Thurn-WerkeGekündigte Arbeiter fordern Hilfe – „Jeder ist auf sich alleine gestellt“

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Das Gelände von Thurn in Neunkirchen: links auf der Rasenfläche neben der Produktionshallen soll die neue Feuerwache von der Gemeinde gebaut werden, rechts außen ist das Ärztehaus geplant, das Thurn selber bauen will.

Das Gelände von Thurn in Neunkirchen: links auf der Rasenfläche neben der Produktionshallen soll die neue Feuerwache von der Gemeinde gebaut werden, rechts außen ist das Ärztehaus geplant, das Thurn selber bauen will.

Neunkirchen-Seelscheid – Für die Mitarbeiter der Firma Thurn war es dieses Jahr kein schönes Weihnachtsfest. „Wir wurden am letzten Arbeitstag vor Weihnachten um 14 Uhr auf einer Betriebsversammlung informiert, dass wir alle hier am Standort die Kündigung erhalten werden“, berichtete ein Mitarbeiter aus Neunkirchen, der Bedenken hat, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. „Es lagen Formulare bereit, mit denen wir uns arbeitssuchend melden konnten.“

Eine Bewerbungstrainings-Firma hätte Flyer verteilt und so für ihre Dienste geworben. „Wegen der Kosten sollte ein Beratungsgespräch aber vorher von der Arbeitsagentur genehmigt werden“, sagte er. „Es gibt auch keine Auffanggesellschaft oder ähnliches für die Mitarbeiter. Hier ist nun jeder auf sich alleine gestellt.“

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Gerade in der Produktion, wo es viele Hilfsarbeiter gebe, sei es aber sehr wichtig, eine Hilfestellung zu geben, so der langjährig Beschäftigte. „Für alle diese Dinge war vier Monate lang keine Zeit da, als der Betrieb unter vorläufiger Verwaltung stand.“

Auch Familien betroffen

Mittlerweile sind die Kündigungsbriefe raus und zum Teil schon angekommen. „Für uns war das Weihnachtsfest sehr traurig“, so eine andere Mitarbeiterin. Besonders die zahlreichen Produktionshelfer hätten sicher Probleme, kurzfristig neue Jobs zu finden. „Da hängen oft auch Familien mit kleinen Kindern dran.“

Das Büro von Insolvenzverwalter Dirk Obermüller wollte sich nur schriftlich äußern. „Nach dem anfänglich breiten Investoreninteresse hat sich inzwischen herauskristallisiert, dass die Unternehmensgruppe insgesamt nicht erhalten werden kann. So konnte für die Standorte Neunkirchen/Much bislang kein Investor gefunden werden. Die rund 230 Mitarbeiter wurden am vergangenen Freitag darüber sowie über Vermittlungs- und Bildungsangebote informiert. Die Kündigungen werden noch vor Jahresende ausgesprochen. Laufende Aufträge werden bis Ende Januar ausproduziert.“

Ein Kündigungsschreiben datiert vom 27. Dezember

Ein Kündigungsschreiben datiert vom 27. Dezember

Dass Insolvenzverwalter Informationen zum Verfahren sparsam dosieren, ist üblich, auch um Sanierungs- oder Verkaufsprozesse nicht zu stören. Das nun der Redaktion vorliegende Statement wurde allerdings erst nach einem Anruf beim Amtsgericht Bonn, das den Insolvenzverwalter bestellt, herausgegeben.

Birgit Niepmann ist dort Direktorin und Pressesprecherin, sie äußerte sich dazu im Vorfeld: „Ich habe keine andere Möglichkeit, als sie an das Büro des Insolvenzverwalters zu verweisen. Dies entspricht meiner regelmäßig in Insolvenzverfahren geübten Praxis. Nur der Insolvenzverwalter kann die notwendige Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und möglichen Einflüssen einer Information auf die Durchführung des Insolvenzverfahrens vornehmen.“ Zu diesem Zeitpunkt waren die Kündigungen schon längst Tagesgespräch in der Bevölkerung.

Politik ist überrascht

Für die Politik kommt diese Wendung überraschend. „Der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde steht für uns oben auf der Prioritätenliste“, so CDU-Sprecher Hans- Jürgen Parpart. „Wir bedauern, dass der Insolvenzverwalter nicht das Gespräch mit der Politik gesucht hat, wie die Kündigungen hätten vermieden werden können. Wir wünschen uns, dass er in Zukunft den Dialog mit uns sucht, bevor er weitere Dinge unternimmt.“

SPD-Fraktionschef Peter Schmitz: „Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass der Standort gerettet werden kann. Es ist schlimm, dass so vielen Menschen gekündigt wurde.“ Dass der Insolvenzverwalter wenig Informationen preisgibt, versteht er. „Es gibt gesetzliche Vorschriften zur Verschwiegenheit, die beachtet werden müssen.“

Bürgermeisterin Nicole Sander will erst einmal abwarten, was nun passiert. „Bevor der Betrieb nicht in Gänze abgewickelt ist, gibt es kein Szenario, wie es mit dem Gelände weitergeht. Die Gemeinde wird sich um Gespräche mit dem Insolvenzverwalter selbstverständlich kümmern.“ Dass betriebsbedingte Kündigungen im Wege der Insolvenz ausgesprochen werden mussten, hätte der Insolvenzverwalter mitgeteilt. „Die Mitarbeiter wurden vorab in einer der Betriebsversammlungen in Kenntnis gesetzt“, so Sander.

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