Bücherei in Siegburger JVALesen Verbrecher am liebsten Krimis?

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Häftling Johannes stöbert gern in der Bibliothek, liest das ein oder andere Buch an und leiht aus.

Häftling Johannes stöbert gern in der Bibliothek, liest das ein oder andere Buch an und leiht aus.

  • In der Justizvollzugsanstalt Siegburg gibt es eine Bücherei, die von den Häftlingen viel genutzt wird.
  • Die Ausleihzahlen steigen – ein Trend, den die Leitung begrüßt.
  • Doch was lesen verurteilte Verbrecher, etwa nur Krimis?

Siegburg – Mord und Spionage, Kriminalfälle aus der Eifel und aus Köln – Verbrechen boomt in der Justizvollzugsanstalt in Siegburg. Zumindest zwischen Buchdeckeln. Und auch wenn Häftlinge wirklich ab und zu versuchen, in einem Buch ein Handy in die Zelle zu schmuggeln, wie Anstaltsleiter Wolfgang Klein weiß – die bedruckten Seiten sind es, die vielen der rund 500 Insassen über den Tag helfen.

„Seit 2011 sind die Ausleihzahlen bei den Erwachsenen gestiegen“, berichtet Jörg Gieseking, der für die Veranstaltungsreihe „Kultur im Knast“ verantwortlich zeichnet. Zwei Büchereien unterhält die JVA in ihren beiden Gebäudeteilen. Die große, im 120 Jahre alten Raum mit knarzendem Holzboden, hatte bis Mitte Dezember 7907 Ausleihen. Belletristik – Romane, Krimis, viele Titel von den Bestsellerlisten – ist dort der Renner, noch vor DVDs. „Die Erwachsenen lesen viel“, sagt Klein, „bei den Jugendlichen haben wir Klimmzüge gemacht, um sie zum Lesen zu bringen“.

Belesene Betrüger qualifizieren sich für Bücherei-Job

Mehr als 6000 Medien können ausgeliehen werden, pro Bücherei betreuen zwei Hausarbeiter den Bestand. Sie beraten Mithäftlinge bei der Suche nach Literatur, sie pflegen die Ausleihen in den Computer ein. Meist, so Klein, säßen die Bewerber, die für einen solchen Job qualifiziert seien, wegen Betrugs ein: „Sie müssen intelligent sein und gut reden können.“

Jörg Gieseking ist in der JVA zuständig für die Bibliothek.

Jörg Gieseking ist in der JVA zuständig für die Bibliothek.

Außer Krimis, berichtet Gieseking, seien auch Sachbücher zum Beispiel für die in der JVA mögliche Ausbildung zum Mechatroniker, aber auch psychologische Themen, Koch- und Backbücher sowie Sprachkurse gefragt. Seit zwei Jahren werden fremdsprachige Bücher und Zeitungen zur Ausleihe angeboten, von Türkisch über Spanisch und Französisch bis zu Polnisch und Russisch. Gefangene mit etwa 130 Nationalitäten sitzen in Siegburg ein.

Auch die Bibel und den Koran gibt es in mehreren Sprachen, wobei die Bibel kaum, der Koran aber sehr viel gelesen werde, so Giesking. „Ihr Exemplar behalten die Häftlinge bis zur Entlassung.“ Die anderen Bücher müssen nach einer bestimmten Leihfrist zurückgegeben werden. Ein bisschen Schwund gebe es schon, gibt Klein zu, „aber das ist bei einer normalen Bücherei ja auch so“.

Zu festen Zeiten dürfen die Gefangenen die Bücherei nutzen, zwischen den Holzregalen flanieren oder sich auf die Couch setzen und schmökern. Das, so Gieseking, mache das Besondere aus. In anderen Gefängnissen gebe es häufig nur die Möglichkeit, nach Katalog auszuleihen.

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Das Bücherei-Gefühl genießt auch Häftling Johannes. „Ich sehe einen interessanten Titel, kann das Buch rausnehmen und anlesen.“ Er leiht viel aus, Romane und Sachliteratur zu den Themen Medizin und Heilpraktik hauptsächlich, als „Ablenkung auf der Zelle. Man hat ja viel Zeit, in drei bis vier Tagen schafft man ein Buch“. Besonders für die frisch eingetroffenen Häftlinge sei die Bücherei ein echter Anker. „Am Anfang hat man noch keinen Fernseher, da liest man von morgens bis abends.“

Das weiß auch Mathias, der als Hausarbeiter in der zweiten Bücherei im neuen Trakt beschäftigt ist. Wenn jemand nach Siegburg verlegt worden sei, schlösse er auch außerhalb der Öffnungs- und seiner Dienstzeiten auf und versorge ihn mit Lesefutter. Das sei ja schließlich so etwas wie ein Notfall.

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