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Rhein-SchauDie Geschichte der konstantinischen Brücke in Köln

Lesezeit 6 Minuten
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Marcus Trier (RGM) auf dem Gelände des Deutzer Kastells: Er zeigt an, wo die Brücke auf Kölner Seite ihren Ausgangspunkt nahm – „dort drüben, im Bereich der heutigen Salzgasse“.

Köln – Der Redner lobte das Bauwerk in höchsten Tönen: „Es ist in der Tat überaus rühmenswert, dass der Rhein nicht allein an seinem Oberlauf, wo er voller seichter Stellen oder durch die Nähe zur Quelle auch schmal ist, sondern durch eine neue Brücke auch dort begangen werden kann, wo er seine volle Breite erreicht, wo er schon sehr viele Zuflüsse aufgenommen hat.“ Und erst recht pries er den Bauherrn, den „unbesiegbaren Imperator“ Konstantin, dem der Brückenbau schon jetzt „den Gehorsam der Feinde“ eingetragen habe, „die demütig um Frieden gebeten und edelste Geiseln gestellt haben“. Und am Schluss dieser Rede, die ein unbekannter Panegyriker (ein professioneller Lobredner) im Jahre 310 in der kaiserlichen Residenz in Trier zu Ehren Konstantins gehalten hat, wird betont, was nach Vollendung der Brücke den Barbaren drohe: „Sie sollen niemals ihre Angst verlieren, ständig in Schrecken leben, immer um Gnade flehen.“

Die „Aggripina“-Brücke

Die Brücke, die der Kaiser errichten ließ, sollte Köln – damals kurz „Agrippina“ genannt – mit einem Kastell verbinden, das zur gleichen Zeit auf dem östlichen Ufer, in Feindesland, im Gebiet der Franken, entstand.

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Eine idealisierte Darstellung der konstantinischen Brücke aus dem Jahr 1608, von unbekannter Hand, Ansicht von Norden

Über die Anlage des Kastells sind wir durch eine (heute nicht mehr erhaltene) Bauinschrift informiert; die Tafel hat der Deutzer Abt Rupert im Jahre 1128 bei Aufräumarbeiten auf dem Gelände gefunden und den Text festgehalten: „Durch die Tüchtigkeit des Herrn Konstantin, des größten, frommen, überaus glücklichen und unbesiegbaren Kaisers, sind die Franken niedergekämpft und bezwungen, in ihrem Gebiet ist dann das Kastell Deutz (lat. Castrum Divitensium) gebaut worden“ – und zwar von der 22. Legion, die bei der Einweihung dem anwesendem Kaiser voller Ergebenheit huldigte.“

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Die Brücke nach Deutz war erst die zweite feste und größere Brücke, die von den Römern am Rhein errichtet wurde (siehe Kasten „Römische Brücken an Rhein und Mosel“), die Betonung liegt auf „fest“. Denn schon Cäsar, der seit 58 vor Christus Gallien zu unterwerfen trachtete, hatte bei zwei Feldzügen gegen Sugambrer und Sueben, germanische Stämme, die wiederholt in Gallien eingefallen waren, den Mittelrhein jeweils auf provisorisch angelegten hölzernen Brücken überschritten. In seinem Werk „Der gallische Krieg“ legt er, der über sich in der dritten Person schrieb, die Gründe für diese Maßnahme dar: „Auf Schiffen überzusetzen, schien ihm jedoch nicht sicher genug, und er glaubte, das entspreche weder seiner Würde noch der des römische Volkes. Daher war er der Ansicht, er müsse mit aller Kraft einen Brückenbau durchsetzen und dürfe das Heer auf keine andere Weise hinüberführen – auch wenn man sich das wegen der Breite, der Strömung und der Tief des Stromes als höchst schwierig vorstellte.“

Die erste cäsarische Brücke

Die erste Brücke, deren Konstruktion Cäsar ausführlich schildert, wurde 55 vor Christus wahrscheinlich im Neuwieder Becken über den Rhein geschlagen, für ihren Bau benötigten die Pioniere gerade mal zehn Tage. Nach erfolgreicher Strafexpedition ließ sie der Feldherr abreißen – ähnlich verfuhr er zwei Jahre später, als „nach der bekannten Methode“ flussaufwärts eine zweite Brücke errichtet worden war; nach der Rückkehr ins Linksrheinische wurde allerdings nur der Teil der Brücke abgebrochen, der ans germanische Ufer stieß – „um den Barbaren nicht ganz die Angst vor seiner Rückkehr zu nehmen.“

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Im Römisch-Germanischen Museum ausgestellt: Eichenhölzer des Fundaments der konstantinischen Brücke, die vordere Bohle mit einem „Eisenschuh“ verstärkt

Es sollte dann mehr als 350 Jahre dauern, bis die nächste Brücke am Mittel- und Niederrhein geplant und errichtet wurde – der Fluss bildete ja seit Cäsars Zeiten in großen Teilen die Außengrenze des Imperiums. Die von den Römern ins Auge gefasste Provinz Großgermanien ließ sich infolge militärischer Niederlagen rechts des Rheins – zum Beispiel der Varus-Schlacht –  nicht realisieren.

