ProzessSiegburgerin soll Hinterbliebene mit falschen Traueranzeigen abgezockt haben

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Grabstein

Ein Grabstein auf einem Friedhof in Nordrhein-Westfalen. (Symbolbild)

Siegburg – Ist sie eine mit allen Wassern gewaschene Betrügerin, oder wurde sie Opfer falscher Freunde? Eine 37-jährige Siegburgerin soll von Gran Canaria aus Hinterbliebene in Österreich mit falschen Traueranzeigen abgezockt haben soll.

Da sie bereits wegen ähnlicher Taten verurteilt wurde und unter laufender Bewährung steht, droht ihr jetzt eine jahrelange Haftstrafe, hieß es vor dem Siegburger Schöffengericht.

Die Angeklagte soll echte Traueranzeigen kopiert und mit einem Überweisungsträger an die Familien kürzlich Verstorbener geschickt haben. Es geht um 87 Fälle aus dem Zeitraum von Ende Januar bis Mitte März 2015; nur in vier Fällen zahlten die Menschen für die Veröffentlichung in einem Online-Portal zwischen 314 und 456 Euro.

In Wirklichkeit hatten die beauftragten Beerdigungsinstitute die Anzeigen längst in Rechnung gestellt. Ferner soll die gelernte Großhandelskauffrau unter dem Briefkopf von Scheinfirmen, darunter ein nicht existentes Inkassobüro, fingierte Rechnungen an Firmen für angebliche Einträge in Adressbüchern geschickt haben. 29 Fälle von Oktober 2014 bis Januar 2016 listet die Anklageschrift auf, fünfmal wurden Summen zwischen 299 und 768 Euro gezahlt.

Bereits im Juni 2015 war die Siegburgerin wegen ähnlicher Taten zu einer hohen Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt worden. Danach flog sie wieder mit ihrem kleinen Sohn auf die Kanareninsel. Zwei ihrer früheren Geschäftspartner, die ebenfalls im Fokus der Ermittler standen, packten aus und belasteten die 37-Jährige massiv. Sie sei die Drahtzieherin gewesen, habe nach ihrer Rückkehr weiter gemacht.

Die Angeklagte hingegen beteuerte am ersten Tag der Hauptverhandlung vor dem Siegburger Schöffengericht ihre Unschuld: „Ich habe nichts damit zu tun.“ Wie erklärt sie sich die Zeugenaussagen der früheren Geschäftsfreunde? „Vielleicht wollen sie dadurch glimpflicher davon kommen.“

Das Gericht lässt nun die beiden deutschen Zeugen einfliegen, die nach wie vor auf den spanischen Inseln leben. Von deren Glaubwürdigkeit hinge es ab, ob die Angeklagte verurteilt und ihre Bewährung widerrufen wird. Die Strafverfolgung hatte die österreichische Staatsanwaltschaft in Gang gebracht und den Fall an die deutschen Kollegen abgegeben.

Da die Angeklagte unter ihrer Melde-adresse nicht auffindbar war, wurde sie per Haftbefehl gesucht, auf Gran Canaria aufgegriffen und an die deutschen Behörden ausgeliefert. Drei Monate saß sie im Gefängnis, seitdem genießt sie Haftverschonung, lebt mit ihrem Sohn bei den Eltern in Siegburg, ohne eigene Einkünfte, ohne Krankenversicherung.

Bis heute trudelten Strafanzeigen aus ganz Deutschland gegen die Angeklagte bei ihm ein, so der Staatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen. Ihre Erklärung: Andere würden ihren Namen für krumme Geschäfte missbrauchen. „Alle Informationen stehen ja im Internet. Meine Vergangenheit frisst mich auf.“

Das Verfahren hätte durch ein Geständnis möglicherweise abgekürzt werden und mit einer milden Strafe enden können, hatte der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand angekündigt.

Unter diesen Umständen werde es sich lange hinziehen und möglicherweise im Nachbarland seine Fortsetzung finden: „Wenn es hier kein Urteil gibt, dann klagt Österreich Sie an.“

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