BundestagswahlWie weiter in der Corona-Pandemie? Die Rhein-Sieg-Kandidaten antworten

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Troisdorf_FG-Zone_Maskenpflicht

Die Maskenpflicht galt während der Pandemie zeitweise auch in Fußgängerzonen, inzwischen ist sie auf Innenräume beschränkt.

Rhein-Sieg-Kreis – Die Fragen

Schon mehr als anderthalb Jahre mit Corona: Wird es wieder einmal ein Leben geben ohne Maske und Impfen? Was muss dafür getan werden?

 2. Impfmüdigkeit stellt sich ein, eine Spaltung der Gesellschaft ist nicht mehr unwahrscheinlich – wie kann diese verhindert werden?

Darf der Staat die Menschen zum Impfen zwingen?

Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU

1.  Es ist zunächst ein großer Erfolg, dass über 50 Millionen Menschen und über drei Viertel der Erwachsenen vollständig geimpft sind. Das ermöglicht uns schon ein großes Maß an Normalisierung.

Wir müssen mit guter und gezielter Ansprache diejenigen überzeugen, die unbegründete Vorbehalte und Ängste gegenüber einer Impfung haben oder sogar böse Absichten bei Staat oder Hintermännern vermuten, oder diejenigen, die schlicht noch nicht festgelegt sind, erstmal abwarten wollen oder noch keine Zeit für Arzttermine gefunden haben. Denen müssen wir unkomplizierte Angebote ohne Termin anbieten, zum Beispiel auf Parkplätzen vor Supermärkten. Die Ständige Impfkommission hat jetzt auch die Impfung von Kindern ab dem zwölften Lebensjahr empfohlen, und ich hoffe, dass viele Jugendliche sich mit ihren Eltern dafür entscheiden.

2. Jeder ist aufgefordert, in seinem Umfeld dafür zu werben, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen und unberechtigten Sorgen oder absurden Verschwörungstheorien entgegenzutreten. Auch die Medien sollten hier ihre Verantwortung wahrnehmen.

3.  Eine Corona-Impfpflicht wird es nicht geben; sie würde gerade zu der befürchteten Eskalation und Spaltung der Gesellschaft führen und wäre auch grundrechtlich problematisch. Sachlich begründete Konsequenzen wie Zugangsbeschränkungen oder Testpflicht müssen aber möglich sein und dürfen nicht mit Impfzwang verwechselt werden.

Wir alle zusammen haben es in der Hand, durch AHA-Regeln, hohe Impfquote und rechtzeitige Auffrischungen das Infektionsgeschehen möglichst weit einzudämmen. Masken bleiben in Innenräumen im Herbst weiter wichtig. Die Wissenschaftler sagen, wir müssen lernen, mit Corona zu leben. Wir sind hier ein gutes Stück vorangekommen und konnten mit einem beispiellosen Kraftakt unsere Wirtschaftsstruktur erhalten und gleichzeitig beim Gesundheitsschutz gute Erfolge erzielen.

Sebastian Hartmann, SPD

1. Als Mitglied des Innenausschusses und des Unterausschusses Covid-19-Pandemie sowie als Berichterstatter für Zivil- und Katastrophenschutz habe ich mich seit Beginn der Pandemie wiederholt zu diesen Fragen geäußert. Dass wir überhaupt über Impfstoffe verfügen, ist ein großer Erfolg und war so vor anderthalb Jahren nicht absehbar. Alle Schritte, die wir unternommen haben und noch unternehmen, setzen voraus, dass die Menschen sich freiwillig solidarisch verhalten, wie wir das gerade zu Beginn der Pandemie sehr eindrucksvoll erlebt haben. Das tun sie aber nur, wenn die Maßnahmen transparent beschlossen werden und nachvollziehbar sind. Aufklärung, Transparenz und demokratische Willensbildung sind deshalb ganz wesentliche Voraussetzung für den Erfolg.

2. Um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken, setze ich mich gezielt gegen Fake-News-Kampagnen gegen Impfungen ein. Falschmeldungen bilden ein wesentliches Risiko, das die Bevölkerung spaltet. Dagegen müssen wir gezielt angehen, indem wir richtig und transparent informieren und Falschmeldungen konsequent nachgehen. Deshalb fordere ich übrigens für jeden Katastrophenfall auch eine Task-Force „Kommunikation“.

3. Ich lehne eine Impfpflicht ab. Wir müssen stattdessen verstärkt für die Impfung werben, um die Bereitschaft weiter zu erhöhen. Wir brauchen Werbekampagnen und mehr Aufklärung in der Bevölkerung.

Im Gesundheitssektor wird es umgekehrt sein: Menschen, die nicht geschützt sind, können bestimmte Bereiche ihrer Berufstätigkeit dann nicht mehr ausüben. Es geht dabei auch um den Schutz der Patientinnen und Patienten. Der Arbeitgeber muss aber sicherstellen, dass jedem ein Impfangebot gemacht wird.

