Öffentliche Stellen konnten keine Auskunft erteilen. Es finden sich keine Aufzeichnungen. Ein Nachfahre des Erbauers klärt auf.
Keine Aufzeichnungen„Lost Place“ in Bonn gibt Rätsel auf – Enkel des Erbauers meldet sich
Ist es ein Tunnel, ein Bunker oder doch ein Abwasserkanal? Ein „Lost Place“ in Bonn gibt Rätsel auf. Selbst öffentlich zuständige Stellen in Bonn haben keine konkrete Antwort parat. Aufklärung bringt schließlich ein Nachfahre des ursprünglichen Erbauers.
Viele Interessierte haben das Bauwerk im Bonner Stadtteil Friesdorf bereits aufgesucht. Allein auf Google gibt es etliche Kommentare zu der abgelegenen Adresse. Es liegt versteckt in einem Waldstück am Annaberg. Viele sind von dem ungewöhnlichen Anblick verwirrt und fragen sich, welcher Zweck mit dem Bau verfolgt wurde.
Ungewöhnlicher „Lost Place“ in Bonn – „Unbeschreibliches Erlebnis!“
Andere sprechen von einem faszinierenden und ungewöhnlichen Ort. Ein User schreibt etwa: „Man muss einfach mal durchgegangen sein. Ein unbeschreibliches Erlebnis!“ Auch andere finden den Ort spannend, obwohl auch sie keine Erklärung für das Bauwerk haben.
Die meisten finden es jedoch ziemlich gruselig. Eine Empfindung, die wohl jeder nachvollziehen kann, der sich die Mühe gemacht hat, den „Lost Place“ zu besuchen.
Der inoffizielle Name des Ortes ist der „Annaberger Tunnel“. Eine Bezeichnung, die durchaus Sinn zu machen scheint. Denn das Bauwerk liegt auf dem Annaberg und da man hindurchgehen kann, könnte es sich auch um einen Tunnel handeln.
Rätsel um „Lost Place“ Annaberger Tunnel in Bonn-Friesdorf
Bei allen öffentlichen Stellen, die irgendwie für den „Lost Place“ zuständig sein könnten, hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ angefragt, um was für einen Ort es sich denn jetzt genau handelt. Doch weder die Stadt Bonn noch die Untere Denkmalbehörde hatten eine Erklärung.
Auch dem Tiefbauamt lagen „keine Informationen oder Kenntnisse“ über das Bauwerk vor, erklärte ein Pressesprecher auf Nachfrage.

Der „Lost Place“ in Bonn-Friesdorf ist teilweise stark zugewuchert, doch ein Zugang ist ohne Probleme möglich.
Copyright: Jan Voß
Dabei liegt der Annaberger Tunnel zwar versteckt am Rande von Friesdorf, doch unbekannt dürfte das Bauwerk dann doch nicht sein. Hinter der Annaberger Straße geht die kleine Gasse „Am Bommerich“ den Annaberg hinauf. Irgendwann endet der Asphalt und wird zu einem ausgetretenen Pfad, der sich die steiler werdende Steigung hinaufwindet.
Und dann plötzlich fällt der Blick auf ein riesiges sechseckiges Loch am Ende des Weges.
Auch durch den Wald über den Annaberg von der anderen Seite ist der „Lost Place“ in Bonn-Friesdorf zu erreichen. Hier folgt man einem Pfad durch den Wald, der an einen ausgetrockneten Flusslauf erinnert. Gerade wenn die Schlucht immer enger wird, stößt man oberhalb von Friesdorf auf den Annaberger Tunnel.
Bonner „Lost Place“ auf Youtube: „Sowas auch noch nicht gesehen“
Auch der erfahrene Youtuber Mario Frink, der bereits etliche „Lost Places“ aufgesucht hat, gesteht beim ersten Blick auf das riesige dunkle Loch am Ende des Pfades: „Also sowas hab ich auch noch nicht gesehen!“ Seine erste Vermutung beim Besuch des Bauwerks war, dass es sich auch um eine Art Skater-Parcours handeln könnte.

