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„Extreme Verschlechterung“Die Pünktlichkeit der Bahnen in Rhein-Sieg nimmt deutlich ab

Lesezeit 5 Minuten
Eine S-Bahn am Bahnhof in Eitorf. Menschen befinden sich auf dem Bahnsteig.

Verspätungen nahmen im Jahr 2024 beim Schienenpersonennahverkehr deutlich zu. (Symbolbild)

Verspätungen nehmen bei Zügen in NRW immer mehr zu. Wie hat Rhein-Sieg beim Schienennahverkehr-Monitor 2024 abgeschnitten?

„Der Zug ist aber auch nie pünktlich“, das mag oft denken, wer regelmäßig mit der Bahn unterwegs ist, zur Arbeit oder zu Freizeitangeboten pendelt und dabei den Schienennahverkehr und Regionalverkehr nutzt. Gefühlt steht man sich dann die Beine in den Bauch, ob in Siegburg, Troisdorf oder Hennef, während erneut verkündet wird, dass die nächste S-Bahn doch noch einmal zehn Minuten später kommt. Pendlerinnen und Pendler brauchen daher oft starke Nerven.

Das Gefühl kommt allerdings nicht von ungefähr. Tatsächlich hat sich die Pünktlichkeit der Züge in der Region im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse des Schienenpersonennahverkehrs-Monitors (SPNV). Auch im Rhein-Sieg-Kreis sind die Auswertungen für Kriterien wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nicht gerade positiv. 

S19 und S12 gehören zu den Bahnen in Rhein-Sieg, die noch am besten abschnitten

Jährlich erfasst der SPNV-Qualitätsbericht für Nordrhein-Westfalen, wie sich das Qualitätsniveau im Nahverkehr auf der Schiene entwickelt hat. Dabei geht es nicht nur um die Auswertung von Betriebsqualität, sondern auch um die Leistungsfähigkeit der Bahninfrastruktur.

Von den Zügen, die im Rhein-Sieg-Kreis verkehren, hat die S19 (Au bis Düren) mit 88,5 die höchste Gesamtwertung erhalten. Ihre Pünktlichkeit hat sich jedoch im Jahr 2024 vor allem im vierten Quartal deutlich verschlechtert. Vom höchsten Wert der Linie von 77 Prozent im zweiten Quartal sank die Pünktlichkeit laut SPNV-Monitor schließlich auf 71,2 Prozent. Bei der Zuverlässigkeit hat sich die Linie S19 allerdings verbessert. Diese lag im vierten Quartal 2024 bei 90,7 Prozent und ist seit dem ersten Quartal mit einem Wert von 82,4 Prozent stetig angestiegen. Der Durchschnittswert landet bei 88,2 Prozent. 

Die Zuverlässigkeitsquote gibt Auskunft über „nicht vorhersehbare Ausfälle“, heißt es beim SPNV-Monitor. Dazu gehören zum Beispiel kurzfristiger Personalausfall, Fahrzeug- oder Infrastrukturstörungen, Streiks, Notfalleinsätze oder Witterungsstörungen.

Auch die Linie S12 (Au bis Horrem) erhält eine hohe Gesamtnote von 84,5 und liegt damit auf dem zweiten Platz im Rhein-Sieg-Kreis, gleichauf mit dem Regional-Express 8 (Kaldenkirchen bis Koblenz). Der RE8 schneidet jedoch bei der Pünktlichkeit deutlich schlechter ab. Während die S12 hier auf 77,7 Prozent Gesamtwertung kommt, liegt diese beim RE8 nur bei 68, 9 Prozent. Damit hat sich der RE8 allerdings in den vier einzelnen Quartalen von 65,7 Prozent auf 68,5 Prozent verbessert.

Die S12 hingegen hat sich verschlechtert. Ihren höchsten Pünktlichkeitswert verzeichnete die Linie im zweiten Quartal 2024 mit 80,8 Prozent. Der sank aber bis zum vierten Quartal auf 75,2 Prozent. Bei der Zuverlässigkeit kann sich hier eher der RE8 sehen lassen bei einem Gesamtwert von 94,6 Prozent (S12: 87,3 Prozent). Knapp darunter liegt die Regionallinie RE9, die zwischen Siegen und Aachen verkehrt, mit 92,7 Prozent Zuverlässigkeit.

