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Friedemann Immer aus NiederkasselEin Pionier an der Barocktrompete

Lesezeit 3 Minuten

Niederkassel – Friedemann Immer sitzt im Keller auf einem Musikhocker, in der Hand eine schmale Barocktrompete. Er spannt Lippen und Bauch an und bläst in des Instrument. Für die Barocktrompete muss man fit sein, täglich üben. Denn sie verlangt viel von dem, der dieses Instrument spielt. Die Barocktrompete hat keine Ventile, die Töne entstehen durch unterschiedliche Lippenspannungen. „Dadurch hat die Barocktrompete einen ganz anderen Klang als die normale Trompete“, findet Immer. Ausgerechnet diesem eigenwilligen Instrument hat sich der 66-Jährige verschrieben.

Mit sieben Jahren trompetete Immer zum ersten Mal. In seinem Elternhaus wurde oft musiziert und gesungen, häufig klassische protestantische Kirchenmusik. Die ersten Konzertauftritte hatte er bereits mit 17 Jahren. Mit Ende 20 dann kaufte sich Friedemann Immer seine erste Barocktrompete. „Anfangs kam ich mit dem Instrument überhaupt nicht klar“, erinnert er sich.

Das Spielen hat er sich im Laufe der Zeit selbst beigebracht, weil es kaum Lehrer gab. „Zu dieser Zeit gab es etwa eine Hand voll Leute, die überhaupt Barocktrompete gespielt haben“, sagt er. „Dieser Pioniergeist hat mich unheimlich fasziniert.“

Das Musizieren begeisterte ihn schließlich mehr als sein Mathematik- und Physikstudium. Das gab er zugunsten eines Trompetenstudiums auf, als er die ersten Erfolge als freier Musiker hatte. Doch sein Interesse für die Naturwissenschaften hilft ihm bis heute, wenn er analysiert, wie die alten Instrumente gebaut wurden. Mit einem Trompetenbauer entwickelt Immer nun eigene Modelle.

Er rekonstruiert nicht nur die Instrumente, sondern auch die Kompositionen der alten Meister. Das Arbeitszimmer in seinem Niederkasseler Haus ist vollgestopft mit Kopien alter Barockstücke, mit Aktenordnern und Musikbüchern.

Der Barockexperte lässt sich Notenmaterial aus Bibliotheken in ganz Deutschland schicken. „Das ist fast die Arbeit eines Kriminalisten“, sagt er. „Wenn man alte Musik macht, steht nur sehr wenig in den Noten.“

Oft bekomme er unvollständige oder unleserlich gekritzelte Noten. Deshalb müsse man sich lange damit beschäftigen, viel gelesen und gespielt haben, um aufzudecken, wie das Stück früher gespielt wurde. Die fertigen Partituren gibt der Experte dann als Notenbände heraus. „Im Extremfall hat so ein Stück 300 Jahre lang keiner gehört“, sagt er.

Immer hat mit führenden Komponisten zusammengearbeitet, viele Radio- und Fernsehproduktionen erarbeitet. Er tritt mit dem von ihm gegründeten „Trompeten Consort“ in der ganzen Welt auf. Und obwohl er bereits pensioniert ist, unterrichtet er weiter an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln.

Auch politisch aktiv

Selbstständig denkende Musiker wolle er ausbilden, sagt er. Und Freude an der Forschung vermitteln. Darüber hinaus engagiert er sich politisch, ist in Niederkassel in der SPD aktiv. Er will die Inklusion von Menschen mit Behinderung voranbringen und hat dazu einen Arbeitskreis gegründet. Zudem plant er ein Projekt zur musikalischen Früherziehung von Flüchtlingskindern.

Friedemann Immer ist in vielen Bereichen aktiv. Den Mittelpunkt seiner Arbeit bildet aber die Barocktrompete. Das zeigt sich schon am Eingang des Hauses, in dem er mit seiner Frau und seinen Kindern lebt: Dort steht ein Gartenzwerg.

Eigentlich mag er Gartenzwerge nicht, sie sind ihm zu spießig. Aber diesen den findet er lustig. Schließlich hält er eine Trompete in der Hand.