Gericht entscheidetIm Homeoffice gilt der gleiche Unfallschutz wie am Arbeitsplatz

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Eine Frau arbeitet im Homeoffice

Kassel – Eine gute Nachricht für alle, die im Homeoffice arbeiten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Grundsatzurteil die Rechte für Beschäftigte, die zu Hause arbeiten, gestärkt. Das Gericht hat entschieden, dass bei einem Sturz auf dem Weg zum Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung die Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung unter bestimmten Umständen greifen (Aktenzeichen: AZ: B 2 U 4/21 R). Im Einzelfall komme es immer darauf an, ob zurückgelegte Weg in der Wohnung des Beschäftigten „unmittelbar unternehmensdienlich“ ist, so die Kasseler Richter.

Im vorliegenden Fall ging es um Gebietsverkaufsleiters im Außendienst, der mit Ausnahme von Kundenbesuchen ständig im Homeoffice arbeitet. Normalerweise geht er morgens früh vom Schlafzimmer direkt an seinen Arbeitsplatz im heimischen Büro – ohne vorher zu frühstücken. Im September 2018 stürzte er auf der Wendeltreppe, über die er zu seinem Schreibtisch kommt. Dabei brach er sich den Brustwirbel. Er musste mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden.

Die zuständige Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik lehnte es ab, für den Unfall den Versicherungsschutz zu übernehmen. Mit der Begründung, dass ein Wegeunfall nicht vorliege.

Vom Schlaf- ins Arbeitszimmer ist ein „versicherter Betriebsweg"

Die Anwälte der Berufsgenossenschaft argumentierten, die Unfallversicherung diene lediglich dazu, die Beschäftigten vor den Gefahren des öffentlichen Verkehrs auf Straßen und in Bussen oder Bahnen zu schützen. Wege innerhalb eines Hauses könnten deshalb nicht berücksichtigt werden. Es bestehe auch deshalb kein „versicherter Betriebsweg“, da der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls seine berufliche Tätigkeit noch nicht aufgenommen habe.

Das Bundessozialgericht stellte nun jedoch einen versicherten Arbeitsunfall fest. Die Richter betonten: Es habe zwar kein Wegeunfall vorgelegen. Diese Art von Versicherungsschutz gebe es nämlich erst ab dem Durchschreiten der eigener Haustür. Bei dem Weg vom Schlafzimmer in das ein Stockwerk tiefer gelegene Arbeitszimmer habe es sich aber um einen „versicherter Betriebsweg“ gehandelt.

Die Umstände des Falls zeigten, dass der Kläger beabsichtigte habe, seine Erwerbsarbeit zu beginnen. „Das Hinabsteigen der Treppe war unmittelbar unternehmensdienlich“, befanden die Richter des obersten deutschen Sozialgerichts. Der Unfall habe sich auch zu einer Zeit ereignet, an der der Mann regelmäßig seine Arbeit beginne.

Gesetzliche Unfallversicherung im Homeoffice juristisch umstritten

Das Urteil ist deshalb von Relevanz, weil durch die Corona-Pandemie quasi gesetzlichen Pflichten zum Homeoffice eingeführt wurden. Beschäftigte werden also de facto gezwungen, zu Hause zu arbeiten. Inwieweit sie dabei durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sind, ist unter Juristen noch immer umstritten.

Die Richter machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es auf die im Zuge der Pandemie im Juni 2021 eingeführte gesetzliche Neuregelung zum Homeoffice hier nicht angekommen sei - der Unfall ereignete sich vorher. Danach besteht im Homeoffice in „gleichem Umfang“ Versicherungsschutz wie im Unternehmen.

Ungeklärt ist bislang aber dennoch, inwieweit im Homeoffice Wege von oder zur Toilette oder in die Küche, um sich etwas zu essen oder zu trinken zu holen, ebenfalls unter dem Versicherungsschutz stehen. Solche Wege sind aber auf einem Betriebsgelände durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt.

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Arndt Kempgens, Fachanwalt für Versicherungsrecht, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, es handele sich um ein wirklich wichtiges Urteil für alle Arbeitenden im Homeoffice. „Die Richter haben klargestellt, dass bereits der Weg vom Schlafzimmer ins benachbarte Arbeitszimmer versicherter Arbeitsweg ist.“ Damit bestätigten die höchsten deutschen Sozialrichter einen deutlich besseren Schutz für die beruflichen Tätigkeit in der eigenen Wohnung.

Im Juni 2021 habe der Gesetzgeber zwar bereits Änderungen bei der gesetzlichen Unfallversicherung vorgenommen, um kuriose Haftungslücken zu schließen. Das Bundessozialgericht habe nun zwar einen Fall mit der alten Rechtslage zu beurteilen gehabt, aber zugleich einen deutlich verstärkten Versicherungsschutz bestätigt. „Für Arbeitnehmer:innen bedeutet, dass sie im Homeoffice nun insgesamt besser geschützt sind“, sagte Kempgens.

Zahlreiche Unternehmen haben wegen der unklaren Lage zusätzliche Policen für ihre Beschäftigten abgeschlossen, um Zweifelsfälle beim Versicherungsschutz auszuschließen.

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