Ehepaar mit 114 UrenkelnSankt Augustiner feiern Gnadenhochzeit mit der Familie

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Vor 70 Jahren haben Johann „Hans“ (91) und Helene (92) Peters geheiratet. Seit 1987 lebt die Familie in Deutschland, bis zum vergangenen Jahr in Siegburg und nun bei einer der Töchter in Sankt Augustin.

Vor 70 Jahren haben Johann „Hans“ (91) und Helene (92) Peters geheiratet. Seit 1987 lebt die Familie in Deutschland, bis zum vergangenen Jahr in Siegburg und nun bei einer der Töchter in Sankt Augustin.

Sankt Augustin – Wenn bei Johann „Hans“ (91) und Helene (92) Peters von einer „Feier im engsten Familienkreis“ gesprochen wird, müssen andere Dimensionen als gewöhnlich angelegt werden. Das Ehepaar, das heute unter dieser Vorgabe Gnadenhochzeit feiert, also 70 Jahre verheiratet ist, hat Rekordverdächtiges aufzuweisen, was die Nachkommen betrifft.

Acht Kinder, „gerecht verteilt auf vier Buben und vier Mädchen“, so Hans Peters, brachte die Ehe hervor. Ihre Kinder schenkten ihnen 47 Enkel und 114 Urenkel, der jüngste ist einen Monat, der älteste 18 Jahre alt.

Die Frage, ob da jemand alle Namen der Nachkommen kennt, beantwortet Tochter Nelli Steinle: „Die Mama, sie weiß außerdem alle Geburtstage.“ Für die 92-Jährige scheint das nichts Außergewöhnliches zu sein. „Ein bisschen lässt es jetzt nach, mein Computer wird langsam leer“, räumt sie lächelnd ein und deutet auf ihre Stirn. Quasi als Datensicherung könnte irgendwann das Heft dienen, in dem sie die Daten der Nachkommen akribisch registriert.

Vor 70 Jahren haben Johann „Hans“ (91) und Helene (92) Peters geheiratet.

Vor 70 Jahren haben Johann „Hans“ (91) und Helene (92) Peters geheiratet.

Handschriftlich, unter fortlaufender Nummerierung, hält sie seit vielen Jahren Namen, Geburtsdatum, Wochentag, Gewicht und Größe fest, schreibt auf, um das wievielte Geschwisterchen es sich handelt. Aus diesem Heftchen, dem herzerfrischenden Gespräch, bei dem man sich fast in die Familie integriert glaubt und aus den Fotoalben, die stolz präsentiert werden, lässt sich ein tiefer Zusammenhalt über alle Generationen erkennen. Dieses und der Umstand, dass viele im Familienverband musikalisch ausgebildet sind, erlauben es, Feiern in Eigenregie auszugestalten.

Wie die Diamanthochzeit vor zehn Jahren im Gemeindehaus der Evangeliums-Christen-Baptistengemeinde Sankt Augustin, wo auch die heutige Feier ist. Da traten nicht nur Chöre und Orchester aus den eigenen Reihen aus. Talentierte Redner und Mimen bis hinunter zu den Jüngsten sollen auch für wunderschöne Kurzweil gesorgt haben. Das Gnadenpaar präsentiert sich offen, lustig und lebensfroh. Das „So gut wie hier ging es uns nie“ des Bräutigams spielt auf die Zeit vor 1987 an, die sie als Russlanddeutsche in der damaligen Sowjetunion verbrachten.

Ehejubiläen

Gnadenhochzeiten wie auch eiserne Hochzeiten (65 Jahre) finden selten statt. Die aus lokalen Traditionen und Bräuchen entstandenen Bezeichnungen haben indes vorgesorgt für weitere Rekordfeiern. So mit der Kronjuwelenhochzeit nach 75, der Eichen- oder Messinghochzeit (je nach Region) nach 80, der Engelshochzeit nach 85 und der Marmorhochzeit nach 90 Jahren.

Dieses Jubiläum feierten 2015 die in England lebenden Inder Karam (er starb ein Jahr später 110-jährig) und Kartari Chand, sie galten damals als das weltweit am längsten verheiratete Paar. Die 100-jährige Himmelshochzeit indes schaffte vermutlich noch kein Paar. In Deutschland freuten sich 2019 Ludwig (105) und Charlotte Piller (99) aus dem bayerischen Memmingen über ihre Eichenhochzeit und sind „nach wie vor wohlauf“, wie die Stadt bestätigte. (loi)

Zuletzt in der deutschen Siedlung in Gnadenheim. Johann Peters lacht und sagt: „Das passt doch zu Gnadenhochzeit.“ Gnadenheim nahe dem heute ukrainischen Saporischschja, wo sie ein Jahr nach Beginn der Perestroika die überraschende Nachricht ereilte: „Wenn ihr wollt, könnt ihr gehen, jetzt ist es möglich.“

Von der Zeit davor bleiben wenig gute Erinnerungen. Helene Peters Eltern, Besitzer einer Ziegelei, wurden enteignet; dass ihr Vater 1938 von den Sowjets erschossen wurde, erfuhr sie erst nach der Perestroika. „Bis dahin hat man uns angelogen, gesagt, er sei an Lungenentzündung gestorben. Es war alles auf Lüge aufgebaut.“ Einen Beruf durfte sie nicht erlernen, „für einen Spottlohn“ arbeitete sie zeitweise als Stukkateurin und Verputzerin.

Bis zum Jahr 1987 lebte die Familie in der Sowjetunion. Das Bild entstand 1961. Tochter Nelli Steinle ist das zweite Kind von links.

Bis zum Jahr 1987 lebte die Familie in der Sowjetunion. Das Bild entstand 1961. Tochter Nelli Steinle ist das zweite Kind von links.

„Wir waren immer da, wo wir hingeschickt wurden“, beschreibt ihr Ehemann – er verlor seinen Vater in den Wirren des Krieges – eine Zeit, wo oft „Hals über Kopf“ in weit entfernte Regionen umgezogen werden musste. Mit dem „kargen Lohn“ als Eisenbinder, am Bau oder im Sägewerk ernährte er die schnell wachsende Familie. Zweimal saß er wegen seines Baptisten-Glaubens im Gefängnis.

Gelitten hätten sie viel, weil sie Deutsche waren. Heute gehe der Blick nach vorn, und sie machten es sich schön, ist sich das Paar einig, das in Siegburg lebte und seit vergangenem Jahr in für sie hergerichteten Räumen bei der Familie von Nelli Steinle in Hangelar wohnt.

Das Familienheft ist die handgeschriebene Datenbank. In diese nimmt Helene Peters jedes neue Familienmitglied auf.

Das Familienheft ist die handgeschriebene Datenbank. In diese nimmt Helene Peters jedes neue Familienmitglied auf.

„Wir haben doch acht Kinder. Wenn wir da ins Altenheim gemusst hätten, wären wir beleidigt gewesen“, bemerkt der Bräutigam und lobt die Altersbleibe bei Tochter und Schwiegersohn. Die Frage nach dem Rezept für eine so lang funktionierende Ehe beantwortet Johann Peters: „Es ist das Jawort. Wir haben es uns vor Gott gegeben, wir sind uns treu geblieben, sind glücklich und lieben uns.“

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