Rund 50 Meter erstreckt sich der „Lost Place“ am Rande von Bonn-Friesdorf.
Copyright: Jan Voß
Der Blick in den Tunnel wird in der Tiefe immer wieder aufgehellt. In regelmäßigen Abständen sind große Lichtschächte in den Tunnel eingelassen, die Sonnenlicht wie Neonlampen in die Dunkelheit schneiden.
Worauf bei dem „Lost Place“ Annaberger Tunnel zu achten ist
Wer den Annaberger Tunnel durchqueren möchte, kann dies tun. Das Betreten ist nicht verboten. Das Bauwerk verläuft jedoch den Berg hinauf, der Untergrund ist abfällig und eventuell rutschig. Der mittlere Tunnelabschnitt ist zudem nicht mit Lichtschächten versehen und wesentlich dunkler als die anderen Bereiche.
Insgesamt erstreckt sich das Bauwerk rund 50 Meter den Bergrücken empor. Der Tunnel verläuft dabei in einer leichten Kurve, sodass Eingang und Ausgang nur knapp von einem Punkt aus gleichzeitig zu sehen sind.
Spekulationen über ursprünglichen Zweck des Annaberger Tunnels
Über den Zweck des heutigen „Lost Places“ wird derweil immer wieder spekuliert. Manche glauben, es könnte sich um einen alten Zugang zu einem riesigen Atombunker handeln, der vielleicht nie fertiggestellt wurde. Andere mutmaßen, dass es sich um einen Abwasserkanal handelt. Doch dafür ist der Tunnel viel zu steil angelegt und würde die Wassermassen nur mitten in die Friesdorfer Wohnsiedlung leiten.

Am Rande des Siedlungsgebietes in Bonn-Friesdorf stößt man plötzlich auf den „Lost Place“.
Copyright: Jan Voß
Eine weitere Vermutung lautet, dass der Tunnel womöglich für den Abbau von Braunkohle gebaut wurde. Der Annaberg war zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert für den Bergbau interessant, da hier Braunkohle, aber auch Alaun gefunden wurde. Doch auch mit dem Bergbau hat der mysteriöse Tunnel nichts zu tun.
„Lost Place“ Annaberger Tunnel: Enkel des Erbauers meldet sich
Die Antwort liefert schließlich ein Nachfahre des Erbauers. Unter einem Video auf Youtube schreibt der Enkel: „Hallo ihr Lieben, ich habe gelesen, dass sehr viele von euch über diesen Tunnel rätseln. Mein Opa hat ihn gegen Ende der 50er Jahre gebaut. Ihm gehörte das Grundstück darüber.“
Als Auflage habe er den Weg für Bürgerinnen und Bürger als Zugang zum Wald auf dem Annaberg erhalten müssen, so der Enkel weiter. Dafür ließ er den Tunnel anlegen. Der Beton-Schacht habe zudem als Fundament für das Haus darüber gedient.
Die zwei Lüftungsöffnungen auf der linken Seite auf mittlerer Ebene (von unten gesehen) führten demnach zum Keller des Hauses. „Der Keller erstreckt sich über 2 Etagen und hat auch einen kleinen Luftschutzraum mit Notausgang zum Tunnel.“ Sein Opa habe das Haus dann in den 70er Jahren an die Botschaft des Irak verkauft, dem es nach wie vor gehört.
Angaben, die sich mit der Geschichte der irakischen Botschaft in Bonn decken. Das Gebäude hat der Friesdorfer Bauunternehmer Henseler errichten lassen, samt Aufzug, Schwimmbad und Luftschutzbunker. Ab 1953 befand sich hier die Botschaft des Irak, bis sie 2002 nach Berlin umzog. 2015 wurde in dem Gebäude dann wieder eine Außenstelle der irakischen Botschaft eröffnet.

