Lohmarer InstitutionNaturschule erhält in Saatbibliothek alte Pflanzensorten

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Auch in der Naturschule werden Sigrun Jungwirth (links) und Anne Rosenthal alte Sorten aussäen und Saatgut gewinnen.

Lohmar – Die Bestände dieser außergewöhnlichen Bibliothek lagern nicht in Regalen, sondern in einer Klarsichtbox, wie sie ein schwedisches Möbelhaus verkauft. Und an die Stelle von Buchrücken und Umschlag treten kleine Tütchen aus braunem Papier: In der Saatbibliothek der Naturschule Aggerbogen wird nicht der Lesehunger gestillt. Stattdessen geht es um den Erhalt alter Pflanzensorten.

Den Anstoß für das Projekt bekam Sigrun Jungwirth, Umweltbeauftragte der Stadt Lohmar und Leiterin der Naturschule, aus einem Fernsehbeitrag. Ihr Gedanke: „Können wir nicht auch so was ausprobieren?“ Sie beriet sich mit der Naturpädagogin Anne Rosenthal, regelmäßige Dozentin an der Naturschule und begeisterte Gärtnerin. Sie konnten.

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Bunte Erbsen gehören ebenso zu den außergewöhnlichen Sorten in der Saatgutbibliothek wie der Erdbeermais.

Die Bergische Garten-Arche in Nümbrecht stellte einen ersten Grundstock an Saatgut zur Verfügung, pünktlich zur Gartensaison ging das Projekt an den Start. Wie man Samen „ausleihen“ kann? Gar nicht, ist auch den Initiatorinnen klar.

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„Man muss Saatgut nicht kaufen“

„Unser Hauptanliegen ist es, bewusst zu machen, dass man Saatgut nicht kaufen muss“, sagt Anne Rosenthal. Im Gegenteil, seien doch die Tütchen aus dem Bau- oder Gartenmarkt meist mit Hybriden gefüllt, die man nicht vermehren könne. Zudem seien sie, anders als alte lokale Sorten, oft auf „geimpften“ Boden mit Dünger angewiesen. Für Sigrun Wirth geht es zudem auch um Biodiversität, eine Vielfalt an Arten, die verloren zu gehen droht.

Saatgut in Troisdorf

Anfang der 1990er Jahre gegründet

Seit Anfang der 90er Jahre gibt es die Naturschule Aggerbogen bei Lohmar-Wahlscheid, Am Aggerbogen 1. Vor allem Kitagruppen und Schulklassen sollen hier die Natur kennenlernen und ein Bewusstsein bekommen „für die kleinen Wunder am Wegesrand“.

Dazu bietet das Team um die Leiterin Sigrun Jungwirth viele Exkursionen an, die teilweise jahreszeitliche Themen haben, aber auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und Klimafolgen zum Inhalt haben.

Darüber hinaus gibt es immer wieder Kurse wie Bogenschießen, Geocaching oder Orientierung bei Nacht und Ferienprogramme mit unterschiedlichsten Schwerpunkten. (dk) 

Saatgut auch aus der Stadtbibliothek Troisdorf

Die Stadtbibliothek Troisdorf bietet die Möglichkeit, Saatgut für den eigenen Garten zu bekommen. Nutzer und Nutzerinnen sind angehalten, nicht nur Früchte und Gemüse zu ernten, sondern auch Samen, und diese wiederum der Bibliothek zur Verfügung zu stellen. Das Angebot ist Teil eines bundesweiten Projekts in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN).

Damit die Samenernte klappt, gibt es in der Stadtbibliothek leicht zu vermehrende Arten wie Tomaten, Bohnen, Erbsen, Salat und Gartenmelde. „Alle Sorten sind samenfest und frei von geistigen Eigentumsrechten“, teilen die Organisatoren mit. Interessierte können zudem einen Newsletter abonnieren, der sie durch das Gartenjahr begleitet, in der Bücherei gibt es ein Themenregal mit passender Literatur. (dk)

Die Idee stößt auf Interesse: Schon haben die ersten Nutzer den Weg in die Naturschule bei Wahlscheid gefunden, haben Saatgut mitgenommen und zugesagt, selbst Samen zu ernten und wieder für die Bibliothek abzugeben. „Ein bisschen Gartenerfahrung“ solle man für die alten Sorten mitbringen, haben die Experten von der Garten-Arche empfohlen. „Ansonsten kann es jeder versuchen“, so Jungwirth, „der bereit ist, es auszuprobieren.“

Eine Kurzanleitung zu Aussaat, Pflege und Samenernte klebt auf jedem Tütchen: Bei den ungefüllten Wildrosen stecken die Samenkörnchen in den Hagebutten, beim Schnittmangold ist erst im zweiten Jahr eine Ernte aus den sehr hohen Samenständen möglich, bei der dekorativen Lampionblume muss man die Früchte aufschneiden und die Samen trocknen.

Umweltbeauftragte möchte Gärtnerinnen und Gärtner vernetzen

Mit der Aufnahme von Namen und Kontaktdaten möchte die Umweltbeauftragte zudem eine Möglichkeit schaffen, dass Gärtnerinnen und Gärtner ihre Erfahrungen teilen. Mahngebühren für verspätete oder gar nicht erfolgte Rückgabe sind in dem Konzept übrigens nicht vorgesehen.

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Etwa 20 Sorten stehen derzeit zur Verfügung, Busch-, Puff- und Stangenbohnen sind dabei, der farbenprächtige Erdbeermais ebenso wie Grüne Melde, die wie Salat oder auch Spinat zubereitet werden kann. „Ein kleiner Start, der größer werden kann“, hofft Sigrun Jungwirth.

In der Tat hat auch schon jemand ein Tütchen mit Saatgut für Wilde Möhre vorbeigebracht. Und vielleicht findet sich auch noch ein Spender für alte Tomatensorten. Denn die fehlen noch in dieser besonderen Bibliothek.

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