Stromschlag in Troisdorf„Hundertprozentige Sicherheit am Bahnhof nicht möglich“

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Wer auf die Kesselwagen klettert, kommt gefährlich an die Oberleitungen mit 15.000 Volt Spannung.

Troisdorf – Das Gebäude des alten Güterbahnhofs mit der langen Rampe hat etwas von einem „lost place“, von einem vergessenen Ort. Kinder und Jugendliche sind hier regelmäßig zu treffen, für sie ist es wohl so etwas wie ein Abenteuerspielplatz. Doch das Gelände ist lebensgefährlich.

Am Sonntag war es erneut Schauplatz eines tödlichen Unfalls. Ein 14 Jahre alter Jugendlicher war auf einen Kesselwagen geklettert. Nach Angaben der Bundespolizei am Sonntag wollte er von dort aus Fotoaufnahmen machen. Dabei kam er zu nahe an die Oberleitung. Die Folge war ein Stromüberschlag, ein Lichtbogen traf den Jugendlichen. Er erlitt so schwere Verbrennungen, dass er noch am Unglücksort starb. Sein Freund, der die Rettungskräfte alarmiert hatte, musste das mit ansehen.

Erst Anfang Juli hatte es einen ähnlichen Unfall gegeben, der 13-Jährige, der damals auf den Kesselwagen geklettert war und einen Stromschlag erlitt, überlebte lebensgefährlich verletzt. Das Areal ist legal nur für Autos zugänglich, Schilder an den Zufahrten weisen darauf hin. Ein etwa anderthalb Meter hoher Zaun umgibt die Fläche.

Auf dem von der Bahn betriebenen Parkplatz steht ein weiterer, rund einen Meter hoher Zaun, der den Zutritt zu den Gleisen verwehrt. Piktogramme zeigen an, dass das Klettern auf die abgestellten Waggons verboten ist und die Annäherung an die Leitungen zu Stromschlägen führt.

Zaun am Güterbahnhof hat Löcher

Doch kurz vor dem lang gestreckten Schuppen endet die Einzäunung, ist an anderer Stelle löcherig. Genau hier stehen auf den Gleisen die Kesselwagen, auf die die Kinder und Jugendlichen klettern. Es ist nicht alles 100-prozentig abzusichern“, sagt Christin Fußwinkel, Pressesprecherin der Bundespolizei, „die Jugendlichen finden ihren Weg auf das Gelände.“

Das Problem ist bekannt, auch an anderen Stellen des Gleisnetzes geschehen ähnliche Unfälle. „Wir können nur appellieren und präventiv arbeiten. Es ist schwierig zu sagen, ob das hätte verhindert werden können, wenn alles abgesperrt gewesen wäre.“ Zerbrochene Fenster und geborstene Wände an dem Schuppen, umgelegte Zäune weisen darauf hin, dass Begrenzungen von Eindringlingen beseitigt wurden. „Die Bundespolizei wird die Situation noch einmal überprüfen und schaut noch, ob Sicherungsmaßnahmen getroffen werden können.“ Darüber hinaus werden Beamte das Gespräch mit den jungen Menschen suchen und sie auf die lebensbedrohenden Gefahren hinweisen.

Mehrere schwere Unfälle mit Stromschlägen

Am Güterbahnhof in Troisdorf haben sich in den vergangenen Jahren schon mehrere schwere Unfälle mit Stromschlägen ereignet.

Am 4. Juni 2013 kletterten zwei 14 und 15 Jahre alter Mädchen auf einen Kesselwagen. Ein Bahnmitarbeiter hatte das beobachtet und ließ rechtzeitig den Strom abschalten. Die Bundespolizei fuhr die Jugendlichen nach Hause und klärte sie über die lebensgefährlichen Folgen auf.

Am 17. September 2018 kletterte ein 18-Jähriger zunächst auf die Plattform eines Kesselwagens am Güterbahnhof, anschließend auf den Behälter. Dabei löste er einen Stromüberschlag aus, der Lichtbogen traf ihn. Er starb.

Am 2. Juli 2021 spielte ein Junge mit einem weiteren Kind an einem Güterwaggon. Er kletterte hoch und erlitt einen Stromschlag. Lebensgefährlich verletzt wurde der Junge in ein Krankenhaus gebracht. Das andere Kind blieb unverletzt. (rvg)

Die Kreispolizei ist für das Todesermittlungsverfahren zuständig. Pressesprecher Stefan Birk berichtet, es sei unklar, ob der Junge Kontakt zu dem Draht gehabt oder ob es einen Funkenübersprung gegeben habe. Präventionsarbeit hält er für das wichtigste Instrument, solche Unglücke zu verhindern. „Offenbar ist es immer noch nicht jedem klar, wie gefährlich das ist.“

Sprecherin: „Bahnanlagen sind keine Abenteuerspielplätze"

Die Deutsche Bahn sei von dem Vorfall schockiert und betroffen, teilte eine Bahnsprecherin auf Anfrage mit. „Wir können nur an die Öffentlichkeit appellieren, sich nicht leichtsinnig in Gefahr zu bringen. Bahnanlagen sind Privatgelände und keine Abenteuerspielplätze.“

Selbst bei einem Abstand von bis zu eineinhalb Metern könne der Strom in einem Lichtbogen überspringen, die Leitungen haben eine Spannung von 15.000 Volt. Hinweisschilder informierten darüber. Zu der immer wieder erhobenen Forderung nach einer Einzäunung rechnet sie vor, dass bei einem bundesweiten Streckennetz von 34.000 Kilometern Länge ein Zaun von einer Länge nötig sei, die zwei Mal um den Äquator reiche. Zudem würden solche Sicherungen immer wieder zerstört.

In Troisdorf wird in der Zufahrt darauf hingewiesen, dass das Bahngelände Privatgelände ist, Unbefugten ist das Betreten strikt verboten. „Die Deutsche Bahn setzt auf intensive Aufklärungs- und Präventionsarbeit“, sagt die Bahnsprecherin.

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