Kampagne zur InflationAfD will Abstiegsängste und Verunsicherung für sich nutzen

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AfD Fähnchen 040722

Die AfD setzt voll auf das Thema Inflation. 

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz sorgt sich um „sozialen Sprengstoff“ durch steigende Energierechnungen und Lebenshaltungskosten. Die AfD hofft auf genau diese Verwerfungen. Nach langer Themenflaute hofft die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtete Partei wieder Anschluss an Unsicherheit und Unzufriedenheit bei Wählerinnen und Wählern zu finden.

Parteichefin Alice Weidel bezeichnete die AfD auf dem Parteitag vor drei Wochen in Riesa bereits als „Partei der Zukunft“. Die Probleme in Deutschland würden sich „in einer Geschwindigkeit zuspitzen, da kommt man gar nicht mehr hinterher“. Inflation und Energiekrise würden sich noch massiv verschärfen, raunte Weidel. „Zehn Prozent Inflation - das ist noch gar nichts.“ Weidels Hoffnung: „Irgendwann“ werde „der Wähler die richtige Konsequenz ziehen und die anderen Parteien abstrafen.“ Die Krisen, so der Plan der Partei. und Fraktionsvorsitzenden, würden der AfD helfen, „zuerst in ostdeutschen Bundesländern in Regierungsverantwortung zu kommen“.

Nicht Putin ist der Schuldige, sondern EU, EZB und deutsche Regierung

Bereits im April startete die AfD eine Inflations-Kampagne mit teils entgleisten Slogans wie „Äpfel fallen vom Himmel. Hohe Preise nicht“. Landwirtschaftspolitiker der AfD schüttelten zwar den Kopf, aber die Stoßrichtung war damals bereits klar: Brüssel, Frankfurt und Berlin, also die EU, die Europäische Zentralbank und die Bundesregierung - und nicht etwa Putin - sollten als Schuldige für die klaffenden Löcher im Portemonnaie gebrandmarkt werden.

Am Dienstagabend wird nun im Russischen Haus an der Berliner Friedrichstraße - der Ort soll zufällig gewählt sein - ein 45-minütiger Film im Auftrag der AfD-Bundestagsfraktion vorgestellt, der das Thema im Sinne der Partei weitertreibt. „Teuro Total. Deutschland am Limit“ heißt der Werbeclip in Dokulänge. Er zeigt vor allem die Finanz-, Haushalts- und Sozialpolitiker der AfD-Fraktion beim Reden, unterbrochen von drei Protagonisten aus der Bevölkerung.

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Eine Taxifahrerin aus Eberswalde in Brandenburg, eine Frührentnerin aus Wiesbaden, ein Koch aus Garmisch-Partenkirchen bilden das Trio der besorgten Bürger. Die Taxifahrerin wünscht sich geringere Spritpreise - und ist als einzige der drei Protagonisten bei einer kurzen Google-Suche als langjährige AfD-Anhängerin erkennbar. Die Frührentnerin spricht davon, dass „wir unsere Sozialsysteme schützen“ müssen und will weitere Zuwanderung verhindern. Der Koch klagt, wie wenig er sich von seiner harten Arbeit leisten kann und wie gering der Abstand seines Lebensstils zu Transferempfängern mittlerweile ist.

AfD will Wut über Inflation anheizen

Die Protagonisten seien informiert worden, dass sie in einem AfD-Film mitmachen, sagt René Springer, Bundestags-Sozialpolitiker und eine der Hauptpersonen. Was sie sagen, unterscheidet sich kaum von anderen Berichten über die Abstiegsängste durch die aktuellen Preissteigerungen. Wie Springer und seine Bundestags-Kollegen Peter Boehringer und Kay Gottschalk das einordnen, gibt aber Hinweise darauf, wie die AfD ihre alten Positionen in neuer Verpackung an die verunsicherten Anhängerinnen und Anhänger bringen - und die Wut anheizen will.

„„Inflation „geschieht„ nicht einfach, sondern wird gemacht“, sagt da der Haushaltpolitiker und Parteivize Peter Boehringer. Die Geldentwertung sei „eine heimliche Steuer, erzeugt von der Regierung und der Zentralbank samt anhängendem Bankensystem.“ Die Teuerung „geschieht zu guten Teilen nicht zufällig, sondern ist von der Politik gewünscht“, behauptet Springer. Bürgerinnen und Bürger sollten „durch künstliche Preissteigerungen zu einem bestimmten Verhalten angehalten werden“. Und der Finanzpolitiker Kay Gottschalk fordert einen erhöhten Steuer-Grundfreibetrag - aber auch abgesenkte Sozialleistungen.

Nach den Protesten von Corona-Maßnahmengegnern hoffen nicht wenige besonders in den Ostverbänden der AfD auf einen weiteren Wut-Winter. Die Aufgabe der Partei wird es sein, für Sündenböcke zu sorgen.

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