„Siegburger Studien”Band zeigt die Geschichte der Benediktiner Mönche im Zeitraffer

Lesezeit 5 Minuten
Nach einem Merian-Stich hat Reinhard Zado diese historische Ansicht vom Michaelsberg in Öl gemalt.

Nach einem Merian-Stich hat Reinhard Zado diese historische Ansicht vom Michaelsberg in Öl gemalt.

Siegburg – Die Geschichte begann mit einem Eklat und endete mit einem Aufschrei: Irgendwann zwischen 1065 und 1071, das genaue Datum ist nicht bekannt, warf Erzbischof Anno die aus Trier stammenden Benediktiner aus seiner neu gegründeten Abtei auf dem Michaelsberg und holte sich dafür treu ergebene Mönche aus Fruttuaria in Piemont.

Neuer Band der „Siegburger Studien”

An den Eklat erinnert Stadtarchivarin Dr. Andrea Korte-Böger im neuen Band der „Siegburger Studien“, die an die von Pater Wunibald Weber begründeten und Pater Mauritius Mittler fortgeführten Schriftenreihe anknüpft. Der Aufschrei, der fast 950 Jahre später durch die Stadt ging, ist indes Vizebürgermeisterin Dr. Susanne Haase-Mühlbauer noch im Gedächtnis, wie sie bei der Buchpräsentation gestand.

Damals, im November 2011, verkündeten die Mönche die Auflösung ihres Konvents, und viele hätten sich entsetzt gefragt: „Warum? Die Abtei gehört doch zur Stadt!“ Was Korte-Böger einmal mehr belegt. In den Siegburger Studien lässt sie im Zeitraffer die Geschichte der Benediktiner Revue passieren.

Das Buch ist die Dokumentation einer Tagung, die der Geschichts- und Altertumsverein zusammen mit dem Katholisch-Sozialen Institut (KSI) 2014 zum 950-Jahr-Jubiläum der Stadt auf die Beine gestellt hatte. „Zwischen Tradition und Wohlleben“ lautete das Thema. Allerdings hatte das Wohlleben immer wieder größere und kleinere Schulden zur Folge.

Der ehemalige Pater Michael Schroeder ist Mitautor des Buchs.

Der ehemalige Pater Michael Schroeder ist Mitautor des Buchs.

Mit dem Wohlleben war´s fürs erste vorbei

So stand die Abtei kurz vor ihrer Säkularisierung 1803 bei einem Kölner Weinhändler mit 26.541 Reichstalern in der Kreide. Und auch am Ende der Tradition 2011 war’s mit dem Wohlleben für die Benediktiner einstweilen vorbei. Sie waren heimatlos und mussten sich ihre eigenen neuen Wege suchen.

Einer, der ihn gefunden hat, ist Pater Michael Schroeder. Der 67-Jährige hat geheiratet, lebt heute mit seiner Ehefrau Birgit in Sankt Augustin als „Rentner“, wie er sagt, und ist doch weiterhin als Priester im Amt.

Das funktioniert, weil er von der römisch-katholischen zur altkatholischen Kirche gewechselt ist, die in vielen Dingen liberaler sei, erzählte er am Rand der Präsentation in der Stadtbücherei. Zu der war er nicht als ehemaliger Mönch, sondern als Mitautor gekommen.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten gab es bereits im 18. Jahrhundert

Sein Beitrag über Adam Christoph Zollner von Brandt, der im 18. Jahrhundert Kapitular und Prior auf dem Michaelsberg war, wirft auch ein Licht auf eine Zeit, in der die Benediktiner unter ähnlichen Problemen litten, wie in den Jahren kurz vor der Auflösung.

Auch damals hatte das klösterliche Leben, schreibt Schroeder, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einem Rückgang des Ordenslebens zu kämpfen. Gleichwohl hat Zollner von Brandt den Siegburgern die Abschrift der berühmten Anno-Vita und ein Teil der Anno-Mirakel hinterlassen, die die Heiligsprechung des Stadtgründers und Erzbischofs begründen sollten.

