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Köln MarathonDer Jubel trug Holger Otto ins Ziel

Lesezeit 3 Minuten

Holger Otto beim Training mit der Rahm-Betriebssportgruppe

Lohmar/Köln – Bei Kilometer 30 begann die Durststrecke. Es regnete, die Umgebung außerhalb der Stadt war trist und nicht geeignet, den Marathonläufer aufzuheitern. „Das waren schon richtige Hammerkilometer“, erinnert sich Holger Otto an den vergangenen Sonntag. Sein erster Marathon.

Er hatte sich gut vorbereitet, doch auf eine wirklich lange Trainingszeit konnte er genau genommen nicht zurückblicken: Erst im Frühjahr hatte er so richtig losgelegt. Und da war noch ein Detail, das den sportlichen Gewaltakt erschwerte: Holger Otto ist auf der rechten Seite unterschenkelamputiert. Der Lohmarer läuft Marathon mit Prothese. Viermal wurden die Schmerzen im Unterschenkel-Stumpf so stark, dass Otto anhalten musste. Das Vakuum, das die Prothese braucht, um sicher am Bein zu haften, war zu stark geworden.

Der 45-Jährige entfernte den Liner, eine Art silikonbehafteter Strumpf, der für festen Sitz sorgt, und brachte die Prothese neu an. „Dabei geht viel Zeit verloren – ein Handicap, das zu meiner Amputation hinzu kommt.“

Durchhänger und technische Probleme – Zähigkeit war gefragt. Doch als der 45-Jährige, der mit Unterstützung der Betriebssportgruppe von Rahm ins Rennen gegangen war, in Richtung Innenstadt einbog, zogen Tempo und Stimmung wieder an. „Auf der Hohe Straße hat uns die Menge getragen“, schwärmt Otto. Der Jubel verlieh Flügel, und als Otto die Ziellinie passierte, konnten er es gar nicht recht fassen. „Sind wir da?“, fragte er seine Kollegen eins ums andere Mal. Doch als ihm helfende Hände eine Schutzfolie gegen das Auskühlen umhängten, konnte schließlich auch er begreifen: Es war geschafft!

42,195 Kilometer in vier Stunden, 18 Minuten und 48 Sekunden – das kam sogar der Vorgabe von vier Stunden und 15 Minuten nah. Wie es dann weiterging? Eigentlich unspektakulär, räumt Otto ein: Mit den Kollegen und seiner Frau trank er schnell ein Kölsch, dann ging es nach Hause: erst mal duschen! „Es hat mich motiviert, als ich bei den Paralympics Sportler wie Oskar Pistorius gesehen habe, die diese unglaublichen Leistungen bringen.“ Nur die Langstrecke hatten sich die gehandicapten Sportler noch nicht angeeignet.

Wie eine Medaille hält der 45-Jährige seine maßgeschneiderte Prothese in der Hand. In diesem Frühjahr erfuhr er, dass es eine Gummisohle für die C-Feder gibt. „Die Sohle ermöglicht es, auf Asphalt zu laufen“, erklärt er. Erst diese Neuentwicklung gab ihm die nötige Sicherheit, sich für den Marathon anzumelden.

Ein schwerer Motorradunfall im Alter von 16 Jahren zertrümmerte Ottos rechten Fuß und Unterschenkel. Nach etlichen Operationen stand er wieder auf den Beinen. Doch über die Jahre verschlechterte sich der Zustand des notdürftig geretteten Körperteils. Immer wieder Entzündungen, Medikamente, Krankenhausaufenthalte. Zuletzt funktionierte die Blutversorgung nur noch über einen Bypass zur Beinvene. Irgendwann sei ihm dann klar gewesen: Er muss sich von dem Unterschenkel trennen. Zumal er als Geschäftsführer des Hotels „Naafs-Häuschen“ darauf angewiesen ist, selten auszufallen.

Im Frühjahr 2009 die Amputation – und kurz darauf begann er zu laufen. Mit Prothese. „Am Anfang war ich nach 100 Metern platt.“ Doch dann setzte ein, was der Vater von zwei Kindern „die Eskalation des Ehrgeizes“ nennt: Nach knapp einem Jahr schaffte er schon zehn Kilometer in 54 Minuten. Als Ansporn diente ihm die Erkenntnis, dass Amputierte, die ihre Prothese intensiv nutzen und sich mit ihr befassen, sehr viel weniger unter Phantomschmerz leiden. „Der war bei mir dann auch kein Thema“, blickt Otto zurück. Er arbeitet jetzt mit den Prothesenherstellern zusammen, um die Entwicklung weiter voranzutreiben.

„Soweit ich weiß, war ich der einzige Läufer mit Beinprothese“, überlegt Otto. „Bitte schreiben Sie in den Artikel: Wenn noch andere dabei waren, sollen sie sich melden – zum Erfahrungsaustausch!“ Hier die Adresse:

www.dimensionen-querdenken.de