Handarbeit aus RuppichterothPassendes für Kaltblut und Ziege

Monatelange Arbeit: Dieses Prunkgeschirr war ein spezieller Auftrag.
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Ruppichteroth – Als seine Kundin mit einem Sattel in der Hand erscheint, legt ihr Pferd die Ohren an und knirscht mit den Zähnen. Guido Kaltenbach winkt ab. Der Ruppichterother ist ein erfahrener Sattler, und wenn ein Ross beim bloßen Anblick des Ledersitzes Schweißausbrüche bekommt, weiß er, was los ist.
„Manche Kunden kaufen Billigware aus Indien im Internet. Die geht dann oft schon nach ein paar Wochen kaputt.“ Von schmerzenden Rücken bei Mensch und Tier plus ruinierten Nerven ganz zu schweigen. „Ein Sattel muss ordentlich geschnitten und gestopft sein, nicht zu fest und nicht zu weich, mit gutem Material. Ein Geschirr muss richtig passen und darf nicht drücken, scheuern oder reißen“, erklärt Guido Kaltenbach.
Beruf mit langer Tradition
Sattler ist ein Beruf mit langer Tradition: Bereits in der Antike benutzten Reiter Sitzunterlagen, um den Pferderücken zu schonen. Heute können Azubis zwischen den Fachrichtungen Fahrzeugsattlerei, Feintäschnerei und Reitsportsattlerei wählen – wofür sich Kaltenbach entschieden hat.
Die Liebe zu Pferden ist dem Ruppichterother in die Wiege gelegt: Bereits der Vater ritt Turniere und lenkte Kutschen. Der Sohn absolvierte nicht nur Lehrgänge als Reit- und später als Kutschfahrlehrer. Er überzeugte auch einen alten Sattlermeister, der sich bereits zur Ruhe gesetzt hatte, noch einmal auszubilden: Alfred Lühr aus Köln brachte ihm das traditionsreiche Handwerk bei.
Ursprünglich hatte Kaltenbach in der Metzgerei seines Vaters gelernt – durchaus ein Vorteil, wie sich später herausstellte. „Weil ich schon viel über Anatomie wusste, wusste ich auch, wo Sehnen und Muskeln sitzen und wie ein Skelett aufgebaut ist“, sagt er. Als der Vater 2001 den elterlichen Betrieb schloss, eröffnete der Sohn in der Burgstraße seine Sattlerei. Heute geht es ihm vor allem darum, dass die Pferde mit ihrer Ausstattung gesund bleiben.
Zieht der 46-Jährige aus einem Reparaturstück klumpige Putzwolle statt Rehhaar oder Schafwolle, trifft er auf geklebte anstatt genähter Kanten oder gar auf Flickwerk, das am Pferderücken scheuert, dann packt ihn schon mal die Wut. Und, so seine Firmenphilosophie, „ich sage Kunden auch die Wahrheit ins Gesicht.“ Die wolle nicht jeder hören. „Aber ein guter Sattel und ein gutes Geschirr kosten eben Geld.“
Ordentliches Zubehör sei maßgefertigt. Sättel wie Zuggeschirre – vor allem so genannte Kummets, die die Last auf den Tierschultern verteilen – schlagen dann zuweilen mit einigen tausend Euro zu Buche. Doch an einem guten Geschirr arbeitet der Fachmann auch bis zu sechs Monate: Schritt eins ist das Maßnehmen.
Schritt zwei: den Bügel aus Eschenholz bei einem Fachbetrieb bestellen. Als nächstes entsteht dessen Füllung aus handgemähtem Roggenstroh. Ein Fachbetrieb aus Hamburg liefert danach das Leder, die metallenen Beschläge stammen aus der Schweiz. Ein Seiler sorgt für die letzten handgemachten Teile. Anschließend wird zugeschnitten und zusammengenäht: Schweifriemen, Rückengurte, Kopfstück und so weiter. Verzierungen kommen als letztes. „Eigentlich umfasst Sattler drei Berufe in einem“, sagt Guido Kaltenbach: „Schmied, Stellmacher und Näher.“
Geschirre verschlingen im Mittel 80 Arbeitsstunden und wiegen komplett rund 30 Kilo. Soll ein Kaltblüter später mit ihnen Holz rücken, müssen sie kurzzeitig bis zu einer Tonne Zugkraft standhalten.
Ein paar Nummern kleiner sind die filigransten Werkstücke: Ein Privatmann will beim Erntedankzug Ziegen vor einen Leiterwagen spannen – und braucht dafür von Guido Kaltenbach die wohl kleinsten Kummets im Kreis.