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„Unser gesetzlicher Auftrag“Das sagen BAMF und Ausländerbehörde zur Abschiebung von Mucher Familie

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Ein Mann und ein Kind halten Gemüse hoch.

Abdelali Hadri mit seinem zweijährigen Sohn Alaa auf dem Feld der Solawi in Much. 

Rein rechtlich ist die Lage klar. Ihre Unterstützer hoffen trotzdem, dass Naima Farhane und Abdelali Hadri in Deutschland bleiben dürfen.

Die Unterstützerinnen und Unterstützer von Naima Farhane und Abdelali Hadri geben nicht auf: Die Familie aus Marokko soll abgeschoben werden, obwohl sie gut in das Mucher Leben integriert ist. „Wir haben eine Petition gestartet, die mittlerweile 25.000 Unterschriften hat. Außerdem haben wir ein Video gemacht, in dem viele Menschen zu Wort kommen, die die Familie kennen und von ihren Fortschritten berichten“, sagt Amayi Breuer aus dem Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer.

„Wir haben auch Bürgermeister Karsten Schäfer und den Landtagsabgeordneten Björn Franken kontaktiert, die haben sich aber noch nicht zurückgemeldet“, sagt Breuer. Hadris Chef habe sogar einen Brief an die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises geschickt, indem er seinen marokkanischen Mitarbeiter als fleißig und zuverlässig beschreibe. Jedoch droht der vierköpfigen Familie Ende kommender Woche die Abschiebung.

Farhane und Hadri verliebten sich – doch die Eltern duldeten die Beziehung nicht

Farhane (28) und Hadri (31) kommen aus Marokko und leben mit ihren Kindern, dem zweijährigen Alaa und der knapp vier Monate alten Aischa, in Much. Der Vater arbeitet bei einer Trockenbaufirma, die Familie engagiert sich ehrenamtlich in der Gemeinde, Alaa besucht den Kindergarten, alle vier sind gut integriert und lernen Deutsch. Rechtlich betrachtet haben sie jedoch keine Bleibeperspektive.

Die Eltern lernten sich an einer Universität kennen, beide haben Wirtschaft und Verwaltung studiert. Bald schon wollten sie heiraten, doch insbesondere Farhanes Onkel habe die Eheschließung abgelehnt, weil er seinen eigenen Sohn mit der jungen Frau habe verheiraten wollen. Da er sehr einflussreich sei, habe er gedroht, Hadri ins Gefängnis stecken zu lassen, sein Sohn habe ihn mit dem Tod bedroht. Dennoch heirateten Farhane und Hadri im August 2019. Als ihr Vater davon erfahren habe, habe er sie verprügelt.

Der Cousin und seine Freunde hätten Hadri zusammengeschlagen. Er habe Anzeige erstatten wollen, was die Polizei jedoch verweigert habe. Sogar der Staatsanwalt, der mit dem Onkel befreundet sei, habe ihm nahegelegt, seine Frau den Eltern zu überlassen. Die beiden flüchteten in Hadris Heimatstadt, doch auch dort habe sie der Cousin gefunden und versucht, Farhane zu entführen. Das Ehepaar flüchtete in die Türkei, jedoch lief nach zwei Jahren das dortige Touristenvisum aus. Schließlich kamen sie im August 2022 nach Deutschland. So berichteten es die beiden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Das BAMF sieht die marokkanischen Behörden in der Verantwortung, für die Sicherheit der Familie zu sorgen

Der Redaktion liegen die Ablehnungsbescheide vor. Demnach seien die Asylanträge des Ehepaars abgelehnt worden, da Farhane und Hadri nicht aufgrund ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ verfolgt worden seien. Mit einer Zwangsverheiratung sei bei der Rückkehr nach Marokko nicht zu rechnen, da die beiden bereits verheiratet seien und das marokkanische Recht erzwungene Ehen nicht anerkenne.

