Erinnerungen an 2013Jörg Löhr entkam Anschlag beim Boston-Marathon – „Plötzlich gab es einen dumpfen Knall“

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Jörg Löhr und Begleiter vor dem Schild des Boston Marathon

Einen Tag vor dem Start feierten Jörg Löhr (l.) und die Menschen in seiner Begleitung eine Party.

Bereits vor 10 Jahren ist Dr. Jörg Löhr den Boston-Marathon gelaufen. Nun nahm er wieder teil und berichtet von seinen Erinnerungen.

„Die Bilder der schrecklichen Erlebnisse waren sofort wieder vor meinen Augen.“ Dr. Jörg Löhr, Marathonläufer aus Eitorf, kehrte zehn Jahre nach dem Attentat an der Marathonstrecke in Boston zurück in die Stadt an der amerikanischen Ostküste. 2013 waren dort bei einem Bombenanschlag drei Menschen getötet und 264 zum Teil schwer verletzt worden.

„Mich berührt diese Geschichte immer noch sehr, auch weil ich selbst kurz vor dem Ziel an diesen beiden Sprengsätzen vorbeigelaufen war und Glück hatte“, berichtet er. „15 Minuten später detonierten zwei Bomben und verwandelten diesen traumhaften Tag in einen Albtraum.“ Nach dem Attentat seien die Läufer und Läuferinnen immer wieder gefragt worden, ob sie wiederkämen.

Eitorfer läuft 127. Boston-Marathon

Zum 127. Boston-Marathon kann der Eitorfer, der in der Ü-60-Klasse antritt, die Frage mit „Ja!“ beantworten. Er reiste bereits einige Tage vor dem Lauf an, der am Montag – am „Patriots Day“ – stattfand und beschreibt für diese Zeitung seine Eindrücke.

„Wir waren im selben Hotel wie damals untergebracht, und auf dem Weg zur Marathonmesse liefen wir die langgezogene Zielgerade an der Boylston Street entlang. An der Ecke zur Herford Street hatte mich 2013 meine Frau angefeuert. Etwas weiter, kurz vor der Ziellinie, explodierten kurze Zeit später die beiden Bomben.“

An beiden Stellen befinden sich heute Gedenksteine. Am Marathonwochenende waren dort Ehrenwachen positioniert. Die Teilnahme am berühmten Boston Marathon 2013 sei für ihn ein Höhepunkt in seinem Läuferleben gewesen, die Eindrücke auf der Strecke überwältigend schön, berichtet der promovierte Biochemiker. „Kurz vor der etwa 400 Meter langen Zielgerade wird jeder Läufer noch einmal enthusiastisch gefeiert“, erzählt der 62-Jährige.

Erinnerungen an den Marathon vor 10 Jahren

Hinter der Ziellinie warteten Wasser, Riegel, Fotos und Medaillen. „Einen kurzen Moment stand ich am Copley Square und schaute in den blauen Himmel, es war ein wunderbares Gefühl.“ Er ging zum Gepäckbus einen Häuserblock weiter in einer Seitenstraße, um sein Gepäck abzuholen. „Plötzlich gab es einen dumpfen Knall, wenige Sekunden später den zweiten, wie Kanonenschläge.“

Dann sei es still geworden. Er eilte zum Treffpunkt, hörte Sirenengeheul und traf auf weinende Läuferinnen und Läufer, die schreckliche Bilder hatten mit ansehen müssen und zum Erste-Hilfe-Zelt gebracht wurden.

An der „Family Meeting Zone“ traf er seine Frau Christine, die über eine Querstraße dorthin gelangt war. Schwerbewaffnete SWAT-Teams räumten die öffentlichen Flächen, das Mobilnetz war aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. „Ich war sehr froh, dass ich meinen Eltern und meine Tochter noch aus der „Family Meeting Zone“ heraus angerufen hatte“, sagt Löhr.

#bostonstrong

Ihr Hotel lag mitten im Sperrgebiet, bewaffnete Einheiten durchsuchten es mit Sprengstoffspürhunden. Beim erneuten Marathon-Start mit 30.000 Läuferinnen und Läufern trug Löhr sein T-Shirt von vor zehn Jahren. Er hatte es mit dem Wort „#bostonstrong“ bedrucken lassen, dem Slogan, mit dem die Stadt den Jahrestag beging.

Jörg Löhr aus Eitorfmit einem Laufshirt und der Aufschrift: „#bostonstrong“.

Unter dem Slogan „#bostonstrong“ findet der Marathon zum Jahrestag statt.

„Alle wurden enthusiastisch angefeuert, aber ein paar zusätzliche Zurufe wegen des Aufdrucks gab es schon“, berichtet Löhr nach dem Marathon, den er im strömenden Regen absolvierte: „Für mich war das eine Extraportion Motivation!“

Wie vor zehn Jahren erwartete ihn seine Frau Christine am Anfang der Zielgeraden, die zu einer Jubelmeile wurde. „Immer wieder feuerte uns die Menge enthusiastisch an“, erzählt er, immer wieder habe er den Ruf „Boston Strong“ gehört. Die Worte seien in seinem Kopf gewesen, als er beim Endspurt an den beiden Gedenkstätten für die Opfer des Attentats vorbeilief und nach drei Stunden, 58 Minuten und 53 Sekunden ins Ziel kam: „Selbst in der Stunde des Glücks denkt man an das Ereignis und die Menschen.“

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