Schlecht kommt beim RE9 dagegen die Pünktlichkeit weg. Lediglich 65,1 Prozent verzeichnet der Express. In den Quartalen sank der Wert von 66,6 Prozent im ersten Quartal auf 58,5 Prozent im vierten Quartal 2024.

Pünktlichkeit der RE-Linien verschlechtert sich in ganz NRW

Ausführliche Gründe für die negativen Entwicklungen nennt der SPNV-Monitor nicht. Doch das Jahr 2024 sei für den SPNV qualitativ besonders problematisch gewesen. „Die chronisch überlastete und in Teilen störungsanfällige Infrastruktur sowie ein hoher Anteil an Mischverkehrsstrecken machen den Betrieb der Nahverkehrslinien in NRW dauerhaft anspruchsvoll“, heißt es in dem Bericht. „In 2024 ist die Zahl der Baustellen weiter gestiegen. Zudem verschärft der Personalmangel in der Branche die Situation noch weiter. Die Fahrplanstabilität und das Pünktlichkeitsniveau sind dabei je nach Teilraum oder Korridor in NRW sehr unterschiedlich ausgeprägt.“

In NRW sank die Pünktlichkeitsquote aller Linien auf 74,9 Prozent. Damit sei die Quote noch unter das bereits niedrige Niveau der Vorjahre gefallen. Deutlich gesunken sei vor allem die Pünktlichkeit der RE-Linien, betont der Monitor. „Die RE-Linien weisen damit im Vergleich zu den anderen Produktgruppen RB und S-Bahn wie in den Vorjahren die mit Abstand niedrigste Pünktlichkeitsquote auf.“ 

Das spiegelt sich an den Linien im Kreis wider. Die Linie RB27, die zwischen Mönchengladbach und Koblenz auch durch Rhein-Sieg fährt, kommt deutlich schlechter weg als die S-Bahnlinien. 60,9 Prozent beträgt die Pünktlichkeitsquote im Durchschnitt. Auch hier sank der Wert von 61,4 Prozent im ersten Quartal auf 56,9 Prozent im vierten Quartal.

Zahl der Fahrgastbeschwerden bei Go Rheinland steigt

„Als Aufgabenträger für den SPNV sind wir mit den Qualitätswerten des letzten Jahres selbstverständlich nicht zufrieden“, so Go-Rheinland-Geschäftsführer Marcel Winter. „Anhand des Qualitätsberichts sehen wir allerdings, dass die Vielzahl an Baustellen das absolut bestimmende Kriterium für die schlechten Werte ist.“ Auch seien die Schienenwege überlastet.

Zwar müsse man berücksichtigen, dass fast die Hälfte der personalbedingten Ausfälle auf Streiks zurückzuführen seien, so Winter. Go Rheinland setze aber mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen auf das Aktionsprogramm „Personal für mehr Zuverlässigkeit im Betrieb“ und somit auf die Ausbildung zusätzlicher Triebfahrzeugführerinnen und -führer.

Sollte eine Bahn pünktlich sein, heißt das noch lange nicht, dass das Reisen bequem ist. Go Rheinland räumt in seinem am Freitag, 27. Juni, veröffentlichten Bericht ein, dass zunehmend Sitzplätze fehlten. So sei die durchschnittliche Quote der Sitzplatzausfälle deutlich gestiegen, und zwar von 2,37 Prozent in 2023 auf 3,23 Prozent in 2024. Bei den S-Bahnen wurde „eine extreme Verschlechterung“ deutlich, auch beim RE verschlechterten sich die Werte.

Auch der Zustand der eingesetzten Bahnen verbesserte sich nicht, wie der Bericht belegt: So werden nicht funktionierende Außentüren und mit Graffiti besprühte Waggons als Beispiele genannt. Beim Zustand der Toiletten verschlechterten sich die Werte um drei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Dementsprechend stieg die Zahl der Fahrgastbeschwerden über den Go-Rheinland-Kundendialog: Während es im Jahr 2023 insgesamt 1605 Beschwerden, sogenannte Kundeneingaben, gegeben hat, waren es im vergangenen Jahr 1.846 und damit 241 Eingaben mehr (plus 15,02 Prozent).