Das BAMF sieht die marokkanischen Behörden in der Verantwortung, für die Sicherheit der Familie zu sorgen. Es sei unwahrscheinlich, dass die Verwandten sie in einer der Großstädte des Maghreb-Staates aufspüren könnten, zumal es dort kein zentrales Melderegister gebe. Die Polizei werde die beiden sicherlich schützen, argumentiert die Behörde. Zudem seien die wirtschaftlichen Verhältnisse stabil genug, damit die Familie zumindest knapp über dem Existenzminimum leben könne.

Die Duldung der Familie läuft nur noch bis zum 27. November

Hadri und Farhane klagten gegen die Entscheidung, vor einem halben Jahr wurde die Klage abgewiesen. Daraufhin bemühte sich Farhane um eine Ausbildungsduldung, da sie eine Stelle in einem Landmarkt in Much zugesagt bekommen hatte. Da sie mit ihren in Troisdorf und Bergisch Gladbach geborenen Kindern nun in Much leben, ist die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises für sie zuständig. Diese lehnte das Gesuch ab, da das Ehepaar widersprüchliche Angaben zum Verbleib seiner Pässe gemacht hatte und erst im Juli die echten, aber inzwischen abgelaufenen Pässe vorgezeigt hatte. Für eine Ausbildungsduldung müsse jedoch innerhalb eines halben Jahrs die Identität festgestellt werden – es war zu spät.

„Derzeit werden alle Familienmitglieder noch bis zum 27. November geduldet. Die Eltern wurden aufgefordert, Heimreisedokumente für die Kinder zu besorgen. Die Abschiebung ist immer und gerade bei Familien ultima ratio“, teilt Antonius Nolden, Sprecher der Kreis-Pressestelle, mit. Sollte die Familie sich nicht selbst Dokumente besorgen und ausreisen, übernähmen die deutschen Behörden die Beschaffung der Papiere. „Mit sogenannten Passersatzpapieren kann dann unangekündigt die Rückführung in das Heimatland erfolgen.“

Nolden unterstreicht: „Die Hürden für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis abseits der Ausbildungsduldung oder Beschäftigungsduldung liegen deutlich niedriger. Sollte die Familie zeitnah keine Papiere für die Kinder einreichen, kann auch ein Beschäftigungsverbot wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung für beide Elternteile ausgesprochen werden.“ Dann würde auch Hadri seinen Arbeitsplatz verlieren.

Die Mucher Unterstützer haben einen Antrag an die Härtefallkommission des Landtags gestellt

Für ein mögliches Aufenthaltsrecht spiele dieser keine Rolle. „Zudem ist die Familie erst seit drei Jahren und drei Monaten in Deutschland. Unabhängig von diversen anderen Voraussetzungen käme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis frühestens nach vier Jahren in Betracht.“ Der Zeitraum, der sich wegen der fehlenden Identitätsklärung in die Länge gezogen habe, könne darin nicht einberechnet werden. „Deswegen steht die Durchsetzung der Ausreisepflicht im Vordergrund“, erläutert Nolden.

Auf die Frage, inwiefern die deutsche Gesellschaft oder der deutsche Staat profitiere, wenn die Familie wieder in Marokko lebe, antwortet der Sprecher: „Es ist unser gesetzlicher Auftrag, Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, keine Duldungsgründe haben und das Land nicht freiwillig verlassen, abzuschieben.“

Rechtlich gesehen ist die Lage also klar und lässt keinen Spielraum zu. Die Mucher Unterstützerinnen und Unterstützer haben deswegen einen Antrag an die Härtefallkommission des Landtags gestellt. Sie kann über Ausnahmen entscheiden, etwa, wenn der Lebensmittelpunkt von Betroffenen inzwischen in Deutschland ist. Die Zeit drängt, denn wird die Familie erst einmal nach Marokko abgeschoben, darf sie die kommenden zweieinhalb Jahre nicht nach Deutschland einreisen und legal hier wohnen.