Gaspreis explodiertFamilie soll pro Monat statt 143 jetzt 1515 Euro zahlen

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Erst vor zwei Jahren hat sich die Familie von Nicole Kienzle für eine moderne Brennwertheizung entschieden. Jetzt droht Erdgas unbezahlbar zu werden.

Schenkenberg – „Schatz, dein Gehalt ist weg!“ Gar nicht komisch fand Olaf Kienzle die Begrüßung daheim nach einem langen Arbeitstag. Tatsächlich hatte es Gattin Nicole wörtlich gemeint. An einem Brief hängt neuerdings die Existenz des Ehepaares aus Schenkenberg in der Gemeinde Groß Kreutz (Havel) in Brandenburg und ihrer betagten Eltern.

Zunächst günstigere Gas-Heizung wird in Energiekrise zum Fluch

Alle vier Personen leben unter dem Dach eines 1928 erbauten Siedlungshauses, das nach der Wende an das Erdgasnetz angeschlossen wurde. Endlich konnte die alte Schwerkraftheizung in Rente geschickt werden. Doch mit der Energiekrise ist das bislang günstige Heizmedium zum Fluch geworden. Ab November soll die Familie jeden Monat einen Abschlag von 1515 Euro bezahlen.

Damit könnte der Hauptverdiener seinen Lohn gleich beim Gasversorger abliefern. „Wir haben die Rechnung fünfmal gelesen, bis wir realisiert haben, was da auf uns zukommt. Mit dieser Forderung wird Gas unbezahlbar“, sagt Nicole Kienzle. Zum Vergleich: Bislang zahlte das Ehepaar einen Abschlag von 143 Euro. Die Verzehnfachung des Gaspreises ist für die Familie ein Schock.

Erdgas zehnmal teurer

Betroffen sind auch Nicole Kienzles Eltern Hans und Edelgard Wutzke. Die beiden über 80-jährigen Rentner sind über die exorbitanten Preiserhöhungen erschüttert. Hinter der Megarechnung steckt das im Saalekreis ansässige Unternehmen Mitteldeutsche Gasversorgung (Mitgas).

Seit 2019 ist die Familie Kunde bei Mitgas. Mit einem Arbeitspreis von 4,93 Cent je Kilowattstunde machte ihnen der Versorger aus Sachsen-Anhalt ein unschlagbares Angebot. Damit ist es ab dem 1. November vorbei. Noch während des laufenden Vertrages springt der Arbeitspreis auf 47,25 Cent. Familie Kienzle ist kein Einzelfall. Der MDR hat bereits über ähnliche Fälle im mitteldeutschen Raum berichtet. Auch dort müssen Mitgas-Kunden mit einer Anpassung ihrer Abschlagszahlungen um das Acht- bis Zehnfache rechnen.

Das Unternehmen begründet die angekündigten Preiserhöhungen insbesondere mit auslaufenden Preisgarantien. Wegen explodierender Großhandelspreise ergebe sich gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine deutliche Preissteigerung. Dem Vernehmen nach sollen monatlich einige Tausend Kunden betroffen sein.

Kurz vor Heizperiode Vertrag gekündigt

Die Familie aus Schenkenberg hat inzwischen die Reißleine gezogen. Um eine weitere Abbuchung per Lastschrift zu vermeiden, haben die Hausbesitzer ihren Vertrag mit Mitgas gekündigt. Damit haben sie allerdings keinen Gasversorger mehr. Und die nächste Heizperiode steht vor der Tür. Alle Hoffnungen richten sich jetzt auf das heimische Unternehmen Energie Mark Brandenburg (EMB).

Die EMB will den Schenkenbergern jetzt ein Angebot für die Aufnahme in die Grundversorgung unterbreiten. Die Rede ist von rund 700 Euro Abschlag im Monat. „Das wäre immer noch etwa eine Verfünffachung der Gaskosten. Aber ich habe wenig Hoffnung, dass es noch billiger wird“, sagt Nicole Kienzle.

Hohe Kosten für Gemeinde – Rettungsschirm nicht vorstellbar

Im Rathaus von Groß Kreutz (Havel) zeigte sich Bürgermeister Reth Kalsow (CDU) entsetzt über den Fall in Schenkenberg. Direkte Hilfe für Betroffene über einen kommunalen Rettungsschirm kann sich das Gemeindeoberhaupt schwerlich vorstellen. Die Gemeinde selbst steht vor unsicheren Zeiten. Verträge für Strom stehen vor dem Auslaufen.

Kalsow rechnet mit Mehrkosten für Energie für öffentliche Gebäude und Einrichtungen in Höhe von mehreren 100.000 Euro. Geld, das für Investitionen, Brandschutz und freiwillige Leistungen fehlt. (rnd)

KStA abonnieren