Archiv hält Abenteuer festSiegburger reiste in den 1960ern mit Motorrad in 770 Tagen um die Welt

Lesezeit 4 Minuten
Herrmann Schrader machte eine Reise mit dem Motorrad

Bei seiner Rückkehr in Mülldorf wird Herrmann Schrader von einer Rollerescorte empfangen.

Herrmann Schrader reiste in den 60ern auf seinem Motorrad in 770 Tagen um die Welt. Seine Abenteuer ließ er archivieren.

Als er 1965 nach 770 Tagen zurück nach Mülldorf kam, jubelten ihm die Menschen am Straßenrand begeistert zu. Hermann Schrader war ungewollt zu einem Star geworden.

Seine Reise zu den Olympischen Spielen in Tokyo, die am 24. Oktober 1964 beginnen sollten, hatten nicht nur Zehntausende Zeitungsleser verfolgt. Auch andere Medien berichteten über den kühnen Abenteurer, der zudem seine in die USA ausgewanderte Schwester besuchen wollte.

Schrader hielt seine Reiseabenteuer für die Nachwelt fest 

Die Tour begann am 25. Mai 1963. Der damals 36-Jährige warf seine 250-ccm-DKW-Maschine an und gab Gas. Dass sie schon 70.000 Kilometer auf dem Tacho hatte, störte den Landmaschinenmechaniker nicht. Über Österreich ging es auf zwei Rädern ins damalige Jugoslawien.

Dort passierte ein erster Unfall: Schrader kam ein Bauer mit einem Pferdefuhrwerk entgegen. Durch den ungewohnten Krach des Motorrades gingen dem Landwirt die Gäule durch. Schraders Anhänger ging bei der folgenden Kollision zu Bruch. Er selbst blieb unverletzt.

Herrmann Schrader machte eine Reise mit dem Motorrad

Herrmann Schrader machte eine Reise mit dem Motorrad, das voll bepackt war

Schrader blieb nichts anders übrig, „als seine Gepäckstücke irgendwie am Motorrad anzubinden“, berichtet Stefan Dünker. Der Mitarbeiter des Stadtarchives von Sankt Augustin hat die Reiseunterlagen von Schrader akribisch ausgewertet. Drei Jahre vor seinem Tod im Alter von 86 Jahren hatte sie der Abenteurer 2010 dem Archiv übergeben. Er wollte, dass seine abenteuerliche Reise auch nachfolgende Generationen begeistern kann.

Im Iran arbeitete er als Fotomodell, um nach einem Überfall wieder Geld zu sammeln

Im türkischen Istanbul kam Schrader elf Tage nach seinem Start in Deutschland an. „Aus seinem Tagebuch ist zu entnehmen, dass er schnell vorankommen wollte“, berichtet Dünker. Zwölf Tage später erreichte er Amman in Jordanien. Als er sein bepacktes Motorrad kurz ohne Aufsicht ließ, wurden ihm seine Satteltaschen mit Reiseschecks in Höhe von 4500 Mark gestohlen.

Doch Schrader war ein Improvisationstalent: Er übernachtete einfach im Zelt. So erreichte er den Iran. Er wurde von einer Getränkefirma vor Ort als Fotomodell angeheuert oder stanzte in einer Schlosserei Klingelschilder aus und verdiente so neues Geld.

Das Glück war ihm hold. In seinem Tagebuch ist zu lesen, dass er nahe der Teppichstadt Shiraz bei der „Deutsch-Iranischen Gesellschaft zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Landwirtschaft“ eine Stelle fand. Bis zum 15. September konnte der Landmaschinenmechaniker dort sein Fachwissen einbringen und die Reisekasse auffüllen.

In Sri Lanka folgte ein weiterer Unfall, in Japan der nächste Überfall

Besorgt hatte ihm den Job Albrecht Breiden. Der damalige Bevollmächtigte der Klöcker-Humbold-Deutz AG kam aus Hennef und ließ sich seine Tageszeitung in den Iran nachschicken. Mit seiner Frau, der Tochter des Besitzers der Chronos-Werke in Hennef, hatte er von der abenteuerlichen Reise gelesen.

Weiter ging die Reise nach Sri Lanka, wo der Abenteurer einen weiteren schweren Unfall hatte. Beim Ausweichen kam er von der durch Monsunregen aufgeweichten Straße ab. „Das Motorrad war danach Schrott“, zitiert Dünker den Eintrag im Tagebuch. Drei Monate blieb Schrader auf Sri Lanka, um sein weiteres Vorgehen zu planen.

Herrmann Schrader machte eine Reise mit dem Motorrad

Herrmann Schrader vor den Kawasaki-Werken

Per Schiff und Bahn erreichte er anschließend das heutige Bangladesch, wo er sechs Monate auf einer Ölförderung als Ingenieur arbeitete. Mit dem Flugzeug ging es im August 1964 nach Japan. Allerdings gelang es ihm nicht mehr, dort im Vorverkauf Karten für die Olympischen Spiele zu bekommen. In Kobe wurde er zudem erneut bestohlen.

In Japan schenkte man Schrader ein neues Motorrad und schickte ihn auf Werbetour

Doch wieder hatte er Glück: Der Kawasaki-Konzern erfuhr davon und schenkte ihm ein nagelneues Motorrad. Allerdings unter der Bedingung, dass er mit der Maschine eine Werbetour durch Japan machte. Dafür gab es zusätzlich ein Honorar.

Das ermöglichte ihm im Dezember 1964, mit dem Schiff in die USA zu kommen. Dort fand er seine Schwester, nachdem ihm ein Nachbar deren neuen Aufenthaltsort nach einem Umzug genannt hatte.

Nach sechs Monaten zog es ihn zurück in seine Heimat. Am 24. Juni 1965 wurde Schrader feierlich mit einer Roller-Escorte begrüßt. Dünker: „Eine weitere Reise nach Übersee unternahm Schrader in seinem Leben nicht mehr.“

Am Dienstag, 18. April, hält Archivar Stefan Dünker in der Stadtbücherei von Sankt Augustin, Markt 1, ab 18 Uhr einen ausführlichen Vortrag über die Reise mit umfangreichem originalem Bildmaterial. Der Eintritt ist frei.

KStA abonnieren