JugendprozessSiegburger Intensivtäter beschäftigt Polizei, Jugendamt und Justiz

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Handschellen liegen auf einem Stuhl.

Selbst in Handschellen leistete der junge Intensivtäter Widerstand. Das Jugendschöffengericht schickte der 19-Jährigen erneut in Haft. (Symbolbild)

Ein 19-Jähriger aus Siegburg hat bereits zweieinhalb Jahre gesessen, nun schickte das Jugendschöffengericht den Intensivtäter erneut in Haft.

Ist ein 19-Jähriger aus Siegburg ein hoffnungsloser Fall? Der junge Mann beschäftigt seit Jahren das Jugendamt, die Polizei und die Justiz. Ratlosigkeit und Kopfschütteln prägten die jüngste Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht. Nach fünf Stunden fiel das Urteil: Der Angeklagte, der erstmals im Alter von 16 Jahren ins Gefängnis kam, muss wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung wieder hinter Gitter.

Mit einem Komplizen hatte er im November 2022 eine junge Frau misshandelt, sie wurde unter anderem eine Kellertreppe hinuntergestoßen, an den Haaren gerissen und bestohlen. Im Februar 2023 der nächste Vorfall: Seine Schwester rief die Polizei, weil sie offenbar Angst vor ihrem Bruder hatte, der die elterliche Wohnung aufgrund von Gewaltdelikten nicht mehr betreten durfte.

Das ist ja lächerlich
19-Jähriger Angeklagter in der Hauptverhandlung zur Mitarbeiterin des Siegburger Jugendamtes

Zudem lag gegen ihn ein Haftbefehl vor: Er hatte wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstoßen und die Ladung zum Haftantritt ignoriert. Bei der Festnahme widersetzte er sich trotz der Handfesseln, so dass eine junge Polizistin Prellungen und Hämatome erlitt. Zudem rief er um Hilfe, weil er angeblich keine Luft bekam und zu ersticken drohte. Seine Behauptung, dass die Beamten auf seinem Hals gekniet hatten, wurde aber durch Videoaufnahmen widerlegt.

Während des Prozesses wirkte der Angeklagte teils unbeteiligt, zeitweise grinste er, kommentierte sichtlich ungehalten die Ausführungen der Jugendamtsmitarbeiterin mit: „Das ist ja lächerlich.“ Diese zeichnete ein düsteres Bild: Immer wieder habe sie dem jungen Mann Chancen eröffnet, die er allesamt ausgeschlagen habe. 

Siegburger will wegen Platzangst die Schule geschwänzt haben

Die  Abendrealschule schwänzte er, bis er rausflog. Begründung: Er könne sich nicht in geschlossenen Räumen aufhalten. Zum ersten  Berufsvorbereitungskurs erschien er genauso wenig wie zum zweiten, der auf Bitten des Jugendamtes ausnahmsweise bewilligt worden war. Die Drogenscreenings (eine Bewährungsauflage), die für  ihn sogar kostenlos gewesen wären, machte er nicht.

Termine mit Bewährungshilfe, Führungsaufsicht und Justiz ließ er unentschuldigt platzen, tischte nicht nur einmal Lügen auf. Einen Job bei einem Krankentransport verlor er nach drei Wochen wieder, angeblich, weil seine Dienstkleidung in der elterlichen Wohnung lag und das Schloss ausgetauscht worden war, sodass er keinen Zutritt hatte.     

Er nutzt das System aus
Leiter der Jugendarrestanstalt über den Häftling aus Siegburg

Der Vorsitzende Richter Ulrich Feyerabend las sowohl aus den früheren Gerichtsurteilen vor als auch aus der Beurteilung, verfasst vom Leiter der Jugendarrestanstalt. Demnach gebe sich der Siegburger zwar vordergründig freundlich und bemüht, verhalte sich aber in Konfliktsituationen anmaßend und manipulativ, habe kein Schuldbewusstsein, sei übergriffig und höhnisch, übe Druck aus und versuche, Mitleid zu erwecken: „Er nutzt das System aus.“

Der damals 18-Jährige schrieb aus der Haft Gnadengesuche an das Gericht, bettelte darin um vorzeitige Entlassung. Er wolle ein Teil der Gesellschaft sein, eine Ausbildung machen, habe seine innere Ruhe gefunden, die Zeit hinter Gittern bringe ihm nun nichts mehr. Er sei verzweifelt. Seine Mutter esse aus Kummer nichts mehr.

Junger Siegburger Häftling bot sich als V-Mann an

Er biete sich zudem als V-Mann an, habe Kontakte in kriminelle Kreise, die ihm vertrauten, könne für die Polizei wichtige Informationen besorgen. Als Beleg nannte er zahlreiche Namen und deren Verwicklung in illegale Geschäfte, Drogen, Prostitution, Geldwäsche, Automatensprengungen, Waffenhandel. 

„Ist das überhaupt weitergeleitet worden?“, fragte der Angeklagte den Richter. „Ich glaube nicht“, erwiderte Feyerabend trocken. Letztlich verbüßte der Siegburger die vollen zweieinhalb Jahre bis Ende September 2023. Sein Wunsch, nie wieder in Haft zu kommen, erfüllt sich nicht.

Das Jugendschöffengericht verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, er muss 350 Euro Schmerzensgeld an die Polizistin zahlen, die protokollierte Verletzung des Kollegen sei nicht durch ein Attest belegt, hieß es. Der Angeklagte hatte sich in der Hauptverhandlung an die beiden Beamten auf den Zuschauerplätzen gewandt, die den Prozess verfolgten. Noch bevor er zu einer Entschuldigung anheben konnten, schüttelten die Einsatzkräfte den Kopf: „Das können Sie sich sparen, wir nehmen das nicht an.“

Der Vorsitzende Richter kritisierte in seiner Urteilsbegründung die provokante Haltung des Angeklagten. Für eine Bewährung fehle die positive Sozialprognose, sagte Ulrich Feyerabend: „Wir wissen nicht, wo wir die Hoffnung hernehmen sollen.“

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