Ralph Lorenz, FDP

1. Ein Leben ohne Maske wird es sicherlich wieder geben, ein Leben ohne Impfungen haben wir schon lange nicht mehr. Wer wollte die segensreiche Wirkung der Impfungen gegen Pocken, Tuberkulose, Kinderlähmung und andere, weniger lebensbedrohende Krankheiten in den letzten 100 Jahren bestreiten?

Bei der Corona-Pandemie sind die Grundlagen zur Bewertung der pandemischen Lage seitens der Politik immer wieder geändert worden. Anfangs war es die Überlastung des Gesundheitswesens, hervorgerufen durch eine neuartige Erkrankung übernationalen Ausmaßes. Und heute ist es die „Inzidenz“, die durch über 500 verschiedene, nicht genormte Testverfahren ermittelt wird. Ich denke, wir müssen von der reinen Betrachtung der Inzidenz endlich wegkommen, wieder hin zum ursprünglichen Kriterium der Überlastung des Gesundheitswesens, wie zum Beispiel die Anzahl der Belegung der Krankenhausbetten. Anstatt während der Krise Betten abzubauen, gilt es, Betten wieder aufzustocken, Pflegekräfte und Intensivmediziner auszubilden und keine weiteren Krankenhäuser zu schließen. So werden wir mit dem Virus leben können, der wie viele andere Viren dauerhaft unter uns leben und nicht wieder verschwinden wird.

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2. Zurzeit sorgen sowohl unsere Regierung als auch viele Medien für genau diese Spaltung, indem sie Geimpfte und Ungeimpfte gegeneinander ausspielen. Dabei ist Impfen eine höchst persönliche Entscheidung. Weder der Staat noch sonst irgendjemand hat das Recht, Menschen direkt oder indirekt zum Impfen zu zwingen.

Wir als FDP respektieren das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und den Schutz der persönlichen Daten. Ich glaube, es ist nicht in Ordnung, wenn man heute von seinem Gastwirt, seinem Friseur oder der Supermarktangestellten vollkommen indiskret nach persönlichen Dingen wie seinem Impfstatus gefragt wird, die normalerweise nur den eigenen Arzt etwas angehen.

3.  Nein.

Lisa Anschütz, Grüne

1. Corona bleibt, ob mit oder ohne Maske und impfen. Ich hoffe, wir werden uns bald nicht zurücksehnen in die Zeit, als es nur Corona gab.

2.  Sachliche Information für die Skeptiker und begleitende Untersuchungen zur Impfung und zum Impfstoff halte ich für wichtig.

3.  Als Kind habe ich in der Reihe in der Schule die Pocken-Impfung erlebt. Das war damals der Gefahr der Pockenerkrankung geschuldet. Der Staat sollte eine Zwangsimpfung nur im äußersten Fall einführen.

Alexander Soranto Neu, Linke

1. Die Pandemie ist in unserer globalisierten Welt erst vorbei, wenn sie auf der ganzen Welt überstanden ist. Wir müssen also dafür sorgen, dass alle Menschen weltweit die Möglichkeit haben, sich ausreichend zu schützen und impfen zu lassen. Dies bedeutet, dass die Pharmakonzerne die Patente für die Impfstoffe freigeben müssen und auch die Bundesregierung den Patentschutz aussetzen muss. Nur so können weltweit Impfstoffe produziert werden, und nur so können auch die Bevölkerungen ärmerer Länder endlich geschützt werden.

2. Die Ursache für die drohende Spaltung der Gesellschaft ist nicht die Corona-Impfung. Es sind die sozialen Ungleichheiten in der Einkommens- und Vermögensverteilung und die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen arm und reich sowie die Tatsache, dass sich immer mehr Menschen im Stich gelassen fühlen und kein Vertrauen mehr in den Staat haben, die zur Spaltung der Gesellschaft führen. Wir müssen die soziale Ungleichheit wirksam bekämpfen, das heißt den Reichtum umverteilen und in die soziale Sicherheit und in die öffentliche Daseinsvorsorge investieren. Wenn wir das schaffen, verhindern wir auch eine Spaltung der Gesellschaft.

3.  Nein, ich bin ganz klar gegen eine staatlich vorgeschriebene Impfpflicht. Wir müssen andere Wege finden, um diejenigen Menschen, die momentan noch unsicher sind oder die Impfung bisher ablehnen, von deren Nutzen zu überzeugen.

Wir brauchen daher mehr niedrigschwellige, unkomplizierte und zielgruppenspezifische Impfangebote und mehr Aufklärung. Die Abschaffung von kostenlosen Coronatests ist für mich dabei absolut kontraproduktiv, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Das ist vielmehr unsozial und riskant, denn Besorgnis und Unsicherheit lassen sich nicht mit Druck überwinden. Ein so entstandener indirekter Impfzwang fördert das Misstrauen eher noch weiter.

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