Auf der Friedhofswiese in Lohmar-Birk soll geförderter Wohnraum entstehen. Anwohnende halten dies für den falschen Ort, die Stadt sieht das anders.
Sozialer WohnungsbauAnwohnende aus Lohmar-Birk sind gegen Bebauung der Friedhofswiese

Die Friedhofswiese soll erhalten werden, sagen Anwohner, darunter Patrik Lehmann.
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Für Lohmar-Birk gibt es große Pläne. Neuer Wohnraum soll entstehen, nicht nur im Ortskern zwischen Bürgerhaus und Kirche. Auch auf der Friedhofswiese sollen auf etwa 2000 Quadratmetern 21 sozial geförderte Wohneinheiten gebaut werden. Eine Gruppe aus der Nachbarschaft ist dagegen. Ende Mai hat sie dem Sonderausschuss Birk 70 Unterschriften gegen die Bebauung der Friedhofswiese vorgelegt.
Generell seien sie ganz klar für sozialen Wohnungsbau, betont die Initiative, jedoch sei die Friedhofswiese der falsche Ort. „Warum integriert man die Sozialwohnungen nicht in das andere Baugebiet? Die isoliert man ja, die Leute“, sagt Horst Tamke, der direkt neben dem Friedhof lebt.
Dichte Bebauung: Birker Anwohnende befürchten Verlust des dörflichen Charakters
Einige Nachbarn, die außerhalb des betreffenden Straßenzuges leben, hätten vor der Unterschriftensammlung nichts von dem Bauvorhaben gewusst, sagt Tamke: „Die haben gedacht, dass das hier so einen Park, einen generationenübergreifenden Treffpunkt gibt, mit Bänken und so weiter – aber nicht, dass dieser schöne Fleck dreigeschossig zugebaut werden soll.“

Eine Gruppe aus der Birker Nachbarschaft hat 70 Unterschriften gegen die geplante Bebauung gesammelt - unter anderem wollen sie die schattenspendenden Bäume neben der Straße „Zum Hasenberg“ erhalten.
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Birk bestehe primär aus Ein- und Zweifamilienhäusern, der dreigeschossige Bau passe nicht ins Ortsbild, kritisieren die Initiatoren. Vor einem Grab zu stehen und dabei auf ein massives Gebäude zu schauen anstatt auf eine grüne Wiese, sei auch keine schöne Perspektive. „Das wird schon sehr eng werden – und wo wollen sie dann noch die benötigten Stellplätze hinmachen?“, argumentiert Elke Hefrath, die ebenfalls in der Nachbarschaft lebt.
Preisgebundener Mietwohnungsbau fehlt in Birk, und wenn die öffentliche Hand dies steuern kann, soll er nicht an den Rand, sondern in die Ortsmitte.
Aus Sicht der Verwaltung und der Ratsmehrheit sei die Bebauungsfläche keineswegs isoliert, teilt die Stadt Lohmar mit: „Preisgebundener Mietwohnungsbau fehlt in Birk, und wenn die öffentliche Hand dies steuern kann, soll er nicht an den Rand, sondern in die Ortsmitte.“ Die Fläche eigne sich durch Anbindung an Einzelhandel, Nahverkehr, Kirche und Bürgerzentrum. Auf dem Gelände seien 25 Stellplätze eingeplant, genug für alle Wohneinheiten. Die verdichtete Bebauung sei notwendig, da das Ziel einer maximalen Kaltmiete von 7,25 Euro (Förderbedingung der NRW-Bank) anders nicht zu erreichen wäre.

