bedauert von Waardenburg, die seit dem Tod ihres Mannes allein lebt.

Zweimal die Woche geht sie in Wesseling zur Tagespflege Am Rheinpark, wo sie auf andere Senioren trifft. Die fehlenden Kontakte, ob zur Familie nach Holland oder zu den Nachbarn, seien für sie das Schlimmste an der Pandemie, sagt die Keldenicherin: „Am meisten vermisse ich meine Freunde.“

Rhein-Erft-Kreis: Familienangehörige sind sehr vorsichtig

Ähnlich geht es der 82-jährigen Barbara Beyer aus Wesseling. „Ich gehe gern zu Seniorentreffen, zum Beispiel zum Tanztee. Aber das ist ja alles abgesagt“, bedauert sie. Auch sie ist Witwe und wohnt allein. Zum Glück sei sie noch mobil und treffe bei Spaziergängen oder Besorgungen schon mal Bekannte. „Wo man vorher vielleicht nur gewinkt hat, bleibt man jetzt auch mal stehen“, schildert sie. Manchmal gehe sie nur deshalb auf den Wochenmarkt, um sich unterhalten zu können.

Auch für sie habe sich der Kontakt zur Familie reduziert. „Mein Sohn ist sehr vorsichtig, er will nicht derjenige sein, der das Virus an mich weitergibt“, sagt sie. Doch sie bleibe optimistisch. „Ich habe schon so viele Geschichten erlebt. Klar, draußen muss ich mich den neuen Gegebenheiten anpassen, aber deswegen ziehe ich mich nicht zurück“, sagt Beyer. Einkaufen gehe sie zur Mittagszeit, wenn am wenigsten im Supermarkt los sei. Und sie telefoniere oft mit Bekannten.

„Die Situation ist scheiße, anders kann man es nicht sagen“

„Die Situation ist scheiße, anders kann man es nicht sagen“, resümiert Beyer. „Wir müssen das Beste draus machen. Wenn ich an Weihnachten keinen treffen kann, dann ist das eben ein normaler Sonntag. Da sitze ich ja sonst auch alleine zu Hause.“ Weihnachten ohne die Familie zu verbringen, darauf hat sich auch van Waardenburg schon eingestellt.

Birgit Rudolf berät Senioren.

Birgit Rudolf berät Senioren.

Beide Frauen stehen in Kontakt zur städtischen Senioren- und Pflegeberatung in Wesseling, die Birgit Rudolf leitet. Ihr Büro mit der Adresse An St. Germanus 11 ist Anlaufstelle für alle Bürgerinnen und Bürger ab 60 Jahren. „Seit der Corona-Pandemie habe ich zwei Gartenstühle von zu Hause draußen vor das Büro gestellt, damit sich die Leute auch mit Abstand und an der frischen Luft noch hier unterhalten können“, erzählt die 61-Jährige.

Wesseling: Senioren suchen einen Grund für Besuche

Während der Corona-Zeit habe auch sie beobachtet, dass die drohende Einsamkeit eines der größten Probleme der Älteren sei. „Eine Dame, die ich betreue, hat sich extra ein neues Hörgerät gekauft, um besser telefonieren zu können“, erzählt Kollegin Andrea Krahé von der Diakonie Miachelshoven.

Pflege-Expertin Andrea Krahé.

Pflege-Expertin Andrea Krahé.

„Zu Beginn des Jahres haben sich vor allem Senioren bei mir gemeldet, die in akuter Not waren und Pflegebedarf hatten. Jetzt merke ich, dass die Senioren einen Grund für Besuche suchen, damit noch mal jemand zu ihnen nach Hause kommt“, sagt Krahé.

Besonders schwierig sei die Situation für Ältere, die nicht mehr mobil seien, sagt Rudolf. Für die, die nicht einfach mal rausgehen könnten, um Leute zu treffen. „Wenn es dann wegen der Corona-Beschränkungen niemanden mehr gibt, der diese Leute zum Arzt oder zum Einkaufen fahren darf, wird es sehr schwierig“, sagt die 61-Jährige und denkt dabei auch an die, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen. „Denen fehlt es an Entlastung, um mal in Ruhe einzukaufen, Tennis zu spielen oder zu schlafen, wenn ihre Angehörigen nicht mehr zur Tagespflege dürfen“, sagt Rudolf. Alle sind sich an diesem Tag einig: Die Pandemie soll endlich enden.

Infobox: Diese Hilfsangebote gibt es für Senioren

Die Fachstelle für Senioren in Wesseling bietet kostenlose Hilfen für Seniorinnen und Senioren ab 60 Jahren und für ihre Angehörigen an. Zum einen informiert Leiterin Birgit Rudolf zum Beispiel über Freizeitangebote ihrer Altersklasse in Wesseling. Sie vermittelt aber auch Seniorenbegleiter, die einmal in der Woche kostenfrei zu Besuch kommen. Die Ehrenamtler der „Helfenden Hände“, die Rudolf koordiniert, bieten kostenfrei kleinere Reparaturarbeiten für Senioren an.

Andrea Krahé von der Diakonie Michaelshoven berät alle Wesselingerinnen und Wesselinger ab 75 Jahren kostenfrei darüber, wo sie Unterstützung bekommen können, um so lange wie möglich zu Hause leben zu können. „Wichtig ist, dass sich die Leute nicht erst melden, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, betont die 41-Jährige. Mehr Informationen zu den Angeboten gibt es online und unter 02236/701425. (smh)

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