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Nach Niedecken-WutKunstRasen-Festival in Bonn soll 20.000 Euro Strafe zahlen – Stadt lenkt ein

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Ernst-Ludwig Hartz (r.) mit Andreas Archut und Wolfgang Niedecken auf dem KunstRasen.

Ernst-Ludwig Hartz (r.) erhielt am Montagabend (18. August 2025) den Bröckemännche-Preis von Andreas Archut vom Bonner Medien-Club. BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken (M.) hielt die Laudatio.

Die Macher der Open-Air-Reihe KunstRasen wurden jüngst von der Stadt Bonn mit einer Strafe belegt. Im Vorfeld einer Preisverleihung für Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz gab es einen Friedensgipfel.

Los ging die Erfolgsgeschichte 1977 in der Aula des Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums im Bonner Ortsteil Plittersdorf. Dort organisierte Ernst-Ludwig Hartz eine erste Konzert-Veranstaltung.

48 Jahre später blickt der gebürtige Godesberger auf eine beeindruckende Karriere in der Eventbranche zurück: Großkonzerte mit internationalen Stars wie Joe Cocker, Pink Floyd, Genesis oder Van Morrison, das Bizarre-Festival, die Höhepunkte auf der Hofgartenwiese, die Open-Air-Events auf dem Museumsplatz sowie 2012 die Gründung des KunstRasens am Rheinufer.

Verleihung: Bröckemännche-Preis für Ernst-Ludwig Hartz

„Ernest“, wie fast alle den inzwischen 65-Jährigen nennen, ist eine feste Größe im Konzertgeschehen und hat der Stadt Bonn über Jahrzehnte erstklassige Kultur-Highlights – und damit auch hohe Einnahmen im Bereich Hotellerie und Gastronomie – beschert. Aus diesem Anlass hat der Bonner Medien-Club (BMC) ihn am Montagabend (18. August 2025) mit dem Bröckemännche-Preis ausgezeichnet.

„Auch unter widrigen Bedingungen verfolgte er seine Vision und schuf unvergessliche Konzerterlebnisse“, sagte BMC-Vorsitzender Andreas Archut. Der Preis wird seit 1997 jährlich an Persönlichkeiten verliehen, die sich kritisch, mutig und unkonventionell in die öffentliche Debatte einbringen oder besondere Verdienste für die Stadtgesellschaft erworben haben.

Ohne öffentliche Förderung stemmt Hartz mit seinem Team jährlich Events mit mehreren Millionen Euro Umsatz. Über 100.000 Gäste kamen in diesem Jahr zum Open-Air-Gelände. „Die Widerstände waren und sind oft groß“, sagte der Preisträger. „Man darf nicht vergessen, dass wir ohne jegliche öffentliche Förderung agieren. Hier hätten wir uns oft mehr Unterstützung gewünscht.“

Die Band BAP steht auf der Bühne.

So fing alles an: BAP beim Soundcheck 1980 im eiskalten Saal „Bellwawuppdich“ in Bonn. Das war das erste Konzert der Kölschrocker, das Hartz organisiert hat.

Allein neun BAP-Konzerte organisierte Hartz, fünf davon auf dem KunstRasen, zuletzt am Samstag. Musiker-Legende Wolfgang Niedecken (74) erinnerte deshalb in seiner Laudatio an die Anfänge. Am 20. Dezember 1980 spielte die Band im eiskalten Saal der Bonner Rheinterrassen mit dem ulkigen Namen „Bellawuppdich“, benannt nach den beiden Hunden des Betreibers – „Bella“ und „Wuppdich“.

Für den BAP-Frontmann ist Bonn ohnehin ein „Teil von Köln“. Er habe unzählige seiner Helden auf dem KunstRasen live erlebt: Patti Smith, Crosby, Stills and Nash, Lou Reed, Bob Dylan. „Schon allein dafür bedanke ich mich beim Preisträger. Bonn kann sich glücklich schätzen, einen Überzeugungstäter wie ihn als Konzertveranstalter mit weltweiten Verbindungen zu haben.“

Wolfgang Niedecken steht vor der leeren KunstRasen-Bühne.

