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Polizistin in Siegburg belästigtSiegburger für Kuss auf die Stirn verurteilt – „Es war Dankbarkeit“

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Amtsgericht Siegburg

Vor dem Siegburger Amtsgericht steht eine Anti-Gewalt-Bank. Auch sexuelle Belästigung zählt zu den Gewalttaten.  

Gepflegt, gut gekleidet, höflich: So präsentierte sich ein 52-Jähriger vor dem Amtsgericht. Doch mehr als einmal verbreitete er Angst und Schrecken. 

Zwei Gesichter habe der Angeklagte: Er könne der netteste Mensch sein, höflich und hilfsbereit, sagte Amtsrichterin Julia Dibbert. Doch wenn er getrunken habe, sei er „wie ein wilder Stier“.

Bei der Polizei und in den Krankenhäusern im Umkreis ist der 52-Jährige bekannt. Und auch bei der Justiz, das zeigt sein Vorstrafenregister mit zehn Eintragungen aus den vergangenen 20 Jahren. Aktuell stand er wieder mal wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen Missbrauchs des Notrufs vor Gericht. Und, untypisch für ihn, wegen sexueller Belästigung.       

Siegburger diente einst in der französischen Fremdenlegion

Er hatte bei einem Polizeieinsatz in seiner Wohnung eine Beamtin auf die Stirn geküsst. „Aus Dankbarkeit“, sagte der Angeklagte. „Bei uns gibt man sich zur Begrüßung Küsse auf die Wangen“, sagte der Franzose. Dass die Polizistin Ekel empfand, könne er nachvollziehen. „Das war natürlich nicht richtig.“

Vor Jahrzehnten war der Angeklagte ins Rheinland gekommen, um Kontakt zu seiner Mutter zu suchen, die die Familie schon früh verlassen hatte. Nach der Schule hatte sich der Mann bei der Fremdenlegion verdingt, aus dieser Zeit stammten wohl seine Traumata, die er nicht verarbeitet habe, erklärte Strafverteidigerin Alexandra Rosenkranz.

Ihr Mandat bemühe sich nach Kräften, seine Alkoholsucht in den Griff zu bekommen, arbeite zum Beispiel seit zehn Jahren ehrenamtlich und zuverlässig in der Werkstatt eines Wohlfahrtsverbandes - sein „Chef“ verfolgte die Hauptverhandlung auf den Zuschauerbänken des Gerichtssaals.

Doch trotz vieler Entgiftungen und Therapien, in die ihn auch das Gericht immer wieder zwangsweise schickte, gab es Rückfälle. Dann suche er Hilfe - meist bei der Polizei; wählte immer wieder den Notruf, zehnmal, zwanzigmal, dreißigmal.

Der Einsatz im April dieses Jahres in dessen Wohnung nahe der Wache hatte diesen Anlass, als die Kräfte den Betrunkenen ins Gewahrsam nach Troisdorf brachten, sei er renitent geworden, habe versucht, ihm ins Gesicht zu treten, schilderte ein junger Polizist.

Dass sich der Angeklagte nun wortreich bei ihm entschuldigte, helfe ihm nicht, so der Zeuge: „Mir ist es wichtig, dass ich in künftigen Einsätzen nicht Angst haben muss, dass jemand verletzt wird oder dass meine Polizeiwaffe missbraucht wird“, sagte er zum 52-Jährigen.

Er habe unzählige Einsätze bei diesem gehabt, der Angeklagte sei für ihn unberechenbar. Warum er im Troisdorfer Gewahrsam plötzlich ausrastete, könne er nur mutmaßen: „Er ist wohl lieber in Siegburg.“      

In der Vergangenheit hatte er schon Beamte mit dem Tod bedroht, als diese ihm einen Schlafplatz im Gewahrsam verwehrten. Und auch seine Mutter, die vor ihm auf Socken aus ihrer Wohnung geflüchtet war und versteckt hinter Müllcontainern die Polizei alarmierte. 2023 starb sie. „Wiederum ein tiefer Einschnitt für meinen Mandanten“, so seine Anwältin.

Der Siegburger setzt seine Hoffnung auf das Medikament Ritalin

Derzeit befindet dieser sich in einer ambulanten Suchttherapie, hier werde auch die kürzlich diagnostizierte ADHS behandelt, erzählte der 52-Jährige. Auf das Medikament Ritalin setze er seine ganze Hoffnung. Alkohol, das habe er nun begriffen, dürfe er nicht mehr anrühren. „Ich kann nicht kontrolliert trinken.“  

Sie wolle seinen Worten gern Glauben schenken, meinte Dibbert. Allein: Seine vielen, vergeblichen Versuche und die Straftaten, die er trotz laufender Bewährung beging, erlaubten keine günstige Sozialprognose. Sie folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten.   

Die muss er nicht sofort antreten, so die Richterin: „Sie dürfen die Therapie weitermachen.“