Entwürfe für die Bebauung der Birker Ortsmitte: Hier entstehen frei finanzierte Wohnungen, dazu bedarf es sozial gefördertem Wohnungsbau.
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Die von der Nachbarschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme vorgeschlagene Alternativfläche am Ortsrand neben der neu gebauten Grundschule werde für den Bau eines Alten- und Pflegeheims reserviert, teilt die Stadt Lohmar weiter mit. Das sei in gemeinsamen Zukunftswerkstätten mit Bürgerinnen und Bürgern besprochen und begrüßt worden. Die Nachbarn der Friedhofswiese sehen das anders: Für ein Pflegeheim sei diese Fläche viel zu groß.
Für den geplanten Neubau müssten außerdem einige Bäume gefällt werden, „unter anderem vier Bäume mit über einem Meter Durchmesser – das heißt, die sind über 100 Jahre alt“, sagt Christian Fechtner. „Das hier soll eine grüne Lunge bleiben, im Sinne des Umweltschutz“, ergänzt Horst Tamke. 1997 seien nach starkem Regen einige Keller in Birk überflutet worden, „und wenn man diese Versickerungsfläche hier auch noch wegnimmt, werden auch die Mehrzweckhalle und das Bürgerzentrum irgendwann voller Wasser laufen, das ist nur eine Frage der Zeit“.
Biodiversität und Hitzeschutz: Gefällte Bäume sollen ersetzt werden
Tatsächlich weise die Fläche, insbesondere nach langen Trockenperioden, eine schlechte Versickerungsfähigkeit auf, teilt die Stadt Lohmar mit. In die geplanten Neubauten sei ein Entwässerungskonzept eingeplant, das die Wasseraufnahme im Vergleich zur aktuellen Situation verbessern solle. Neben dem Bau einer Rigolenversickerung sollen auch die Oberflächen des Parkraumes zum Rückhalt von Regenwasser genutzt werden.
Das hier soll eine grüne Lunge bleiben
Mit seinem Sohn Alexander Tamke engagiert sich Horst Tamke für den Nabu, 26 Nistkästen haben beide rund um die Friedhofswiese aufgehängt. Da er die Kästen regelmäßig beobachte und reinige, wisse er sicher, dass diese auch bewohnt seien, auch wenn ein städtisches Gutachten anderes ergeben habe. „Kohlmeisen, Blaumeisen, Buntspechte, sogar Schwanzmeisen, wir haben hier seltene Vogelarten“, sagt Tamke. Die Stadt habe geäußert, gefällte Bäume werde man durch neue ersetzen, so Tamke. „Aber bis diese auch Lebensräume für Vögel sein können, das dauert.“

Horst Tamke (l.) und Alexander Tamke (r.) sorgen sich um wegfallenden Lebensraum für Vögel und Insekten.
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Die Straße Zum Hasenberg sei wegen der hochgewachsenen Bäume aktuell die schattigste Straße in Birk, sagt Horst Tamke: „Ich kenne viele, die im Sommer hier noch ein Schwätzchen halten und sich ausruhen.“ Auch das würde durch den Neubau verloren gehen – problematisch im Zusammenhang mit heißer werdenden Sommern, so Tamke.
Wie viele Bäume gefällt werden müssen, sei aktuell noch unklar; unter anderem eine große Eiche solle aber nach neuen Beschlüssen erhalten bleiben, so die Stadt Lohmar. Einige Bäume und Sträucher werden dagegen weichen müssen, insbesondere an der Ecke Im Dellchen/ Zum Hasenberg. Die Flächen zwischen Gebäude und Straße sollen neu bepflanzt, Lebensraum für Insekten und Vögel soll geschaffen werden.

Die hochgewachsenen Bäume seien als Lebensraum nicht leicht zu ersetzen, sagt Horst Tamke. Vögel nisten in selbst aufgehängten Brutkästen.
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„Auch wenn der Verlust einer gewohnten Grünfläche immer schade ist, so ist doch darauf hinzuweisen, dass in den für die Bürger*innen offenen Zukunftswerkstätten seit 2020 diese Fläche auch für Wohnen vorgesehen war“, so die Stadtverwaltung. Sie verweist auf ein anerkanntes Ziel der Städteplanung, Innenraumverdichtung der Bebauung von Wiesen außerhalb der Stadt vorzuziehen.
Hubert Müller, der sich mit der Interessensgemeinschaft „L(i)ebenswertes Birk“ schon seit 2021 für den Erhalt des dörflichen Charakters trotz neuer Bebauungspläne einsetzt, befürchtet durch diese Verdichtung den Wegfall sozialer Begegnungsmöglichkeiten. In den Zukunftswerkstätten der Stadt habe er sich mit seinen Bedenken und Anregungen nicht gehört gefühlt, äußert der Birker enttäuscht.
Eine Begegnungsstätte solle in und vor dem denkmalgeschützten Teil der Alten Schule entstehen, sagt die Stadt Lohmar. Auch das Bürgerzentrum biete Räume für die Gemeinschaft: „Es war immer ausdrücklicher Wunsch der Birkerinnen und Birker, Wohnraum zu schaffen, um auch im Alter in den eigenen vier Wänden in Birk wohnen bleiben zu können – ohne ein Eigenheim mit großem Garten pflegen zu müssen.“ Auch junge Menschen erhielten neue Chancen für bezahlbaren Wohnraum.
Für den Bau liegt bisher noch keine Zeitplanung vor, mit einem detaillierten Bauantrag rechnet die Stadt nicht vor dem nächsten Jahr. Der Förderantrag für den preisgebundenen Mietwohnungsbau müsse noch durch den Kreis genehmigt, das Energiekonzept noch mit der Rhenag abgestimmt werden. Mit dem Bau könnte also frühestens im zweiten Halbjahr 2026, eher im Jahr 2027, begonnen werden.