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Schloss BurgEin Mythos wird für 33 Millionen Euro saniert

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Die Residenz der Grafen wurde im 19. Jahrhundert rekonstruiert.

Solingen – Die mächtigen Tore von Schloss Burg blieben fest verschlossen: Als im November des Jahres 1225 der Tross mit den sterblichen Überresten des Grafen Engelbert von Berg, der kurz zuvor in einem Hohlweg bei Gevelsberg brutal ermordet worden war, um Einlass bat, da wagte es niemand, den Weg freizugeben und den toten Hausherrn in seiner eigenen Burg aufzubahren. Zu unsicher war die politische Lage. Und so schleppten – der Überlieferung nach – die abgewiesenen Helfer den Leichnam des einst so mächtigen Erzbischofs von Köln über beschwerliche Wege weiter ins 18 Kilometer entfernte Kloster Altenberg hinunter. Doch dazu später mehr.

Heute sind die Tore von Schloss Burg an der Wupper weit geöffnet: Rund 150 000 Menschen kommen jährlich hierher, um die faszinierende Lage der Höhenburg zu bestaunen, um Museum, Märkte, Feste und andere Veranstaltungen zu besuchen. Das soll auch während der umfangreichen Sanierungsarbeiten so bleiben, die schon von weitem an Baugerüsten zu erkennen sind und an den Schutznetzen, die von den Zinnen hängen. Für mehr als 33 Millionen Euro wird die Burg in den nächsten Jahren rundum renoviert und konzeptionell neu aufgestellt. Denn die Mauern der Wehranlage zerfallen langsam, die Technik im Inneren ist antiquiert, das Museum angestaubt.

„Die Sanierung ist dringend, es bröckelt an vielen Stellen“, sagt Klaus-Dieter Schulz, Vorsitzender des Schlossbauvereins. Der Verein unterhält und betreibt die historische Anlage seit rund 130 Jahren. „Wir konnten immer nur das Nötigste tun, aber jetzt ist das Geld da“, freut er sich. Die Kosten für das Vorhaben, das sich in mehrere Bauabschnitte gliedert, teilen sich der Bund (15 Millionen), das Land (knapp elf Millionen) sowie die Eigentümer der Burg, die Städte Solingen, Remscheid und Wuppertal (7,5 Millionen Euro).

Erste Schritte, die Burg aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken, sind bereits geschehen. So wurde mit neuem Corporate Design die Außendarstellung modernisiert, das betagte Kassenhäuschen durch ein Besucherzentrum mit neuester Technik und Museumsshop ersetzt, und es wurden neue Veranstaltungsformate entwickelt. Auf der Burg finden Kammer- und Jazzkonzerte statt, unterhalten Comedians ihr Publikum, wird zum Krimidinner und Rittermahl und zu historischen Märkten geladen – Angebote, die so Schulz, alle Gewinn abwerfen.

Klaus-Dieter Schulz (links) und Gregor Ahlmann kümmern sich um die Sanierung.

Bis Mitte des Jahres sollen zudem das Grabentorgebäude und der mächtige Bergfried kernsaniert sein. Alle Arbeiten sollen bei laufendem Betrieb erfolgen, das touristische Geschäft so wenig wie möglich stören. „Sonst haben wir nachher eine sanierte Burg, aber der Verein ist pleite“, meint Schulz, der die Finanzen hütet.

Die langen Seile, die derzeit noch vom Turm herunterhängen, hätten Rapunzel glücklich gemacht. Doch da Märchen nichts mit der Realität einer Großbaustelle zu tun haben, dient das Tau keinem Prinzen, sondern Handwerkern bei der Arbeit. Die klettern nicht die Wand hinauf, sondern stemmen sie auf, verlegen meterlange Kabel und machen aus dem maroden Turm einen modernen Museumsort. Hier sollen Besucher künftig in den Rundgang einsteigen – mit Geschichten aus der Geschichte der Grafen von Berg, die reich ist an Dramatik. Auf sechs Etagen wird die Historie erzählt, mit Filmen und Interaktion, wissenschaftlich fundiert, trotzdem unterhaltsam und damit zeitgemäß inszeniert.

