Der Ex-Bundestagspräsident spracht beim Festakt der CDU Sankt Augustin zum Tag der Deutschen Einheit im Ratssaal
Tag der EinheitNorbert Lammert warnt in Sankt Augustin vor „Erosion der Demokratie“

Der ehemalige Bundestagspräsident und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert, sprach als Gastredner beim Festakt der CDU Sankt Augustin im Rathaus.
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„Wir leben heute in einem politischen System, das ebenso gefestigt wie gefährdet ist.“ Starke Worte waren das von einem starken Redner: Der ehemalige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert sprach auf Einladung der CDU Sankt Augustin beim Festakt am Tag der Deutschen Einheit im Ratssaal. Eine Premiere, wie er schmunzelnd betonte: Als quasi Nachbar hatte der Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung häufig schon Auftritte in der Stadt absolviert, aber noch nie im Ratsaal des Rathauses. Dort wurden noch eilig Stühle herbeigeschafft, weil noch mehr Interessierte zum Festakt gekommen waren als gedacht.
„Demokratie ist immer dann besonders gefährdet, wenn man sie selbstverständlich nimmt“, zitierte Lammert einen US-Präsidenten („natürlich nicht dieser, zu dem mir nichts einfällt, was man bei einem Festakt sagen könnte“). Der Satz stammte von Barack Obama und mache deutlich, dass politische Systeme sterblich seien. Selbst die Bundesrepublik Deutschland, die mit ihren 75 Jahren dreimal so alt sei wie ihre drei Vorgänger.
Norbert Lammert in Sankt Augustin: „Die Zahl der Demokratien ist nicht größer, sondern kleiner geworden“
Das Scheitern der Weimarer Republik habe „ganz sicher“ nicht an einem misslungenen Verfassungstext gelegen. Vielmehr habe es nachweislich zu wenig Demokraten gegeben, die durch ihre Rivalität untereinander und ihren Unwillen zum Konsens der Demokratie den Todesstoß versetzten. Eine Demokratie, in der es nicht genügend Demokraten gebe – sei auch heute zu beobachten, so Lammert. Die Erosion demokratischer Systeme durch entsprechende Wahlergebnisse schreite voran.
Nach der Deutschen Einheit und dem Kollaps der DDR seien autoritäre politische Systeme wie Dominosteine gefallen, in freien Wahlen sei eine Demokratie nach der anderen entstanden. Keinen Zweifel habe es damals gegeben, dass sich die Menschen nicht mehr entmündigen und herumkommandieren lassen würden. „35 Jahre später ist die Systemfrage härter, akuter und brutaler“, so Lammert: „Die Zahl der Demokratien ist nicht größer, sondern kleiner geworden. Vielleicht gibt es bei großzügiger Betrachtung zwei Dutzend – jedenfalls weniger als die EU Mitgliedsstaaten hat.“
Was klinge wie eine Binsenweisheit sei essenziell: „Demokratie braucht Demokraten“, und zwar nicht allein in den demokratischen Ämtern, sondern vor allem in der Wahlkabine. Jeder und jede einzelne Wahlberechtigte müsse sich der Verantwortung bewusst sein.
Bürgermeister Max Leitterstorf sieht Sankt Augustin vor immensen Herausforderungen
Dass nicht nur Mitglieder CDU, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter aller anderen, demokratischen Ratsparteien dem Festakt beiwohnten, betonten sowohl der CDU-Vorsitzende und Landtagsabgeordneter Sascha Lienesch wie auch Bürgermeister Prof. Dr. Max Leitterstorf. Man müsse nicht immer einer Meinung sein, so Lienesch, aber eine gute Zusammenarbeit zum Wohl der Stadt leisten. „In den kommenden Jahren wird sich maßgeblich entscheiden, welchen Weg die Demokratie in unserem Land nimmt“, so Leitterstorf, der ein „Zusammenstehen der Demokraten“ auch im neu gewählten Stadtrat forderte.
Der mit großer Mehrheit wiedergewählte Bürgermeister machte deutlich, dass er die Probleme lösen wolle, „die den Menschen unter den Fingern brennen“. Schulen, Straßen – die Infrastruktur in der Stadt, die ihr 50-jähriges Bestehen feiert, sei ebenso alt, erhebliche Investitionen müssten gestemmt werden. Allein mit jährlich zehn Millionen Euro mehr könne er die Sanierungspläne so umsetzen, wie er sie sich vorstelle, statt nur Prioritäten abzuarbeiten. „Wir brauchen Unterstützung von höherer Stelle, damit wir agieren können.“ Das versprochene Geld aus dem drei Milliarden schweren Sondervermögen des Bundes für die Kommunen müsse auch ankommen. „Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind immens!“