Der „unbesiegbare“ Konstantin, später „der Große“ genannt, war seit 306 einer der Regenten des Römischen Reiches; er setzte – wie eingangs geschildert – im 4. Jahrhundert auf Vorwärtsverteidigung, um der fortgesetzten Aggression der  Franken beizukommen; neben dem militärischen Aspekt spielte der propagandistische Effekt, wie einst bei Cäsar, eine wichtige Rolle: Es sollten nämlich, so der Althistoriker Werner Eck, der beste Kenner des römischen Köln, „auch alle anderen barbarischen Völker am Rhein durch die außergewöhnliche Pionierleistung der Römer beeindruckt werden“.

Eine Spitzenleistung römische Ingenieruskunst

Und es war in der Tat eine Machtdemonstration des Imperiums, zugleich eine Spitzenleistung römischer Ingenieurskunst, was um das Jahr 310 – wenige Meter nördlich der heutigen Deutzer Brücke – am Rhein auf die Beine gestellt wurde: Bei Stromkilometer 688,08 überspannte eine mehr als 400 Meter lange, wahrscheinlich 10 Meter breite Brücke den Fluss; auf dem Kölner Ufer lag ihr Ausgangspunkt beim römischen Osttor (in Höhe der heutigen Salzgasse), auf Deutzer Seite endete sie direkt am Westtor des Kastells (neben dem heutigen Lanxess-Hochhaus, die Reste dieses Tores sind leider nicht so gut erhalten wie die des Osttores). Als Fundament der wahrscheinlich 19 Brückenpfeiler dienten Hunderte, bis zu 7,50 Meter lange, teils mit eisernen „Pfahlschuhen“ verstärkte  Eichenhölzer, die etwa drei Meter in das Flussbett getrieben wurden. Die Räume zwischen den Pfählen füllte man mit Steinen auf – neben Basaltgestein, erläutert Marcus Trier, der Direktor des Römisch-Germanischen Museums, „wurde auch viel Steinmaterial in „zweiter Verwendung“, etwa alte Grabsteine, verfüllt“. Schon der bezahlte Lobredner hatte diese Bauweise überschwänglich gefeiert: „Deinem göttlichen Willen, Konstantin, ist in der Tat sogar die gesamte Natur dienstbar, wenn in jene Tiefen reißender Strudel die Fundamente solch gewaltiger Pfeilermassen gegründet werden, die zuverlässig und dauerhaft Sicherheit bieten sollen.“ Auf diesen Fundamenten gründeten dann die eigentlichen Brückenpfeiler aus Stein, die durch hölzerne Bogenkonstruktionen als Träger der Fahrbahnplanken verbunden wurden – „ein unglaubliches Bauwerk, dessen Pflege und Instandhaltung hohe technische Kenntnisse und viel Erfahrung erforderten“, sagt Trier, in dessen RGM einige der gewaltigen Eichenhölzer ausgestellt sind. Immer wieder, zuletzt vor einigen Jahren, wurden Reste der Fundamente und Pfeiler aus dem Rhein geborgen.

Eine Brücke von nur kurzer Dauer

Die erhoffte „dauerhafte Sicherheit“ gewährten Brücke und Kastell indessen nicht – schon 355, nicht ganz 20 Jahre nach Konstantins Tod, eroberten die Franken Köln. Erst nach einem Jahr drängte der damalige Mitregent, der „Cäsar“ Julian, die Barbaren wieder aus der Stadt; Köln blieb noch etwa 100 Jahre ein letzter Außenposten des schwächelnden Imperiums, ehe es von den Franken endgültig übernommen wurde. Unklar ist, wann die Brücke abgebrochen  wurde. Marcus Trier nimmt an, dass sie bereits in der Mitte des 5. Jahrhunderts nicht mehr benutzt werden konnte. Einer nicht ganz glaubwürdigen Überlieferung zufolge hat Erzbischof Bruno (953–965) Reste der Brückenpfeiler abgerissen und die Steine zum Bau von St. Pantaleon verwendet.

Sieben Jahrhunderte bis zum ersten Übergang von Köln nach Deutz

Zweihundert Jahre später soll Erzbischof Reinald von Dassel –  derjenige, der die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln geholt hatte, einen Brückenbau geplant haben, wie ein Chronist schreibt: „Und weil sein Wollen, bei allem, was er erstrebte, eine wunderbare Wirkung und ein Gedeihen besaß, hatte er mit Hilfe der Bürger vor, eine steinerne Brücke über den Rhein von der Stadt Köln nach Deutz zu bauen; den Plan hätte er mit Erfolg ausgeführt, wenn ihm nicht ein vorzeitiger Tod zuvorgekommen wäre.“ Reinald starb 1167 – und so gingen weitere sieben Jahrhunderte ins Land, ehe 1859 mit der ersten Eisenbahnbrücke, der „Dombrücke“,  wieder ein fester Übergang von Köln nach Deutz eingeweiht wurde.