„Es war wie ein Traum“Ehemaliger Butler gibt Einblicke ins Leben der Queen

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Martin Higgins arbeitete jahrelang für die Queen. (Archivbild)

London –  „Oh, wow. Das ist ja eine ganze Corgi-Familie“, ruft eine Frau begeistert aus. Als Martin Higgins seine wuseligen Vierbeiner durch einen sonnigen Park im Nordosten Londons führt, erhalten diese viel Aufmerksamkeit. Passanten bleiben stehen, streicheln die Tiere mit dem hellbraunen Fell, wollen wissen, wie sie heißen und wie alt sie sind. „Sie sind die Stars“, betont Higgins und lacht.

Ganz der Wahrheit entspricht das nicht. Auch er selbst hat in den vergangenen Tagen eine gewisse Berühmtheit erlangt. Schließlich arbeitete er dreieinhalb Jahre als Butler im königlichen Haushalt, von 1990 bis 1993. Das macht ihn zu einem begehrten Gesprächspartner. „Ich habe viele Interviews gegeben“, sagt er, während seine Hunde in einigem Abstand den Park erkunden. „Es ist natürlich traurig, diese sprichwörtlichen ‚five minutes of fame‘ unter diesen Umständen zu haben, aber es bereitet mir auch Freude, über diese Zeit zu sprechen.“

Tanz mit der Queen

Higgins erinnert sich noch genau an seine erste Arbeitswoche auf Schloss Sandringham im Osten Englands. „Schon auf dem Weg zum Personalbüro durchschritt ich beeindruckende Räume“, riesige Ball- und großzügige Speisesäle. „Alles war so großzügig. Es war wie ein Traum.“ Dann, kurz vor Weihnachten, sah er die königliche Familie zum ersten Mal bei einem Abendessen: die Queen, Prinz Philip, Queen Mum, Prinzessin Diana und Charles. „Alle saßen an einem Tisch. Das war wirklich surreal.“ Mit dabei waren auch die Corgis der Queen. Jene Hunderasse, die er jetzt selbst so liebt.

Auf Schloss Balmoral habe er dann auch einmal mit der Queen getanzt. Dabei wurde ihm die Monarchin im Rahmen eines schottischen Tanzes namens „Paul Jones“ zufällig als Partnerin zugewiesen. Bei dem anschließenden Quickstep hätte er eigentlich den Arm um sie legen müssen, entsinnt er sich. „Laut dem Protokoll durfte man das aber nicht. Und so musste ich fünf Minuten mit ihr tanzen, ohne sie dabei zu berühren. Es erschien mir wie eine Ewigkeit.“

Butler über besondere Gabe der Queen

An Elizabeth erinnert er sich als eine „introvertierte Person mit einem ausgezeichneten Sinn für Humor, sehr klug und schnell im Kopf“. Natürlich seien die Menschen sehr nervös gewesen, wenn sie sie trafen. Aber sie habe die Gabe gehabt, diese Situationen zu entschärfen. „Sie war gütig und freundlich.“ Die Nachricht vom Tod der Monarchin sei ein großer Schock für ihn gewesen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es jetzt schon passiert. Schließlich hatte sie kurz zuvor noch die neue Premierministerin getroffen.“ Außerdem sei ihre Mutter Queen Mum über 100 Jahre alt geworden.

Gerne hätte er sich in den vergangenen Tagen ebenfalls in die Schlange eingereiht, um von der Monarchin im britischen Parlament Abschied zu nehmen. Das sei wegen der Hunde aber nicht möglich gewesen. „Die Beerdigung der Queen werde ich mir zu Hause im Fernsehen ansehen“, erzählt er. Danach sei er dann zu weiteren Interviews vor dem Buckingham-Palast geladen.

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Was dann passiert? Besonders bewusst wird Britinnen und Briten der Verlust noch einmal an Weihnachten werden. „Es wird sehr seltsam sein, wenn statt der Queen nun King Charles III. die Ansprache an die Nation hält. „Dann werden wir wohl noch einmal deutlich spüren, wie sehr sie uns fehlt.“

„Charles tritt in sehr große Fußstapfen“, sagt Higgins. Er sei zwar überzeugt davon, dass der neue König das Amt im Sinne seiner Mutter weiter- und ausführen wird. „So beliebt wie die Queen wird Charles aber wohl nie werden.“ Dass der Monarch vor einigen Tagen verärgert wegen eines auslaufenden Füllers reagiert hatte, versteht er als früherer Butler gut. „So etwas darf nicht passieren. Die Details müssen stimmen.“ Bei seinem Besuch in Nordirland war der Monarch gerade dabei gewesen, sich in ein Gästebuch einzutragen, als sich die Tinte plötzlich selbstständig gemacht hatte. „Oh Gott, ich hasse das“, hatte er geschimpft.

Dann kommen schon die nächsten Passanten und wollen seine vier Hunde Xavier, Edward, Sebastian und Tristan kennenlernen. Dass demnächst Charles‘ Jack Russel Terrier Bluebell und Beth in den Buckingham-Palast einziehen, hält die Runde für nachvollziehbar, einen neuen Hundetrend sehen sie darin aber nicht.

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