Der Krimi von der Ermordung Engelberts, mit dessen Tod die Grafen von Berg in der männlichen Linie ausstarben, gehört dazu. Engelbert war auf der Rückreise von Soest nach Köln und hatte vor, unterwegs in Schwelm eine Kirche zu weihen. Die Stadt sollte er aber nicht lebend erreichen. Wenige Kilometer vor den Stadttoren wurde er von Bewaffneten unter Führung seines Verwandten Graf Friedrich von Isenberg überfallen und erschlagen. Dieser und weitere Drahtzieher standen in Opposition zu Engelberts Territorialpolitik, die der Graf von Berg dank seiner Machtfülle durchsetzen konnte. Als Reichsverwalter des Stauferkaisers Friedrich II. und Vormund des Kaisersohnes war Engelbert damals die politisch einflussreichste Person im Land. Historiker gehen heute davon aus, dass der Tod des Erzbischofs nicht geplant, sondern Folge einer missglückten Entführung war. Friedrich von Isenberg wurde später gefasst und für seine Tatbeteiligung in Köln zu Tode gefoltert. Mit der Ermordung Engelberts endete auch die Ausbauphase seines Stammsitzes Schloss Burg.

Im Burgfried werden derzeit Wände aufgestemmt und Kabel verlegt.

Nacherzählt wird im Museumsturm demnächst auch die Schlacht von Worringen 1288 und die anschließende Gefangenschaft des Siegfried von Westerburg. Der wurde zeitweilig auf der Burg festgesetzt, schmorte aber wohl nicht im Verlies, weil es in der historischen Burg zwar den „Diebs-Turm“, aber nie einen echten Kerker gab. Der war erst nachträglich in den 1970er Jahren eingebaut worden, „um dem Grundbedürfnis von Burgbesuchern nach einem Verlies und einer Folterkammer nachzukommen“, erklärt Gregor Ahlmann, wissenschaftlicher Referent des Museumsvereins, lächelnd. Da man der geschichtlichen Wahrheit verpflichtet sei, so der Historiker, wurde das Verlies nun entfernt.

Zur geschichtlichen Wahrheit gehört auch, dass die Burg, wie sie heute über der Wupper thront, kein Bau aus dem Mittelalter ist. Die Stammburg aus dem 12. Jahrhundert war längst zur Ruine verfallen, als sich 1887 der Schlossbauverein gründete und zur Rekonstruktion entschloss.

Alle Arbeiten am Bergfried und Torbau und den in den nächsten Bauabschnitten folgenden Sanierungen an Palas (dem Wohntrakt der Burg), Mauern, Wehrgängen und Innenhöfen orientierten sich am Zustand des Wiederaufbaus Ende des 19. Jahrhunderts, erläutert Projektleiter Matthias Veldboer von der Stadt Solingen. Bisher sei man im Zeitplan, doch müsse man immer mit Überraschungen rechnen. Denn so jung die Burg auch ist, sie steht auf altem Grund: Dicht unter der Oberfläche wartet das Mittelalter. Obwohl man mit den Arbeiten in den Höfen noch gar nicht richtig begonnen hat, stieß man bereits auf Mauerreste, die den bisher angenommenen mittelalterlichen Grundriss der Burg infrage stellen. „Die Anlage war wohl stärker befestigt als bisher vermutet“, meint Projektleiter Veldboer.

Mit weiteren Überraschungen sei zu rechnen, wenn vielleicht auch nicht unbedingt mit einem Schatzfund. Den im Boden vergrabenen „Burger Münzschatz“ hatte man schließlich schon 1952 bei Arbeiten entdeckt. 508 Silberpfennige in einem Tonkrug gab der Boden damals frei – die jüngste war im Jahr 1218 geprägt worden. Da just in diesem Jahr Graf Adolf III. von Berg zu einem Kreuzzug aufbrach, vermuten Historiker, dass der Graf die Münzen als Notgroschen für die Zeit seiner Rückkehr versteckt hatte. Allerdings starb Adolf III. in Ägypten und der Schatz geriet in Vergessenheit.

Bis spätestens 2025 will man nun alle Abschnitte der Sanierung abschließen und dabei – anders als anno 1225 – die Türen für Besucher wie gewohnt offen halten.