Bagrat und seine Familie sollen nach Georgien abgeschoben werden. Es drohe keine Verfolgung, ist die Begründung für das abgelehnte Asyl.
Abschiebung drohtUnterstützung für schwerbehinderten Jungen – Bagrats Familie soll in Lohmar bleiben

Merab Sharia und sein Sohn Bagrat wollen in Deutschland bleiben.
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Immer mehr Menschen setzen sich dafür ein, dass der schwerstbehinderte zwölfjährige Junge Bagrat mit Vater und Mutter in Deutschland bleiben kann.
Wie berichtet, hatte das Bundesamt für Migration einen Asylantrag der georgischen Familie abgelehnt, sodass die drei jetzt mit einer Abschiebung rechnen müssen. Die Mutter hatte gegenüber der Hilfsorganisation Seebrücke geschildert, seitens der Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises sei ihr gedroht worden, die Abschiebung könne jederzeit stattfinden, sogar nachts.
Familie erhält Unterstützung vom Landtagsabgeordneten
Laut Seebrücke startetet ein Bekannter der Familie eine Online-Petition „Bagrat und seine Familie müssen bleiben“. Rund 700 Unterschriften kamen in kurzer Zeit bereits zusammen, nötig sind 1500, um das Sammelziel zu erreichen und von den beteiligten Behörden Stellungnahmen anzufordern.
Unterstützung kommt auch von Sascha Lienesch: Der CDU-Landtagsabgeordnete schildert, dass nach einem Bericht in dieser Zeitung rund 20 Mails bei ihm eingingen, mit dem Appell, sich der Angelegenheit anzunehmen. Lienesch weist folgenden Weg auf: Befasst werden müsse die Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen, zudem eine Petition beim Petitionsausschuss des Landtags auf den Weg gebracht werden.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Sascha Lienesch setzt sich für die Familie ein.
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„Es gibt einige Punkte, wo man bestimmt sagen kann, der darf doch bleiben“, sagt der Abgeordnete im Gespräch. „Antrag und Petition könnten sich gegenseitig ergänzen.“ Gegebenenfalls würde dann die Härtefallkommission eine Empfehlung aussprechen, die dem Ausländeramt als Rechtsgrundlage dienen würde. „Das könnte eine Chance ergeben, aber keine Garantie.“ Lienesch, der Mitglied des Petitionsausschusses ist, würde zudem beantragen, Berichterstatter für die Eingabe zu werden. „Ich würde das Bleiberecht für die Familie befürworten“, sagt er.
Bagrat ist schwerstmehrfachbehindert, blind und auch körperlich stark eingeschränkt – und ein lebhafter, freundlicher Junge, der sich in der Geflüchtetenunterkunft in Lohmar freut, wenn Besuch kommt. Die Eltern bewirten Gäste in der großen Gemeinschaftsküche der Unterkunft mit Gebäck und köstlichem, nach georgischer Art in einer kleinen Kanne auf dem Herd gebrühten Kaffee.
Familie ist dankbar für die Hilfe in Deutschland
Seit seiner Ankunft in Deutschland vor zwei Jahren und durch den Unterricht an einer Förderschule sei der Junge regelrecht aufgelebt, tanze mit Unterstützung zu Musik und singe mit, erzählen die Eltern. Solche Möglichkeiten wie in Deutschland gebe es in Georgien nicht. „Wir tun alles für unseren Jungen“, so die Mutter. Übersetzt bedeutet sein Vorname Bagrat Geschenk Gottes.
Zurück nach Georgien zu fliegen, sei keine Option. Derzeit müsse Bagrat wegen Problemen mit der Blase einen Katheter tragen. „Wir sind dankbar für die Hilfe, die wir in Deutschland bekommen“, betont die Mutter. Die Familie stammt aus Abchasien, wo sie in ständiger Angst vor einem Einmarsch russischer Truppen gelebt habe.

Im Falle eines abgelehnten Asylantrags droht die Abschiebung durch die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises.
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Als Asylgrund reichte all das dem Bundesamt für Migration (BAMF) nicht. Nach derzeitigem Stand muss die Familie bis zum 1. November zurück nach Georgien. Die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises nimmt auf Anfrage der Redaktion Stellung: „Es ist zutreffend, dass im Rahmen von Ausreisegesprächen nach negativem Ende des Asylverfahrens der Hinweis darauf erfolgt, dass mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gerechnet werden müsse, sofern eine freiwillige Ausreise nicht erfolgt.“
Dieser Hinweis – von der Mutter Bagrats als Drohung empfunden – sei erfolgt, da die Familie seit dem 7. Juni ausreisepflichtig sei. Beim Sozialamt der Stadt Lohmar habe die Familie erklärt, wegen der Erkrankung des Sohnes in Deutschland bleiben zu wollen und eine Rückkehrberatung abzulehnen.
Ausländerbehörde sieht sich an BAMF-Entscheidung gebunden
Die Ausländerbehörde sei an die Entscheidungen des BAMF gebunden und habe diese umzusetzen, heißt es weiter in der Stellungnahme des Rhein-Sieg-Kreises. „Im vorliegenden Fall hat das BAMF den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt“, eine Klage beim Verwaltungsgericht Köln sei abgewiesen, eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen worden. „Bei Rückkehr nach Georgien haben die Antragsteller keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat zu befürchten.“
Abschiebungsverbote seien ebenso gerichtlich abgelehnt worden. „Insgesamt stellen die humanitären Bedingungen in Georgien keine Verletzung von Art. 3 EMRK dar.“ Der erwähnte Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention besagt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.
Auch drohe den Antragstellern „keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes“ führen würde. Die medizinische Versorgung sei „für alle georgischen Staatsangehörigen flächendeckend durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder je nach sozialer Lage kostenlos oder mit geringen Zuzahlungen gewährleistet“.
Alle Arten von Medikamenten seien über mehrere große Apothekenketten erhältlich. Die medizinische Versorgung im Heimatland sei mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertig – was Bagrats Eltern vehement bestreiten.
Zur Begründung der Online-Petition verweist der Petent hingegen auf Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention: „Das Wohl des Kindes ist vorrangig zu berücksichtigen.“ Bei einem Kind mit schwerer Behinderung sei dieses „eng verknüpft mit medizinischer Versorgung, therapeutischer Unterstützung, emotionaler Stabilität und vertrauter Umgebung“. Die Petition solle Gesellschaft und Politik daran erinnern, dass Inklusion nicht an Grenzen enden dürfe. „Sie ist kein Privileg, sondern ein Menschenrecht.“