Den Einbau des Chorgestühls, das 2015 samt der von Siegburgern gestifteten Heiligenfiguren übereilt abgerissen wurde, zeigt dieses Foto.

Den Einbau des Chorgestühls, das 2015 samt der von Siegburgern gestifteten Heiligenfiguren übereilt abgerissen wurde, zeigt dieses Foto.

Überhaupt hat die Abtei unauslöschliche Spuren in der Region gesetzt. Nicht nur, dass Anno den Grundstein für die Stadt Siegburg legte, das Kloster habe, schreibt der Hennefer Heimatforscher Helmut Fischer, mit ihren zahllosen Ländereien auch die Kulturlandschaft geprägt.

Das würdigte 1865 schon Ernst Weyden in seinem Reiseführer. Er verweist auf den „blühenden Ackerbau“ in der Siegebene und bescheinigt der Landschaft, aus der hoch die Abtei hervorrage, einen „ewigen, unvergänglichen Reiz der Poesie“.

Überall die Finger im Spiel

Ob Acker- oder Bergbau: Die Mönche hatten überall ihre Finger im Spiel, wie Dr. Bernd Habel in seinem Beitrag über die Montangeschichte am Beispiel der Abtei feststellt. Bereits 1122 erteilte Kaiser Heinrich V. den Benediktinern das Bergbaurecht. Fortan durften sie „auf eigenem Grund und Boden nach Erzen schürfen“. Und davon hatten sie dank vieler „Sponsoren“, so Habel, reichlich.

Sponsoren hatten die Mönche auch beim Wiederaufbau ihres Klosters nach dem Zweiten Weltkrieg, woran in dem Buch ein bislang unveröffentlichtes Foto erinnert. Es zeigt Handwerker beim Einbau des Chorgestühls und der von Siegburgern gestifteten Heiligenfiguren, die im vergangenen Jahr etwas übereilt herausgerissen wurden.

Zweiter Band der Siegburger Studien macht „Lust aufs Lesen"

Mit teils bekannten, aber auch vielen neuen Aspekten der Abteigeschichte wartet der neue Band der Siegburger Studien auf. Mit zahllosen Fotografien und Illustrationen von dem Künstler Reinhard Zado bibliophil gestaltet, macht es „Lust aufs Lesen“, lobte KSI-Direktor Professor Ralph Bergold, und: „Die Geschichte wird uns in der Zukunft begleiten“, wenn das KSI ab Frühjahr nächsten Jahres auf dem Michaelsberg residiert, ist er überzeugt.

Band Zwei der Siegburger Studien, Neue Folgen, 175 Seiten, ist im Rheinlandia-Verlag Siegburg erschienen und für 20 Euro im Buchhandel erhältlich.

Zur rechten Zeit kommt die Veröffentlichung der Siegburger Studien zur Geschichte der Abtei, denn im September wird der 950. Jahrestag der Weihe der Klosterkirche auf dem Michelsberg gefeiert, die mithin nicht ganz so alt ist wie die 1064 gegründete Abtei und die Stadt.

Zugleich kündigte Pfarrer Thomas Jablonka ein weiteres Fest an. In der Servatiuskirche werde zeitgleich die neugestaltete Schatzkammer auf der Empore der katholischen Stadtkirche eröffnet.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Kirchengemeinde St. Servatius im Besitz des „Wertvollsten, was die Benediktiner hatten“. Jablonka meint vor allem die Reliquienschreine, darunter auch den Annoschrein, an denen er freilich weniger den materiellen, als viel mehr den religiösen Wert schätzt. Doch auch kunstgeschichtlich zählt der Siegburger Kirchenschatz zu den bedeutendsten im Rheinland.

Gleichwohl versteht Jablonka die neue Schatzkammer nicht als Museum. Es werde kein Eintrittsgeld erhoben, denn die Gläubigen sollen in der Nähe der Reliquienschreine beten können. „Wie das funktioniert, weiß ich noch nicht“, meinte er, und zunächst müsse noch „jede Menge technisches Jedöns“ erledigt werden.

KStA abonnieren