Am Samstagabend spielte Wolfgang Niedecken noch mit BAP auf dem KunstRasen. Am Montag kehrte er zur Preisverleihung zurück.

Natürlich stand der gesamte Abend unter dem Eindruck der jüngst durch die Stadt Bonn verhängten 20.000-Euro-Strafe, weil beim Konzert der US-amerikanischen Rockband Lynyrd Skynyrd Anfang Juli die gesetzlich vorgegebenen Lärmgrenzwerte um ein Dezibel überschritten wurden. Zudem sei die Veranstaltungsdauer überschritten worden.

Spießige Spielverderber, die mit der Stoppuhr im Anschlag darüber wachen, dass das Konzert keine Sekunde länger als genehmigt dauert.
Wolfgang Niedecken zur 20.000 Euro-Strafe der Stadt Bonn

„Spießige Spielverderber, die mit der Stoppuhr im Anschlag darüber wachen, dass das Konzert keine Sekunde länger als genehmigt dauert“, nannte Niedecken das. Im Gespräch mit Express.de wurde er noch deutlicher: „Das sind die gleichen Typen, die schön nach Italien fahren und dann vom mediterranen Leben schwärmen, wo die Leute noch spätnachts auf der Straße flanieren. Und hier werden sie zu Korinthenkackern.“

Katrin Wurm, Katja Dörner und Martin Nötzel auf dem KunstRasen in Bonn.

Nach der Aussprache herrschte wieder bessere Laune. Die beiden KunstRasen-Geschäftsführer Katrin Wurm (l.) und Martin Nötzel mit Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner.

Hartz nutzte seine Dankesrede, um einen netten Bogen zu spannen. Im Vorfeld des Abends sei ihm im Traum der Bonner Komponist Ludwig van Beethoven erschienen. „Der große Ludwig sagte zu mir, dem kleinen Ludwig: ‚Hör mal Ludwig, ich habe gehört, du hast ein Problem mit der Lautstärke. Das kenne ich‘“. Schließlich litt der ab seinem 27. Lebensjahr unter zunehmender Schwerhörigkeit.

Seine „Eroica“ habe er beim Fürsten Lobkowitz auf 110 Quadratmetern uraufgeführt. Das sei zu laut und für alle Zuhörer ein körperliches Erlebnis gewesen. Danach habe sich der Fürst beschwert und zur Strafe würde man ihm sein Honorar nicht auszahlen: 20.000 Groschen.

Ernst-Ludwig Hartz bei seiner Preisverleihung in Bonn.

Seit 48 Jahren veranstaltet Ernst-Ludwig Hartz Spitzenkonzerte in der Region. Dafür wurde er nun ausgezeichnet.

Die Lacher waren ihm sicher. Aber Hartz fügte auch noch deutliche Worte der Kritik an: „Die freie Kultur war immer sehr umtriebig und kreativ in Bonn. Was oft vermisst wurde und auch heute vermisst wird, ist die entsprechende Wertschätzung durch Politik und Verwaltung.“

Bonns Oberbürgermeisterin Dörner: „Konnten Bescheid nicht mehr zurücknehmen“

Doch zumindest gibt es seit Montag einen kleinen Lichtblick. Oberbürgermeistern Katja Dörner (49) traf sich mit Hartz und seinem Geschäftsführer-Partner Martin J. Nötzel. Das Ergebnis des Gesprächs: Die KunstRasen-Macher zahlen das Zwangsgeld, im Gegenzug soll dem Stadtrat eine einmalige Förderung in gleicher Höhe für die kommende Saison vorgeschlagen werden.

„Wir können als Verwaltung den einmal versendeten Bescheid nicht mehr zurücknehmen, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage“, erklärte Dörner im Gespräch mit Express.de. „Deshalb habe ich mir überlegt, welches Zeichen der Wertschätzung wir aussenden können. Wir alle haben ein Interesse daran, dass hier geile Konzerte stattfinden, gerne auch laut. Das müssen wir auf unseren Zettel nehmen, dass wir besser hätten sprechen müssen, statt direkt einen Bescheid zu verschicken“. (msw)