Vor GerichtAngeklagter schlägt vor Siegburger Rathaus mit Schlagstock auf Mann ein

Justitia spricht Recht.
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Siegburg – Rätselraten im Gerichtssaal: Welcher der drei Angeklagten mit insgesamt 62 Vorstrafen vermöbelte am helllichten Tag auf dem Rathausvorplatz einen Schlosser mit einem Teleskopschlagstock?
Zeuge war sich sicher: Der Rothaarige schlug zu
Die Zeugenaussagen widersprachen sich, ein 17-Jähriger wollte den Angeklagten mit auffällig rotblonden Haaren sicher erkannt haben, zwei weitere Männer wären bewaffnet gewesen mit steingefüllten Socken. Er habe indes alle nur von hinten gesehen. Nach stundenlanger Verhandlung unter Vorsitz von Richter Hauke Rudat kam eine überraschende Wendung.
Der Mann auf der Anklagebank, den keiner der insgesamt vier Zeugen wiedererkannt hatte, rang sich ein Geständnis ab. Der 38-Jährige war mit dem Opfer (42) schon tags zuvor zweimal aneinander geraten, in der Praxis eines Bonner Methadon-Arztes und in der Stadtbahnlinie 66. Der aggressive Schlosser hätte ihn angegriffen, die Schläge mit dem Stock in der Siegburger Innenstadt am 10. März 2021 waren die Retourkutsche.
Die Kumpel hätten nichts gemacht, der Rothaarige habe sogar versucht ihn zurückzuhalten. Dass der Schlosser auch mit den gefährlich gefüllten Socken malträtiert wurde, hatte keiner der Zeugen gesehen, auch seine Verletzungen sprachen dagegen. Die Strümpfe wurden zudem nicht gefunden, nur Steine lagen auf dem Platz. Das Opfer hatte Hämatome davongetragen, war zunächst vor der Polizei geflüchtet und lehnte eine ärztliche Behandlung ab.
In Siegburg vor Gericht: Opfer und Angeklagten haben Suchterkrankungen
Alle Beteiligten haben Suchterkrankungen, einige werden substituiert. Die drei Angeklagten beteuerten, wieder auf die Füße kommen zu wollen. Der Rotblonde, ein gelernter Dachdecker, gab an, nur noch „ein bisschen Gras zu rauchen“; er sei durch seine beiden Kinder, für die er Unterhalt zahle, „vernünftiger geworden, die letzten Straftaten und Gefängnisaufenthalte lägen Jahre zurück. Er wurde ebenso frei gesprochen wie sein mitangeklagter 39-jähriger Kumpel, der einen 20-jährigen Sohn hat.
Der geständige 38-Jährige gab an, nach dem Fachabitur „leider nichts mehr“ gemacht zu haben. Sein Alltag derzeit: Morgens zum Methadonarzt, dann den ganzen Tag am Handy spielen, „damit ich nicht wieder in solche Kreise komme“. Der ledige sechsfache Vater hat zu keinem seiner Kinder Kontakt. „Fünf leben irgendwo in Pflegefamilien, eins ist tot.“
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Er stand zur Tatzeit zwar unter laufender Bewährung (wegen Diebstahls und Schwarzfahrens), das Gericht werteten den Angriff als „Spontantat“ und das späte Geständnis ebenfalls strafmildernd. Wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz erhielt er eine einjährige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die eindeutige Zeugenaussage des 17-Jährigen sei wohl unter Schock entstanden, sagte der Richter: Der Schüler habe den Angriff mit dem Teleskopschlagstock mit den auffällig roten Haaren eines Beteiligten verknüpft.