Commerzbank-Aufsichtsrat über den geplanten Jobabbau„Wir sind richtig wütend“

Lesezeit 5 Minuten
Commerzbank Symbolbild

Die Commerzbank will bis 2024 brutto rund 10.000 Vollzeitstellen abbauen.

Frankfurt – Seit Monaten wird über eine Sanierung der Commerzbank diskutiert. Gerade hat der Vorstand seine Pläne veröffentlicht. Kern des Radikalumbaus ist der Rückzug aus mehreren Geschäftsfeldern. Bis zu 10.000 Stellen sollen bis 2024 wegfallen, und fast die Hälfte der Filialen soll geschlossen werden. Stefan Wittmann, Verdi-Vertreter im Aufsichtsrat, kritisiert die Pläne deutlich.

Herr Wittmann, am Donnerstagnachmittag kam die Meldung vom Umbau der Commerzbank mit der Streichung von 10 000 Stellen und der Schließung von mehr als 300 Filialen. Wurden Sie überrascht?

Nein, wir haben in den vergangenen Monaten sehr intensiv um die neue Strategie gerungen, haben immer wieder versucht, die Bank darauf hinzuweisen, was aus unserer Sicht nicht geht. Wir haben gute Gespräche geführt und uns auf eine Zeitschiene geeinigt, von der wir dachten, dass sie eingehalten wird. Auf den letzten Metern dieses Marathons mussten wir aber feststellen, dass Absprachen mit dem Management der Bank nur eine sehr kurze Haltbarkeitsdauer haben.

Wie groß ist der Schaden, der mit der verfrühten Veröffentlichung des Sanierungsplans angerichtet wurde?

Der Schaden ist in Hinblick auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit sehr groß. Wir sind richtig wütend. Wir nehmen der Bank auch nicht ab, dass die Informationen, die das „Handelsblatt“ veröffentlicht hat, eine Ad-hoc-Mitteilung für die Finanzmärkte notwendig machten. Wir glauben, dass dies Taktik ist.

Mit welchem Ziel?

Mit dem Ziel, den Aufsichtsrat zu einer Zustimmung des Konzepts zu zwingen, da der Aufsichtsrat sonst Vorstandschef Manfred Knof schon kurz nach seinem Amtsantritt demontieren würde.

Heißt das auch, dass Sie das jetzt vorgestellte Konzept anlehnen?

Das Blöde ist, dass wir das Ziel, das die Bank für das Jahr 2024 vor Augen hat, weitgehend teilen. Aber die Art und Weise, wie das Ziel erreicht werden soll, haben wir kritisiert. Der Personalabbau soll viel zu schnell geschehen. Dabei spielt die geplante Digitalisierung eine Rolle: Keine Digitalisierungsstrategie bei der Commerzbank hat bislang im ursprünglich geplanten Zeitrahmen funktioniert. Jetzt will man sogar noch viel schneller und ambitionierter vorgehen als bisher.

Was wären die Konsequenzen eines erneuten Scheiterns?

Was jetzt passieren soll, ist der letzte Versuch. Klappt der nicht, war“s das. Es geht nicht, sieben oder acht Umbaustrategien hintereinander zu fahren und jedes Mal die Bank auf den Kopf stellen. Irgendwann sind die Beschäftigten so erschöpft, dass sie nicht mehr mitmachen. Dann scheitert die Bank an zu viel Veränderung. Das heißt: Jetzt muss Qualität vor Schnelligkeit gehen. Ich habe den Eindruck, dass es dem Vorstand nur noch um Schnelligkeit geht. Hinzu kommt: Je schneller um- und abgebaut wird, umso weniger nimmt man die Belegschaft mit, die wird man aber brauchen.

Wie meinen Sie das?

Keiner weiß, ob er persönlich vom Stellenabbau betroffen ist. Die Beschäftigen werden jetzt in Corona-Zeiten mit großer Ungewissheit ins Wochenende geschickt. Und alle, die sich ausrechnen einen sicheren Job zu haben, wissen nicht, ob sie künftig ihre Aufgaben schaffen können, weil unklar ist, wie viel Personal in ihrer Abteilung wegfällt.

Warum braucht es Zeit beim Stellenabbau?

Die Bank muss den Personenkreis der Beschäftigen, die beispielsweise für Altersteilzeit oder Vorruhestand infrage kommen sollen, im Vergleich zu den bisherigen Programmen deutlich ausweiten, wenn sie ihre Ziele erreichen will. Wenn Altersinstrumente wirken sollen, dann braucht das eine längere Zeit. Weil ausreichend Beschäftige erst einmal in das Alter kommen müssen, in dem diese Instrumente für sie in Frage kommen.

Aber an Arbeitsplatzabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen führt kein Weg vorbei? Sie hatten schon vorigen Sommer die Streichung von bis zu 8000 Stellen als notwendig bezeichnet.

Einem Gewerkschafter ist jeder Personalabbau zu hoch. Es gibt keine gute Zahl. Stellen die gestrichen werden sollen, kommen aus Bereichen, aus denen die Bank sich zurückziehen will. Das ist zum Beispiel das Auslandsgeschäft – das Geschäft in ausländischen Niederlassungen muss zurückgefahren werden, weil man damit keine Erträge erwirtschaftet. Das Geschäft am Kapitalmarkt wird deutlich kleiner werden, so etwas zieht ganze Personalkaskaden nach sich, weil weniger Aufträge auch weniger Arbeit im Backoffice nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass sich Manager auf der Führungsebene eigene Hofstaaten geschaffen haben, die nun verkleinert werden müssen.

Hat es über Jahre an einer konsequenten Personalpolitik gemangelt?

Die Commerzbank hat einfach keine Personalpolitik. Die Personalabteilung ist ausschließlich zum Ausführen da. Ich erwarte von einer Personalabteilung aber, dass sie Konzepte entwickelt, wo sozialverträglich Stellen wegfallen können, wie Beschäftigte qualifiziert werden, wie man mit den anstehenden Abgängen von Silberrücken umgeht. Es wird aber nur nach Schema F gearbeitet.

Was fordern Sie?

Wir fordern, dass der Personalabbau auf fünf bis sechs Jahre gestreckt wird. Und was wirklich fehlt, ist eine Kommunikation der Vorstands mit der eigenen Belegschaft. Wenn ich die Börse und Kunden informiere, dann muss ich auch die Belegschaft informieren. Die Message muss dabei sein: Egal was draußen erzählt wird, wir werden wertschätzend mit euch umgehen.

Können Sie auch mit der geplanten Schließung von fast der Hälfte der Filialen leben?

Wie gesagt, die vom Vorstand eingeschlagene Richtung ist richtig. Uns fehlen noch Daten, um sagen zu können, wie groß die Dimension der Filialschließungen sein muss. Wir werden sehen, ob dann noch 450 oder 500 Filialen übrig bleiben können. Gut ist in jedem Fall, dass das Konzept mit nur noch 200 Filialen vom Tisch ist.

Was wird in der Aufsichtsratssitzung am 3. Februar passieren, wenn das Sanierungskonzept diskutiert wird?

Ich glaube, dass die Arbeitnehmerbank das neue Sanierungskonzept nicht akzeptieren kann, weil die personellen Auswirkungen noch völlig unklar sind. Das bedeutet, dass die Umsetzung von der Arbeitgeberseite zwar beschlossen wird, aber von der Hälfte des Aufsichtsrats nicht mitgetragen wird. Und damit erschwert der Vorstand selbst die Umsetzung seines eigenen Konzepts. Herr Knof schießt sich selbst ins Knie.

KStA abonnieren