Gespräche wichtiger denn jePandemie stellt Beratungsstellen vor Herausforderungen

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Als Anlaufstelle für Suchtkranke darf das Café Koko geöffnet bleiben – für höchstens 18 Personen zugleich,  berichtet Jürgen Graff. 

Rhein-Sieg-Kreis – Trotz Corona leisten Wohlfahrtsverbände und Beratungsstellen ihre Arbeit. Unter erschwerten Bedingungen und teilweise mehr denn je gefragt.

Suchtkranke

Viele Abhängige, so weiß Jürgen Graff, „leben sowieso im Ausnahmezustand“. Corona wirke da als „riesiger Verstärker“. Und das zu einer Zeit, wo auch für den Fachbereichsleiter Suchthilfe in der Diakonie und seine Mitarbeitenden die Arbeitsbedingungen erschwert sind.

Nur kurz war der Kontaktladen Café Koko in Troisdorf während des Frühjahrslockdowns geschlossen, seither blieben an der Poststraße in Troisdorf die Türen durchgehend offen, maximal 18 Klienten dürfen gleichzeitig da sein. Im Konsumraum sind höchstens zwei Personen gleichzeitig erlaubt. Graff ist froh, dass die Arbeit überhaupt geleistet werden kann: „Corona bringt Distanz mit sich“, dabei gehe es in der Suchthilfe doch darum, „Leute aus der Isolation rauszuholen“.

Viele hätten „sehr viel Angst“, berichtet Graff von der Gefühlslage der Besucher, die zur Beratung kommen. „Achtet auf euch“, ermahnen die Mitarbeitenden, geben Masken aus. „Sucht macht keine Pause“, sagt der Fachbereichsleiter. „Die Krankheit ist weiter da und muss behandelt werden.“

Geflüchtete

Vor verschlossenen Türen stehen seit dem Frühjahr haupt- und ehrenamtlich Tätige in der Flüchtlingsbetreuung in Siegburg: Die Stadtverwaltung hat für Dritten den Zugang zu den Häusern untersagt. „Nicht verständlich“ fand das Birgit Eisinger, Ehrenamtskoordinatorin beim Katholischen Verein für Soziale Dienste (SKM) für die Sommermonate, nun aber wohl nicht vermeidbar: Inzwischen gibt es auch in etlichen Unterkünften Coronafälle.

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Beratung bietet sie mit den Kolleginnen im Büro an der Kempstraße an, manchmal auch auf der Straße vor den Wohnheimen. Telefonische Kontakte leiden unter sprachlichen Schwierigkeit, vor allem die psychosoziale Betreuung fehle. „Für die Leute ist das alles schwieriger.“ Das sagt auch Michaela Teigelmeister, Fachbereichsleiterin bei der Diakonie. Die Situation „erschwert unsere Arbeit“, die dennoch weitergehe.

„Die Menschen finden Hilfe“, zu allen Bewohnern der Unterkunft am Siegdamm in Siegburg gebe es einen Kontakt, sei es telefonisch, sei es auf der Straße oder im „Zeitraum“ der Diakonie an der Siegburger Ringstraße. Erstaunlicherweise litten die Bewohner offenbar nicht so sehr wie erwartet unter der Situation. „Sie fühlen sich versorgt.“

Allgemeine Sozialberatung

Schlechter steht es um viele Ratsuchende in der Allgemeinen Sozialberatung der Diakonie, wie Teigelmeister weiß. Für die ist beispielsweise der Zugang zu Behörden wie Jobcenter oder Rathaus erschwert, „nicht jeder ist digital ausreichend ausgestattet“. Was auch für Schulkindern gelte. „Wir befürchten, dass sich langfristig Bildungschancen weiter verschlechtern.“ Vieles, betont Teigelmeister, „ist nicht sichtbar“.

Selbsthilfegruppen

Treffen der Selbsthilfegruppe mit Maske? Das geht, weiß Heike Trapphoff von der Kontaktstelle des Rhein-Sieg-Kreises in Troisdorf-Oberlar. Die Teilnehmer „sind so froh, dass sie sich treffen können“. Ausgenommen von den Kontaktbeschränkungen, halten vor allem die Gruppen für Suchtkranke oder Menschen mit Depressionen bislang trotz Corona an den Treffen fest.

Dabei kann der größte Gruppenraum derzeit nur acht Personen aufnehmen. „Da wird zum Teil verhandelt, wer kann kommen.“ Andere Gruppen versuchen auf bisweilen unkonventionellen Wegen im Kontakt zu bleiben, haben Grüße übers Radio geschickt oder Rundbriefe versandt.

Ungefähr 300 Selbsthilfegruppen werden von Trapphoff und ihren Kolleginnen betreut. „Wir wissen nicht, wie viele überlebt haben.“

Frauenzentrum

„Eher viele Beratungen“ leisten derzeit Ulla Hoefeler und die Kolleginnen im Frauenzentrum Troisdorf – telefonisch ebenso wie im persönlichen Gespräch. Dabei hat die Zahl der Frauen, die sich selbst wegen häuslicher Gewalt melden, zugenommen. Dass die Gesamtzahl der zuhause misshandelten Frauen steigt, kann Hoefeler aber nur vermuten, da es derzeit weniger Mitteilungen der Polizei an die Beratungsstelle gebe.

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Im Frauenzentrum melden sich mehr misshandelte Frauen bei Zuleydy Reyes Reyes, Ilka Labonté und Maren Diekmann (v.l.).

Auffällig war ein zeitweiliger Rückgang der Kontakte zu Beginn des ersten wie des zweiten Lockdowns: „Die Frauen hatten noch weniger Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen.“ Und „in der allgemein verunsichernden Zeit ist es noch einmal schwieriger, sich Beratung zu suchen, sich vielleicht zu trennen“.

Krebsberatung

Hochrisikopatienten sind die meisten Ratsuchenden in der Krebsberatung des Caritas-Verbands Rhein-Sieg. „Sehr sehr froh“ seien sie daher über die telefonische Beratung, weiß die Fachbereichsleiterin Kirsten Liebmann. Aufgrund der fragilen Gesundheit seien sie „viel allein zu Hause“, das Gespräch für viele einer der wenigen Termine in der Woche.

Komplett ausgesetzt sind hingegen die Treffen der Gruppen. Statt Chorprobe gab es Begegnungen über Zoom, anstrengend für Menschen, „die ohnehin schnell erschöpft sind“. Und auch in der Betreuung der Malgruppe stoßen technische Möglichkeiten an ihre Grenzen: Denn, sagt Kirsten Liebmann: „Malen über Zoom ist absurd.“

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