Tötungsdelikt in SiegburgLandgericht Bonn eröffnet Prozess gegen Verdächtigen nicht

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Der Eingang des Landgerichtes in Bonn

Der Eingang des Landgerichtes in Bonn

Bonn – In den frühen Abendstunden des 15. März 2021 war mitten in Siegburg ein Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Der 45-Jährige war bereits vier Tage zuvor mit neun Schüssen in den Kopf getötet worden. Offensichtlich hatte der Mann nicht mit einem Anschlag auf sein Leben gerechnet: Denn er saß auf seinem Sofa, als die tödliche Salve abgegeben wurde.

Drei Wochen später wurde ein Verdächtiger festgenommen: Von dem 50-Jährigen waren DNA-Spuren am Tatort gefunden worden. Schließlich auch kannte der Siegburger den 45-Jährigen: Mehrere Jahre hatte er bei ihm zur Untermiete gewohnt und war ein Jahr zuvor ausgezogen. Der Festgenommene beteuerte seine Unschuld. Das half nichts: Anfang April kam er in Untersuchungshaft. Die Bonner Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen Totschlags an.

Ballistisches Gutachten spricht gegen Täterschaft

Sieben Monate später ist der Mann wieder auf freiem Fuß. Der Haftbefehl wurde am 4. November aufgehoben. Denn das Bonner Schwurgericht hat den Totschlagsprozess nicht eröffnet, wie Gerichtssprecherin Patrizia Meyer am Freitag auf Anfrage mitteilte. Die Täterschaft des 50-Jährigen lasse sich nicht nachweisen, heißt es im Nichteröffnungsbeschluss der Kammer.

Toetungsdelikt_Siegburg

In diesem Haus in der Siegburger Innenstadt wurde der 45-Jährige erschossen.

Einen hinreichenden Tatverdacht gebe es nicht, die Begründung der Anklage reiche nicht aus. Im Zentrum des richterlichen Zweifels steht ein zweites, fast identisches Verbrechen, das vier Monate später in Windeck-Hurst stattgefunden hat. Am 23. August wurde eine 33-jährige Mutter von mehreren Kindern in ihrem Garten tot aufgefunden, auch sie war mit neun Schüssen in den Kopf getötet worden.

Der 34-jährige Täter, der nicht ihr Lebensgefährte war, hatte sich anschließend selbst erschossen. Neben ihm die Tatwaffe, eine Maschinenpistole. Das Motiv ist bis heute unklar. Aber für das Verbrechen Nummer 1 wurde es zum Wendepunkt.

Denn das ballistische Gutachten des Bundeskriminalamtes kommt zu dem Ergebnis, es sei nicht auszuschließen, dass die Waffe in beiden Tötungsfällen identisch sei. Das Gutachten hatte der Staatsanwältin bei Anklageerhebung noch nicht vorgelegen.

Auch von dem 34-Jährigen fanden sich DNA-Spuren in Siegburg

Damit werde der Angeklagte, so die Richter, entlastet; nicht zuletzt auch, weil die beiden Verbrechen durch die Tötungsart – gezielte Schüsse auf den Kopf – sich glichen. Und: Auch vom 34-jährigen Schützen, der sich am Ende selbst getötet hat, waren in der Siegburger Tatort-Wohnung DNA-Spuren gefunden worden. Er stand ebenfalls im Fokus der Ermittlungen.

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Weitere Indizien entlasten den 50-Jährigen, der zudem beteuerte, noch nie mit einer Waffe geschossen zu haben. Auch das Motiv, das die Anklage nennt, sei nicht tragfähig, so die Bonner Richter. Der Angeklagte, der in finanziellen Schwierigkeiten war, hatte Mietschulden von wenigen Hundert Euro bei dem Getöteten.

Damit ist der Indizienprozess aber nicht vom Tisch: Die Staatsanwaltschaft ist von der Unschuld des 50-Jährigen noch nicht überzeugt. Der Fall werde geprüft, bestätigte Behördensprecher Sebastian Buß am Freitag auf Anfrage. Gegen die Entscheidung der Bonner Kammer wurde bereits Beschwerde zum Oberlandesgericht Köln eingelegt.  

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