Nirgends sonst war im Rhein-Erft-Kreis die Wahlbeteiligung so schlecht wie in Wesseling. Die AfD schneidet gut ab.
Kommunalwahl 2025Wesseling ist bei Wahlbeteiligung das Schlusslicht im Rhein-Erft-Kreis

Der Kastanienweg in Wesseling – hier lag die Wahlbeteiligung bei 33,57 Prozent.
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„Ach ja, Kommunalwahlen – ich hatte Arbeitsstress, ich war gar nicht wählen“, entfuhr es Tanja Akyol (35) am späten Sonntagnachmittag, als sie sich mit Gleichgesinnten in der Wesselinger Innenstadt unterhielt. Dort erzählte Gerd Finkenrath: „Ich war wählen, habe aber diesmal kein Kreuz gemacht.“ Der letzte richtig gute Bürgermeister sei für ihn Alfons Müller gewesen.
Auch Michaela Müller (47) gestand, dass sie nicht zur Wahl gegangen sei. „Ich kann das ganze Gerede und die Versprechen der Politiker einfach nicht mehr glauben“, begründete sie ihre Entscheidung, ihr Wahlrecht verfallen zu lassen. „Ich hätte die AfD gewählt, aber ich war arbeiten und bin deswegen erst gar nicht zur Wahl gegangen“, merkte Anna Kohlhaas (25) an.
Verärgerung über den Umgang mit dem Bundestagswahlergebnis
Außerdem ärgere sie sich auch darüber, wie die Politiker mit dem Wahlergebnis der Bürger umgehen. „Bei der Bundestagswahl haben die Bürger CDU und AfD gewählt, und was macht die CDU? Sie holt sich die SPD in die Regierung – die doch eindeutig abgewählt wurde“, erklärte sie. Ihrem demokratischen Verständnis nach hätte sie es richtig gefunden, wenn sich die CDU und die AfD auf Bundesebene zusammengerauft und vernünftige und vertretbare Kompromisse ausgearbeitet hätten.
Die jungen Leute um Anna Kohlhaas und Tanja Akyol waren am Sonntag in Wesseling bei weitem nicht die einzigen, die ihre Stimme verfallen ließen. Nirgends sonst war im Rhein-Erft-Kreis die Wahlbeteiligung so schlecht wie in Wesseling, wo allerdings kein Stadtoberhaupt gewählt wurde. Lediglich 48,46 Prozent der Wähler machten von ihrem Recht Gebrauch, die Politik mitzubestimmen.
In einzelnen Stimmbezirken lag die Beteiligung sogar noch weit darunter, so wie zum Beispiel im Stimmbezirk 3 – die Siedlungen in und rund um den Kastanienweg. Dort beteiligten sich nur 33,57 Prozent der Menschen an der Kommunalwahl. Es ist der einzige Stimmbezirk in Wesseling, in dem die AfD haushoch gewonnen hat. Kandidat Jonas Beißel konnte 39,42 Prozent der Stimmen einholen – vor der SPD, die nur 25,31 Prozent der Wähler überzeugen konnten.
„So hat das auch 1933 angefangen“, entfuhr es Heinz Bargon (76). Das Wahlergebnis habe ihn richtig erschreckt. „Wenn da jetzt etwas schiefläuft, dann müssen unsere Kinder das ausbaden“, sagte er, als er mit seiner Frau die Kisten ins Auto packte: „Wir ziehen hier weg – nach Keldenich“, erklärte er. „Die Siedlung hier hat sich schon sehr geändert“, resümierte Helga Junge. Seit über 60 Jahre wohne sie schon am Kastanienweg.
So hat das auch 1933 angefangen
„Das waren hier früher begehrte Werkswohnungen der nahen ROW“, erklärte sie. Und: „Wir hatten alle nichts – wir waren hier alle gleich arm.“ Heute seien ihre Nachbarn zumeist türkischer Herkunft. „Aber die sind alle sehr nett und fragen oft auch nach, ob ich Hilfe brauche“, berichtete sie. Und: „Ich wohne sehr gerne hier.“
Ganz Ähnliches sagten am Montagvormittag – am Tag nach der Kommunalwahl – auch andere Menschen im Viertel. „Wir hoffen sehr, dass sich die Stimmung durch den Sieg der AfD in unserer Siedlung nicht ändern wird“, meinte eine ältere Dame. Kritisiert wurde allerdings der hohe Ausländeranteil im Viertel. „Das hat die Stadt verbockt“, merkte eine Bewohnerin an.
SPD-Politiker verweist auf die Vorgaben von Bund und Land
„Wir haben gar keinen Einfluss auf die Zahl der Zuweisungen von Geflüchteten“, stellte Thomas Giertz (SPD) richtig. Die Kommunen seien verpflichtet, die Entscheidungen von Land und Bund umzusetzen. „Und für die Unterbringung der Geflüchteten konnten wir Dixi-Klos und Zelte verhindern“, betont er. Der hohe AfD-Anteil in Wesseling macht auch Peter Neuriger (84) Sorgen. Er wohnt seit 1987 im Stimmbezirk 11 – im Bereich der Waldorfer Straße in Wesseling-Keldenich. Wie schon 2020 hatte auch am vergangenen Sonntag dort CDU-Frau Esther Limbach den Stimmbezirk mit 30,14 Prozent gewonnen. Doch die AfD konnte mit 26,67 Prozent die zweitmeisten Wähler überzeugen.
Sorgenvoll schaut Stephan Schröder (60) auf die Wahl, speziell in seinen Stimmbezirk in Keldenich. Warum die AfD in Wesseling so punkten konnte, weiß er nicht. „Aber“, ergänzte er: „In ganz Wesseling gibt es doch überhaupt gar kein Aufreger-Thema – vielleicht erklärt das ja die niedrige Wahlbeteiligung.“