„Wollte nur mein Brot verteidigen“Händler verprügelt 13-Jährigen auf Flohmarkt in Sankt Augustin

Lesezeit 3 Minuten
Tische mit Trödel

Ein Flohmarkthändler stand vor dem Amtsgericht, weil er einen 13-Jährigen verprügelt hat. (Symbolbild)

Kopfnuss, Kniestoß, Tritte: Ein Flohmarkthändler, der in Sankt Augustin einen Jugendlichen verprügelt hat, stand jetzt vor dem Amtsgericht.

Eine Gruppe Jungs hatte ein Händler auf dem Flohmarkt an einem Sankt Augustiner Großmarkt schon länger auf dem Kieker. Nach einem  mutmaßlichen  Diebstahlsversuch eines der Jugendlichen griff der wütende 35-Jährige den 13-Jährigen aus Troisdorf an.

„Ich wollte nur mein Brot verteidigen“, sagte der zweifache Familienvater vor der Jugendschutzkammer des Amtsgerichts Siegburg über den Vorfall vor rund einem Jahr. Er habe zudem nicht gewusst, dass er es mit einem Minderjährigen zu tun hatte. „Er ist ja größer als ich.“ Zudem habe ihn der Junge, als er diesen festhalten wollte, mit der Faust geschlagen, er dann nur zurückgeschlagen: „aus Reflex“.

Verletzungen des Troisdorfer Jungen belegen Kopfnuss und Kniestoß

Diese Schilderung, die durch keinen Zeugen bestätigt werden konnte,  wertete das Gericht als Schutzbehauptung. Die Verletzungen des Jugendlichen belegten, dass der Angeklagte diesem eine Kopfnuss verpasste, dann dessen Oberkörper herunterzog und mit einem Kniestoss den Kopf an der anderen Seite verletzte, „eine übliche Nahkampftechnik“, merkte Richter Ulrich Feyerabend an.

Das Opfer fiel hin, der Händler trat auf den am Boden Liegenden ein. Als der Richter ihm erklärte, dass sein Angriff auf keinen Fall als Notwehr gewertet werden könne, gab der Angeklagte seine Verteidigungshaltung auf und merkte nachdenklich an: „Ich hätte das nicht machen sollen, das war falsch. Ich bin glücklich verheiratet, habe selbst Kinder.“

Verkaufsartikel an dem Stand in Sankt Augustin kosten nur ein paar Euro

Wer bestohlen wird, habe durchaus ein Recht zur Eigentumssicherung, so der Richter. Das beschränke sich aber auf das Festhalten des mutmaßlichen Täters und das Herbeirufen der Polizei, um die Personalien feststellen zu lassen.

Er habe durchaus Verständnis für den Ärger des Angeklagten, sagte Feyerabend. Im Gedränge auf Trödelmärkten komme es sicher häufiger zu Diebstählen. Es gehe in diesem Fall aber noch nicht einmal um hohe Werte. Sämtliche Verkaufsartikel, vor allem Elektronik-Zubehör und Werkzeug, kosteten im Einkauf nur ein paar Euro, antwortete der 35-jährige gelernte Einzelhandelskaufmann auf Nachfrage.

Selbstjustiz, das funktioniert nicht
Richter Ulrich Feyerabend zur Attacke eines Händlers auf dem Flohmarkt in Sankt Augustin

So auch das drahtlose Kopfhörerpaar eines No-Name-Fabrikanten, mit dem sich der Junge ein Stück weit vom Stand entfernt hatte - um die nachgemachten Airpods seinem Freund zu zeigen, versicherte das Opfer im Zeugenstand. Für den Händler habe es eventuell nach einem Diebstahl ausgesehen, räumte er ein.  

Doch die Attacke sei völlig unangemessen gewesen und durch kein Gesetz gedeckt, erläuterte der Richter: „Selbstjustiz, das funktioniert nicht.“ Die Jungen seien zudem deutlich als Minderjährige erkennbar gewesen. Strafmildernd berücksichtigte das Gericht die Reue des bislang nicht Vorbestraften und die Entschuldigung beim Opfer.

Dessen Verletzungen waren nicht schwerwiegend, er verpasste infolge der starken Kopfschmerzen eine Woche Unterricht. Angst unter Leute zu gehen, habe er nicht, schilderte der Schüler.

Der Strafverteidiger stellte den Antrag das Verfahren einzustellen. Das lehnte der Richter allerdings als viel zu milde Strafe ab: „In Jugendstrafverfahren gibt es bei Tritten gegen einen am Boden Liegenden immer Arrest.“ Er verurteilte den Angeklagte zur Zahlung von 1500 Euro Geldstrafe (50 Tagessätze à 30 Euro). Der 35-Jährige akzeptierte das Urteil. 

KStA abonnieren